Glaubensleben

Vorsicht, Selbstbetrug!

Wer ist nicht schon mal betrogen worden? In der einen oder anderen Form haben wir das alle erlebt. Wie enttäuschend und verletzend, wenn man als Verlierer dasteht! Es gibt allerdings auch eine Art von Betrug, die uns alle angeht, die uns jedoch weniger trifft, weil wir uns dessen oft nicht bewusst sind: den Selbstbetrug.

Selbstbetrug – dieser Betrug betrifft uns alle.

Dass wir uns selbst betrügen – halten wir das überhaupt für möglich? Wir sind doch kluge Menschen und tricksen uns nicht selbst aus, denken wir vielleicht. Die Realität sieht leider anders aus. Wir können sogar nach außen hin Menschen gegenüber aufrichtig sein und zugleich uns selbst betrügen.

Andere betrügen

Dass wir andere Menschen nicht betrügen sollen, weder Gläubige noch Ungläubige, sollte uns eigentlich klar sein. Und doch kommt es bei Gläubigen vor, dass man seinen eigenen Vorteil auf Kosten anderer sucht. Andere werden hintergangen (1. Thes 4,6) oder übervorteilt. „Aber ihr tut unrecht und übervorteilt, und das Brüder!“, musste der Apostel Paulus den Korinthern vorhalten (1. Kor 6,8). Müssen wir uns das hier und da vielleicht auch sagen lassen? In einer Zeit, die von Egoismus geprägt ist (2. Tim 3,2), sollten wir besonders auf der Hut sein vor dieser Sünde.

Sich selbst betrügen

Darüber hinaus macht die Bibel uns auf den Selbstbetrug aufmerksam. Wie der (deutsche) Begriff schon erkennen lässt, spielt sich dieser Betrug in unserem Inneren, in unserer Gedankenwelt ab. Wir entwickeln oder übernehmen Ansichten und machen sie uns zu eigen, weil sie uns logisch, angenehm und nützlich erscheinen. Doch wenn diese Ansichten im Widerspruch zur göttlichen Wahrheit stehen, jagen wir Illusionen nach, und das kann tragische Folgen haben. Deshalb werden wir vor Selbstbetrug gewarnt.

Schauen wir uns zu diesem Thema drei Bibelstellen an.

Niemand betrüge sich selbst. 1. Korinther 3,18

1. Meinen, weise zu sein

„Niemand betrüge sich selbst. Wenn jemand unter euch meint, weise zu sein in diesem Zeitlauf, so werde er töricht, um weise zu werden“ (1. Kor 3,18).

Unter den Korinthern hatten gewisse Männer ihren Einfluss geltend gemacht, an deren Bekehrung der Apostel Paulus zweifelte. Sie mochten kluge und gebildete Leute sein, aber ihr Wirken unter den Gläubigen war keine geistliche Aufbauarbeit, sondern hatte verheerende Folgen: die Versammlung, der Tempel Gottes, wurde zerstört (V. 16.17).

Mit einem solch harten Urteil hatten die Briefempfänger vermutlich nicht gerechnet. Sie waren fleischlich und erlagen deshalb einer Täuschung. Weltliche Weisheit war bei ihnen hoch angesehen, Rang und Namen von Bedeutung. So waren sie es von jeher als Griechen gewohnt. So hielten sie die „Weisheit der Welt“ für die geistlichen Belange der Versammlung Gottes für nützlich. Doch „die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott“ (V. 19).

Wir leben heute in einer Zeit, in der viele Menschen der Wissenschaft großes Vertrauen entgegenbringen. Und zum Teil ist das auch nachvollziehbar. Denn viele wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsergebnisse erleichtern das menschliche Leben. Dafür können wir dankbar sein. Aber überall da, wo „wissenschaftliche“ Ansätze und Erkenntnisse mit der biblischen Wahrheit kollidieren, hat der Christ sie abzulehnen. Das gilt zum Beispiel für das Menschenbild der Moderne, das vielen Ansichten über Ehe, Familie und Erziehung sowie auch diversen Therapieformen zugrunde liegt. Wer sich darauf einlässt, braucht sich über schwierige Verhältnisse in Familie und Versammlung nicht zu wundern. Denn das Menschenbild der Moderne steht im krassen Widerspruch zum biblischen Menschenbild.

Wer nach Gottes Maßstab weise werden will, muss erst töricht werden – so heißt es sinngemäß in unserem Bibeltext.

Wer weise werden will, muss erst töricht werden.

Es geht also darum, das aufzugeben, was im Widerspruch zu Gottes offenbarter Wahrheit ist und zugleich im kindlichen Glauben und Gehorsam Gottes Gedanken aufzunehmen und in der Praxis anzuwenden. So wird man in Gottes Augen weise. Nur die göttliche Wahrheit ist Speise, Licht und Schutz für den Gläubigen. Nichts anderes führt zu geistlichem Wachstum und geistlicher Reife. Das gilt für den Glaubensweg des Einzelnen genauso wie für das Leben als Versammlung. – Betrügen wir nicht uns selbst!

Wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst. Galater 6,3

2. Meinen, etwas zu sein

Die selbstherrlichen Pharisäer waren dafür bekannt, einerseits „schwere und schwer zu tragende Lasten“ auf die Schultern der Menschen zu legen und andererseits „gute“ Werke zu tun, „um sich vor den Menschen sehen zu lassen“ (Mt 23,4.5). In dieser Gefahr steht jeder, der das Gesetz vom Sinai oder ein anderes, menschliches Gesetz zum Maßstab seines Handelns macht. Bei der Anwendung von solchen Gesetzen geht es immer um Leistung und Verdienst: Wer etwas tut, kann etwas erreichen, und wer etwas erreicht, hat Anspruch auf Anerkennung.

Doch wer nicht unter Gesetz steht, sondern unter Gnade, urteilt anders. Er weiß, dass Gott vom natürlichen Menschen nichts Geistliches erwarten kann. Von Natur aus bringt der Mensch nichts zustande, was Gott annehmen könnte – weder Gerechtigkeit, die zum Heil beiträgt, noch sonstige gute Werke. Selbst ein edler Charakter kann, moralisch gesehen, höchstens „tote Werke“ hervorbringen. Deshalb hat Gott mit dem alten Menschen abgerechnet: „Ich bin mit Christus gekreuzigt“, und das alte Ich lebt nicht mehr (Gal 2,19.20). Es hat im Tod Christi sein Ende gefunden.

Wir sind in uns selbst nichts.

Wir sind also in uns selbst nichts. Und das gilt nicht nur für den natürlichen Menschen, es wird sogar von uns als Gläubige gesagt. Ist das nicht eine deprimierende Aussage? Wir wollen doch wenigstens etwas sein. So geht mancher auf Identitätsfindung. Man fragt: Wer bin ich? Was kann ich? Was soll ich von mir halten – auch im Vergleich zu anderen? Wer so über sich nachdenkt und dabei seine Stellung in Christus außer Acht lässt, wird entweder zur Selbstgefälligkeit neigen oder aber unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden. Die einen fühlen sich gut, die anderen dagegen schlecht. Beide Gruppen kämpfen letztlich mit demselben Problem: Es geht um das Ich. Die einen sind davon überzeugt, etwas zu sein; die anderen wollen gern etwas sein. Doch Gottes Wort sagt, dass wir nichts sind. Insofern betrügt man sich selbst, wenn man nicht von Herzen annimmt, nichts zu sein.

Gut, dass die Wahrheit Gottes noch eine zweite Seite hat, sonst würden wir sie wohl kaum ertragen können. Einerseits sind wir nichts. Andererseits finden wir als wahre Christen unsere Identität ganz in Christus.

Wir finden unsere wahre Identität in Christus.

Er selbst lebt in uns (Gal 2,20), Gott sieht uns in Ihm (1. Kor 1,30), und der Vater liebt uns so wie Er seinen eigenen Sohn liebt (Joh 17,23). Unbegreiflich, diese Gnade! Bereits vor Grundlegung der Welt hat Gott uns auserwählt in Christus (Eph 1,4) und uns vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein (Röm 8,29). Was haben du und ich für einen Wert in den Augen Gottes! Dieses Bewusstsein macht uns überaus glücklich und zufrieden und hält uns andererseits demütig.

Der Apostel Paulus sah der Realität ins Auge: Gern akzeptierte er, nichts zu sein (2. Kor 12,11). Zugleich sah er die Gnade, die ihn zu dem gemacht hatte, was er war: ein Mensch in Christus (2. Kor 5,17; 12,2) und ein begnadeter Diener (1. Kor 15,10). Lernen wir von ihm – und betrügen wir nicht uns selbst.

3. Meinen, ein Blick in den Spiegel sei ausreichend

„Seid aber Täter des Wortes und nicht allein Hörer, die sich selbst betrügen. Denn wenn jemand ein Hörer des Wortes ist und nicht ein Täter, der gleicht einem Mann, der sein natürliches Angesicht in einem Spiegel betrachtet. Denn er hat sich selbst betrachtet und ist weggegangen, und er hat sogleich vergessen, wie er beschaffen war“ (Jak 1,22).

Das ist nicht die einzige Stelle in der Bibel, die darauf aufmerksam macht, wie wichtig es ist, das Wort Gottes zu tun. Der Herr Jesus erzählte ein Gleichnis, das genau auf diese Problematik abzielt: hören und nicht tun. Wir kennen das Gleichnis von dem „törichten Mann“ der als Vergleich für solche dient, die hören, aber nicht tun. Die Folgen sind fatal (Mt 7,24-27).

Jakobus mahnt seine Briefempfänger in gleicher Weise. Nur verwendet er ein anderes Gleichnis und spricht zudem von Selbstbetrug. Wenn wir den Zusammenhang berücksichtigen, in dem das bekannte „Spiegel-Gleichnis“ steht, dann fällt auf, dass vorher noch die Ermahnung gegeben wird, dass wir „schnell zum Hören“ sein sollen (Jak 1,19). Das ist eine wichtige Voraussetzung für das Leben als Christ: Das Wort Gottes muss regelmäßig gelesen bzw. gehört werden. Wir sollten keine Gelegenheit auslassen, es zu uns reden zu lassen.

Allein Hörer des Wortes zu sein, reicht jedoch nicht aus.

Wir sollen Täter des Wortes sein und nicht nur Hörer.

Das ist so, wie wenn man in einen Spiegel schaut, ohne Maßnahmen folgen zu lassen. Der Spiegel vermittelt ein reales Bild. Er hat eine positive Funktion: Er deckt auf, lässt das erkennen, was in Wirklichkeit vorhanden ist. Im Spiegel des Wortes Gottes erkennen wir uns selbst, unsere Schwächen, Fehler und Sünden. Deshalb ist es so wichtig, ständig in diesen Spiegel zu schauen. Doch eins kann der Spiegel nicht: eine Veränderung herbeiführen. Wenn wir nicht bereit sind, vor dem „Spiegel“ stehen zu bleiben, um uns zu reinigen und dann auch den Herrn um Hilfe zu bitten, unser Verhalten zu ändern, kommen wir geistlich nicht weiter. Wenn nicht Gottesfurcht und Gehorsam uns antreiben, das Wort Gottes zu lesen und zu praktizieren, kommen wir aus einem oberflächlichen und flüchtigen Glaubensleben nicht hinaus: „Er hat sogleich vergessen, wie er beschaffen war.“ – Betrügen wir nicht uns selbst!

Zusammenfassung:

Oft sind wir uns nicht bewusst, dass wir uns selbst betrügen. Deshalb macht Gott uns in seinem Wort darauf aufmerksam. Manchmal meinen wir, Bescheid zu wissen – und sind töricht. Oder wir meinen etwas zu sein, halten viel von uns selbst – und sind in Wirklichkeit nichts. Es kann aber auch sein, dass der Selbstbetrug im Zusammenhang mit einem falschen Gebrauch des Wortes Gottes steht: hören ohne zu tun. In allen drei Fällen wollen wir auf der Hut sein und uns nicht selbst betrügen.

Hartmut Mohncke

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2016, Heft 8, Seite 3

Bibelstellen: 1. Korinther 3,18; Galater 6,3

Stichwörter: sich selbst betrügen, weise