Jericho und Ai

Der Bericht über die Eroberung der beiden Städte Jericho und Ai durch die Kinder Israel in Josua 6-8 enthält kostbare, aber auch ernste Belehrungen für uns. Jericho war die erste Stadt, die dem Volke im Wege stand, als es das verheißene Land in Besitz nehmen wollte. Satan stellt immer den Gläubigen Hindernisse in den Weg, wenn sie die ihnen verheißenen Segnungen in Anspruch nehmen wollen; er vermag sie aber nicht an deren Genuß zu hindern, wenn sie dem Worte des Herrn gehorsam sind.

So hatte auch Israel nichts weiter zu tun, als dem Gebot Jehovas zu gehorchen und sechs Tage lang täglich einmal still um die Stadt zu ziehen und wieder ins Lager zurückzukehren. Am siebenten Tag umzogen sie die Stadt siebenmal. Dann wurde anhaltend das Lärmhorn geblasen, und sie wurden von Josua aufgefordert, ein Geschrei zu erheben. Da fielen die Mauern an der Stelle, wo die Kinder Israel standen, ein, und sie konnten in die Stadt hineingehen und das Gericht über sie ausüben.

Josua hatte sie vorher noch eindringlich ermahnt, Gottes Gebot zu beachten und alles Lebendige in der Stadt, vom Menschen bis zum Vieh, zu töten und nichts von der Beute zu nehmen. Silber und Gold sowie ehernes und eisernes Gerät sollten in den Schatz Jehovas kommen. Andernfalls würden sie das Lager zum Banne machen, wenn sie von dem Verbannten nähmen. Dem Anschein nach richtete sich das Volk nach diesem Gebot Gottes. Nur Rahab, die Hure, und ihre Angehörigen ließen sie auf Gottes Geheiß am Leben, weil sie die Kundschafter versteckt hatte.

Leider hatte Gottes Auge etwas in ihrer Mitte gesehen, das Seinen Zorn gegen sie entbrennen ließ (Kap. 7,1). Zunächst lesen wir, daß sie in Unabhängigkeit von Gott handelten. Sie kundschafteten Ai aus und hörten von den Boten, die sie ausgesandt hatten, daß dort nur wenige Menschen wären; zwei- bis dreitausend Mann würden genügen, die Stadt zu erobern, sie brauchten nicht das ganze Volk dorthin zu senden. Sie werden den Sieg über Jericho sich selbst zugeschrieben und gedacht haben, daß im Vergleich zur Größe jener Stadt, bei deren Eroberung das ganze Heer eingesetzt werden mußte, keine größere Zahl von Kriegern erforderlich sein würde. Neben Unabhängigkeit offenbarten sie damit auch Selbstvertrauen.

Auch wir nehmen leicht Gnadenerweisungen unseres Gottes als Anlaß zum Vertrauen auf unsere eigene Kraft und beachten nicht, daß sie uns ohne unser Zutun, allein durch die Güte des Herrn, geschenkt worden sind. Die unausbleibliche Folge für Israel konnte nur die Niederlage sein, wie es auch bei uns nicht anders sein wird. Wie berührt es uns, wenn wir jetzt Josua und die Führer des Volkes betrachten! Sie werfen sich wohl Staub auf ihre Häupter und fallen zur Erde nieder, drücken damit also Trauer aus, aber was sagen sie zu Jehova? Klingt es nicht wie eine Anklage gegen Gott, wenn Josua fragt: „Warum hast du denn dieses Volk über den Jordan ziehen lassen, um uns in die Hand der Amoriter zu geben, uns zu Grunde zu richten?… Bitte, Herr, was soll ich sagen, nachdem Israel vor seinen Feinden den Rücken gekehrt hat?“ (Kap. 7,7.8). Es hätte doch nahe gelegen, die Schuld an der Niederlage nicht bei Jehova, sondern bei sich selbst zu suchen. Handeln nicht auch wir manchmal so und suchen nicht bei uns die Ursachen, wenn Gott uns Schwierigkeiten sendet? Aber sie hatten es mit einem gnädigen Gott zu tun. Erzeigt ihnen dann das Unrecht, das Er in ihrer Mitte gesehen hat, und sagt ihnen, wie sieden Bann aus ihrer Mitte hinwegtun sollen (Kap. 7,10-15).

Als Achan, der die Sünde begangen hatte, durch das Los ermittelt worden war, hören wir aus seinem Munde dieselbe Geschichte, die im Garten Eden ihren Anfang genommen hatte und sich bis heute wiederholt: ich sah, ich gelüstete, ich nahm. Der Herr möge uns alle, die wir Sein eigen sind, vor solchem Sehen und Gelüsten bewahren, damit wir Ihn nicht durch Sünde betrüben. Als Achan hinausgetan war, konnte Gott ihnen den Sieg über Ai schenken. Aber unter welchen Umständen geschah das! Nicht nur das ganze Heer mußte gegen die „wenigen“ ausziehen, sie mußten auch eine Kriegslist anwenden und eine abermalige Niederlagevortäuschen, um die Bewohner von der Stadt abzuziehen. Dann konnte der Hinterhalt, der gegen die Stadt gelegt worden war, in diese eindringen und sie in Besitz nehmen und verbrennen. Jetzt erst wandte sich das Heer gegen die Bewohner von Ai und schlug sie. So brachte Gott dem Volke seine ganze Kraftlosigkeit zum Bewußtsein. Mögen wir uns von Ihm die Gnade erbitten, in steter Abhängigkeit zu bleiben und wachsam zu sein, damit wir Ihn nicht zwingen, uns durch ernste Wege wiederherzustellen.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1980, Seite 300

Bibelstellen: Jos 6; Jos 7; Jos 8

Stichwörter: Ai, Jericho