Joseph

Kapitel 9: Herrlichkeit und Segnung (1. Mo 45,25-47,31)

Die Brüder Josephs erfüllen ihren Auftrag entsprechend den Anweisungen Josephs. Sie „kamen in das Land Kanaan zu ihrem Vater Jakob. Und sie berichteten ihm und sprachen: Joseph lebt noch, und er ist Herrscher über das ganze Land Ägypten“ (V 25. 26). Sie zeugen von einem lebenden und erhöhten Joseph, so wie es auch heute das Vorrecht der Gläubigen ist, von einem auferstandenen und erhöhten Erretter zu zeugen.

Das ist für den natürlichen Verstand ein so unglaubliches Zeugnis, daß es mit Zweifel aufgenommen wird. So war es auch bei Jakob. Als er die gute Nachricht hörte, wurde zunächst sein Unglaube offenbar. Dieselben Männer hatten vor zwanzig Jahren ihrem Vater Jakob eine verlogene Nachricht überbringen lassen mit einem Beweisstück, das ihre Lüge erhärtete. Ohne sie in Frage zu stellen, hatte Jakob der Lüge geglaubt. „Joseph ist gewißlich zerrissen worden!“ (Kap 37,33). Nun bringen seine Söhne einen wahren Bericht über Joseph mit Beweisen, um die Wahrheit zu bestärken, und auf einmal zweifelt Jakob. „Da erstarrte sein Herz, denn er glaubte ihnen nicht“ (V 26).

Seitdem Adam der Lüge des Teufels sein Ohr bot, kann der gefallene Mensch nichts anderes tun, als der Lüge zu glauben. Nur ein Werk der Gnade befähigt einen Menschen, der Wahrheit zu glauben. Deshalb lesen wir, daß solche, die an den Namen Christi glauben, „nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,13).

Das Bekenntnis des Glaubens

Auch bei Jakob überwindet die Gnade seinen Unglauben. Seine Söhne wiederholen „alle Worte Josephs, die er zu ihnen geredet hatte“ (V 27). Überdies zeigen sie Jakob „die Wagen, die Joseph gesandt hatte, ihn zu holen“ (V 27). Die Gnade und Güte Josephs zerbricht den Unglauben Jakobs. Als er „die Wagen sah, die Joseph gesandt hatte, ihn zu holen“, lebte der Geist Jakobs wieder auf, und Israel sprach: „Genug! Joseph, mein Sohn, lebt noch!“ (V 27. 28). Das ist das Bekenntnis des Glaubens. Er glaubte mit seinem Herzen und bekannte die Wahrheit mit seinem Mund.

Es gibt auch heute keinen anderen Weg des Segens für einen Sünder. Wir mögen tatsächlich zuerst der guten Botschaft mit Unglauben zuhören, aber wenn wir die Worte der Gnade des Christus hören und sehen, daß alles geschehen ist, um uns segnen zu können, werden unsere Herzen gewonnen. Die Güte Gottes leitet uns zur Buße, und wir glauben in unseren Herzen. So wie Jakob erkennen darf, daß Joseph alle Vorkehrungen getroffen hat, um ihn persönlich segnen zu können, so dürfen auch wir erkennen, daß Christus ein großes Werk vollbracht hat, um uns persönlich zu erretten, und Gott durch dieses Werk befriedigt worden ist, denn Er hat Christus aus den Toten auferweckt Wir glauben in unseren Herzen und bekennen Jesum als Herrn mit unserem Mund und sind gerettet (Röm 10,10).

Die Sprache der Liebe

Jakob, der ja oft durch Unglauben und krumme Wege gekennzeichnet war, konnte die gute Nachricht nicht glauben. Wenn er aber in der Sprache des Glaubens redet, gibt Gott ihm seinen neuen Namen Israel. Jakob charakterisiert, was er von Natur aus war, und Israel, was er durch die Gnade war. Aber es wurde nicht nur Glaube in Israel geweckt, sondern auch Liebe, die sehnsüchtig nach Joseph verlangte. „Ich will hinziehen und ihn sehen, ehe ich sterbe“ (V 28). Das ist die Sprache der Liebe, die durch niemand anderen, als nur durch den, den sie liebt, zufriedengestellt wird. Das Herz, das durch die Gnade Christi gewonnen wurde, wird nur ganz nahe bei Ihm befriedigt sein. Der Prüfstein für unsere Liebe ist: Begehren wir die Gemeinschaft mit dem, den wir lieben? Geben wir uns damit zufrieden zu sagen, daß wir Ihn sehen werden, wenn Er kommt oder wenn wir sterben, oder sagen wir: „Ich will hinziehen und ihn sehen, ehe ich sterbe“? Wissen wir, was es heißt, Seine Gemeinschaft zu begehren und die Freude Seiner Gegenwart zu genießen, ehe wir sterben? Um zu Joseph zu kommen, mußte Jakob eine Reise machen (Kap 46,1). Er mußte den Ort seiner natürlichen Zuneigungen verlassen. Auch wir müssen die Dinge, die hinter uns sind, vergessen, wenn wir Christus dort, wo Er ist, ergreifen wollen.

So kommt Israel in das neue Land – das Land Gosen -und begegnet dort seinem Sohn Joseph. Joseph stellte sich seinem Vater vor (V 29). Wenn sich Israel einerseits nach der Gemeinschaft mit seinem Sohn sehnte, so freute sich Joseph andererseits, sich selbst seinem Vater zu zeigen. Auch wir werden, wenn wir in der Gemeinschaft mit Christus leben, erfahren, daß Christus Freude daran findet, sich selbst uns zu offenbaren. Wenn wir, wie die zwei Jünger, wünschen, Christus an Seinem Aufenthaltsort kennenzulernen, werden wir durch die gütigen Worte des Herrn freundlich empfangen: „Kommet und sehet“ (Joh 1,39).

Die Befreiung von Furcht

Dann kann Israel sagen: „Nunmehr mag ich sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, daß du noch lebst!“ (V 30). Der Mann, der immer vom Tod gesprochen und das Grab gefürchtet hat, hat nun keine Furcht mehr vor dem Tod, denn Joseph lebt.

So werden aucn unsere Seelen von der Todesfurcht befreit, wenn wir sehen, daß Christus auferstanden ist, und wenn wir Sein Angesicht betrachten und Seine Liebe erfahren.

Der Vorsatz Gottes

So kam Israel und alles, was er hatte, zu dem erhöhten Joseph. Der Vorsatz Gottes, den Er durch die Träume Josephs bekanntgemacht hatte, wird nun zur Ausführung gebracht. Der weitere Verlauf wird uns zeigen, wie Joseph seine Stellung der allumfassenden Herrschaft benutzt, um die zu segnen, die sich ihm unterwerfen.

Die Werkzeuge der Gnade

Es ist sehr lehrreich, die Hand Gottes in jeder Situation des Lebens Josephs zu erkennen, anfangend von den Tagen seiner Jugend, als er die Herde in Kanaan weidete, bis zu dem Tag seiner Herrlichkeit, als er über das ganze Land Ägypten regierte. Die verschiedenen Personen, die seinen Lebensweg kreuzten – der Vater, der ihn liebte, die Brüder, die ihn haßten, die Kaufleute, die ihn nach Ägypten brachten, der Oberste der Leibwache, der ihn beförderte, die Frau, die ihn verleumdete, der Kerkermeister, der ihm Gunst erwies, der Mundschenk, der ihn vergaß, und der König, der ihn erhöhte – sie alle waren Werkzeuge, die unbewußt den Vorsatz Gottes über Joseph ausführten.

Der Weg der Zubereitung

Auch die wechselnden Szenen in seinem Leben – das Feld bei Dothan, die leere Grube, das Haus Potiphars, das Gefängnis und der Palast – waren Stationen auf seinem Weg zur Herrlichkeit, wie auch seine verschiedenen Tätigkeiten – als Schafhirte, als Sklave, als Aufseher im Haus Potiphars, als Wärter im Gefängnis Pharaos – ihn für den richtigen Umgang mit der Herrlichkeit zubereiteten.

Die Stellung der Herrlichkeit

Dieser Umgang mit der Herrlichkeit – die Art und Weise, wie er seinen Platz höchster Macht benutzt – steht in diesem Abschnitt der Geschichte Josephs eindrucksvoll vor uns. Diese gewaltige Macht zeigt sich in dreifacher Weise.

Als erstes benutzt Joseph seine Stellung der Macht dafür, daß sich ihm alles uneingeschränkt unterwirft. Der ganze Reichtum Ägyptens kommt in seine Hand. „Und Joseph brachte alles Geld zusammen, das sich im Lande Ägypten und im Lande Kanaan vorfand“ (Kap 47,14). Als dann das Geld ausging, forderte Joseph ihr Vieh. Er sagte: „Gebet euer Vieh her“, und wir lesen: „Da brachten sie ihr Vieh zu Joseph“ (V 16. 17). Nachdem das Geld verbraucht und das Vieh abgegeben war, sagten sie, daß nichts mehr vorhanden ist „als nur unser Leib und unser Land“, und sie fugten hinzu: „Kaufe uns und unser Land um Brot.“ So lesen wir: „Und Joseph kaufte das ganze Land Ägypten … Und das Volk, das versetzte er in die verschiedenen Städte von einem Ende der Grenze Ägyptens bis zu ihrem anderen Ende“ (V 19-21).

Die Unterwerfung der ganzen Erde

Alles kommt unter die vollkommene Kontrolle Josephs – das Geld, das Vieh, das Land und schließlich das Volk selbst. Die Worte Pharaos gingen buchstäblich in Erfüllung: „Ohne dich soll kein Mensch seine Hand oder seinen Fuß aufheben im ganzen Lande Ägypten“ (Kap 41,44). Joseph benutzte seine Macht, um sich alles zu unterwerfen. Noch nie hat ein irdischer Herrscher solche Ansprüche gestellt. Abgesehen von der vorbildlichen Belehrung ist diese historische Tatsache ohne Parallele in der Weltgeschichte. Viele Machthaber haben überaus große Forderungen gestellt, aber keiner hat je, so wie Joseph, alles zu fordern gewagt. Zudem waren jene, die große Forderungen an ihre Untertanen gestellt hatten, nicht in der Lage, ihre Ansprüche zu verwirklichen, oder haben durch ihre Bemühungen, diese in die Tat umzusetzen, Empörung und Revolution hervorgerufen. Joseph stellt jedoch nicht nur beispiellose Forderungen, sondern führt sie auch aus, ohne daß sich jemand gegen ihn empört.

Die Souveränität des Herrschers

Eine zweite große Tatsache ist bemerkenswert. Joseph beansprucht alles, aber er tut es für den Pharao. Als Joseph alles Geld zusammengebracht hat, lesen wir, daß er es „in das Haus des Pharao“ brachte (V 14). Und als das Land unter den Einfluß Josephs kommt, lesen wir wieder: „Und so ward das Land dem Pharao“ (V 20). Auch von den Menschen kann Joseph sagen: „Siehe, ich habe euch und euer Land heute für den Pharao gekauft“ (V 23). So benutzt Joseph seine gewaltige Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil, sondern zur Verherrlichung des Pharao.

Die Befriedigung der Menschen

Als drittes ist noch eine eindrucksvolle Tatsache erwähnenswert. Wenn einerseits die Macht Josephs benutzt wird, um alles dem Pharao zu unterwerfen, so wirkt sich andererseits seine allumfassende Herrschaft zum Segen der Menschen aus. Wenn die Herrlichkeit Pharaos feststeht, dann ist der Segen für die Menschen gesichert, aber nur, wenn sie sich uneingeschränkt Joseph unterwerfen.

Der Vorrang Christi

In diesem allen ist Joseph ein eindrucksvolles Vorbild von Christus in Seiner Erhöhung. Wenn wir von der gegenwärtigen Macht des Bösen errettet werden sollen, ist nichts wichtiger, als zu erkennen, daß Christus den Platz höchster Gewalt einnimmt und Ihm alles unterworfen ist. Es gibt große Mächte im Himmel: Engel, Fürstentümer und Gewalten. Es gibt große Mächte auf der Erde: Könige und alle, die in Hoheit sind. Es gibt große Mächte in der Unterwelt: den Teufel und seine Engel. Der Herr Jesus aber hat einen Platz absoluter Herrschaft über jede Gewalt erhalten. Gott setzte Ihn „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen“ (Eph 1,21).

Aber der Vater verherrlichte Seinen Sohn, damit der Sohn den Vater verherrliche, wie es der Herr in Seinem erhabenen Gebet sagte: „Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, auf daß dein Sohn dich verherrliche“ (Joh 17,1). Außerdem wird, wenn der Vater verherrlicht ist, Sein Volk gesegnet, denn wir lesen weiter: „Gleichwie du ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch, auf daß er allen, die du ihm gegeben, ewiges Leben gebe“ (V 2). Die Herrlichkeit, die der Vater dem Sohn gegeben hat, gereicht zur Verherrlichung des Vaters und zum Segen Seines Volkes.

Der Tag der Macht

So wird es in zukünftigen Tagen sein, wenn Christus als König der Könige und Herr der Herren Seine überwältigende Macht während Seiner tausendjährigen Herrschaft zur Verherrlichung Gottes und zum Segen der Menschen ausüben wird. Er muß „herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod… Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott alles und in allem sei“ (1. Kor 15,25. 26. 28). Das wird der Anlaß sein, den neuen Himmel und die neue Erde einzuführen, wo Gott wohnen wird und die Menschen gesegnet sein werden. Ob wir nun an die gegenwärtige Zeit der Gnade, an das tausendjährige Reich, das die Erde erwartet, oder an den neuen Himmel und die neue Erde, die bis in die Ewigkeit bestehen werden, denken, so ist alles abhängig von der überragenden Herrlichkeit und Macht des Einen, der einst von den Menschen verworfen wurde.

Der Mittelpunkt des Lobes

Der Eine, der die völlige Verherrlichung Gottes und allen Segen der Menschen bewirkt hat, wird der Mittelpunkt des Lobes im Himmel sein. Auch in den Tagen Josephs kamen die Menschen, die durch Joseph gesegnet wurden, zu ihm und sagten: „Du hast uns am Leben erhalten“ (47,25). Sie erkennen an, daß sie alles Joseph zu verdanken haben. So wird auch die große Menge der Erlösten voller Freude ausrufen: „Du bist würdig … denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation“ (Off 5,9).

Der Segen der Heiligen

Die Menschen wurden jedoch durch Joseph nicht nur gerettet, sondern hatten auch Gedeihen unter seiner Hand. Das wird uns durch die Geschichte Israels und seiner Söhne gezeigt. Der Herr Jesus tut weit mehr für Sein Volk, als sie nur vor der Hungersnot der Welt zu erretten. Er bringt uns in ein gutes Land, ein himmlisches Land, und segnet uns mit geistlichen Segnungen. Und in dem Maß, wie wir in diese geistlichen Segnungen eintreten, werden wir wachsen in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus.

(Schluß folgt) H.S.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1988, Seite 55

Bibelstellen: 1Mo 45, 25-28; 1Mo 46; 1Mo 47, 1-31

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