Ich sah den Himmel geöffnet

Die Erscheinung des Herrn Jesus

„Und ich sah den Himmel geöffnet, und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß, [genannt] Treu und Wahrhaftig, und er richtet und führt Krieg in Gerechtigkeit“ (Off 19,11).

Wir haben hier das alles beherrschende Ereignis vor uns, das so häufig im Alten und Neuen Testament erwähnt wird und auf das die Welt zusteuert: die persönliche und direkte Intervention des Herrn Jesus auf dieser Erde.

Gott wird den Erstgeborenen wiederum in den Erdkreis einführen. Diese Ausdrucksweise des Heiligen Geistes in Hebräer 1, Vers 6, schließt eine Entfaltung göttlicher Macht in sich, die notwendig sein wird, um dieses Ziel zu erreichen. Denn tatsächlich würden Ihm die Menschen denselben Empfang bereiten, wie sie es taten, als Er zum ersten Mal in diese Welt eintrat – käme Er noch einmal in Demut und Niedrigkeit. Wenn den Menschen irgend etwas unbequem und zuwider ist, dann ist es der Gedanke an ein mögliches Wiederkommen Christi zu ihnen. Aber Er wird zu ihnen kommen, und es wird in Macht und Herrlichkeit geschehen. Das wird dann Sein Tag sein, der Tag des Herrn, von dem wir so oft im Alten und Neuen Testament hören (z.B. Joel 1,15; 2,31; 2. Thes 2,2 ff.)

Lange hat Er auf diesen Augenblick gewartet, hat gewartet, bis Gott, der Vater, Ihm Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße legt (Heb 10,12.13; PS 110,1). Jetzt ist dieser Augenblick gekommen. Er hatte selbst davon gesprochen: „Alsbald aber nach der Drangsal jener Tage wird die Sonne verfinstert werden und der Mond seinen Schein nicht geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden. Und dann wird das Zeichen des Sohnes des Menschen in dem Himmel erscheinen; und dann werden wehklagen alle Stämme des Landes, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit“ (Mt 24,29.30).
Das weiße Pferd

Der Seher sieht ein weißes Pferd. Es ist das Symbol siegreicher Macht, der nichts zu widerstehen vermag. Wie viele Symbole der Offenbarung ist auch dieses dem Alten Testament entliehen. So finden wir zum Beispiel in Sacharja 1, Vers 8, neben roten und hellroten Rossen auch weiße Rosse, die dort allesamt von dem Handeln Gottes in Seiner Vorsehung reden. Auch in Kapitel 6 unseres Buches begegnete uns bereits ein weißes Pferd. Von dem, der darauf saß, wird gesagt, daß er auszog, siegend und auf daß er siegte (Vers 2). Das ist also die Bedeutung des weißen Pferdes: siegreiche Macht zur Unterwerfung jeder entgegenstehenden Macht.

Doch die Person auf dem weißen Pferd ist in Kapitel 6 eine andere als in Kapitel 19. Daß beide auf einem weißen Pferd gesehen werden, ist absolut kein Hinweis darauf, daß es sich jeweils um dieselbe Person handelt. In Kapitel 6 geht es offensichtlich um einen großen Eroberer, der nicht näher bezeichnet wird. Hier jedoch ist eindeutig von Christus die Rede, wie uns die weitere Schilderung der Persönlichkeit auf dem weißen Pferd klarmacht.

Einst war der Herr Jesus in Schwachheit gekommen, hatte als Kindlein in einer Krippe gelegen. Jetzt kommt Er in siegreicher Macht, um Sich alle Seine Feinde zu unterwerfen. Einst war Ihm ins Angesicht gespien worden, war Seine Gestalt entstellt gewesen, mehr als der Menschenkinder (Jes 52,14). Jetzt aber entfaltet Er Seine Macht und Herrlichkeit und macht Seine Rechte geltend. Und wir werden weiter sehen, daß Er nun gleichsam all Seine Herrlichkeiten anlegt, die Er Sich erworben hat, und alle Ehren, die dem ernsten Anlaß angemessen sind.

Treu und Wahrhaftig

Von den vier Namen, die dem Herrn Jesus in den Versen 11 bis 16 beigelegt werden und die von dem reden, was Er in Seiner Person offenbart, ist dies der erste – Treu und Wahrhaftig. Nur Er war in Seiner Person und in Seinen Wegen die vollkommene Verkörperung dieser Charakterzüge. Schon in Kapitel l war von Ihm als dem treuen Zeugen gesprochen worden (Vers 5). Der Versammlung von Philadelphia hatte Er Sich als der Heilige, der Wahrhaftige vorgestellt (Kap. 3,7) und der Versammlung in Laodicäa als der treue und wahrhaftige Zeuge (Kap. 3,14).

Treu war der Herr Jesus immer gewesen, auf Seinem ganzen Pfad auf Erden. Treue zu Gott und zu den Menschen hatte Ihn stets gekennzeichnet – und das auf dem Schauplatz, wo sich die Untreue des Menschen so völlig erwiesen hatte. Was auch die Kosten für Ihn gewesen waren, Er hatte Gott in Treue gedient, hatte Ihn bis zum Tod am Kreuz verherrlicht und kundgemacht. Selbst vor Pontius Pilatus hatte Er, damals noch als Gefangener, das gute Bekenntnis bezeugt (1. Tim 6,13; Joh 18,37). Aber jetzt ist Er selbst der Richter. Welch ein gewaltiger Wandel! Trotzdem bleibt Er der Treue, wenngleich sich Seine Treue nicht mehr in mannigfachen Gnadenerweisungen, sondern in gerechtem Gericht kundgibt. „Und Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein, und die Treue der Gurt seiner Hüften“ (Jes 11,5).

Aber Sein Name ist auch Wahrhaftig. Als Mensch auf Erden war Er stets die Wahrheit gewesen (Joh 14,6), der vollkommene Ausdruck all dessen, was Gott ist. Ja, Er zeigte in bezug auf alles und jeden, was die Gedanken Gottes darüber sind. Und wenn die Juden Ihn fragten, wer Er sei, so konnte Er – und auch nur Er – sagen: „Durchaus das, was ich auch zu euch rede“ (Joh 8,25). Ob es sich um Sein Verhältnis zu Gott oder zu den Menschen handelte, was immer Er sagte oder tat – Er war der Wahrhaftige, war und ist die Wahrheit. Er ist das wahrhaftige Licht (Joh 1,9), das wahrhaftige Brot (Joh 6,32), der wahrhaftige*) Weinstock (Joh 15,1), der wahrhaftige Gott (1. Joh 5,20) und der wahrhaftige Zeuge (Off 3,14). Und auch in der Ausführung der Gerichte wird Er vollkommen wahrhaftig sein und das Wesen Gottes, Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit gegenüber dem Bösen, ungeschmälert zum Ausdruck bringen.

*) Im Grundtext steht hier dasselbe griechische Eigenschaftswort wie in den anderen Stellen.

Er richtet und führt Krieg

Treu und wahrhaftig, richtet Er und führt Krieg in Gerechtigkeit. Er liebt Gerechtigkeit und haßt Gesetzlosigkeit (Heb 1,9), und Gerechtigkeit wird alle Seine Wege kennzeichnen, ob es sich nun um die Errichtung Seines Reiches oder um die Ausübung Seiner Herrschaft handelt, ob das Gericht über Seine Feinde oder der Kampf wider entgegenstehende militärische Mächte in Frage kommt.

Paulus hatte am Schluß seiner Rede auf dem Areopag schon davon gesprochen, daß Gott „einen Tag gesetzt hat, an welchem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat allen den Beweis davon gegeben, indem er ihn auferweckt hat aus den Toten“ (Apg 17,31). Nun, dieser von Gott bestimmte Mann ist hier vor uns, und der von Gott für das Gericht festgesetzte Tag in Offenbarung 19 gekommen. Das vom Herrn ausgeführte Gericht wird sich dabei sowohl auf Lebendige als auch auf Tote erstrecken: Er ist der von Gott verordnete Richter der Lebendigen und der Toten, der universale Richter (Apg 10,42; 2. Tim 4,1; 1. Pet 4,5). Das Schicksal aller Menschen liegt in Seiner Hand. Welch eine erstaunliche Feststellung! Sie ist geeignet, jeden Widersacher mit Schrecken zu erfüllen.

Wenn die Juden an das Gericht dachten, war ihnen ausschließlich das Gericht der Lebendigen gegenwärtig. Die Mehrzahl der Christen dagegen geht gerade über diese Seite des Gerichts hinweg. Sie beschäftigen sich – wenn überhaupt – mehr mit dem Gericht der Toten. Der Herr Jesus wird beide Personen-Gruppen richten, und zwar zu ganz verschiedenen Zeiten. In unserem Kapitel finden wir das Gericht der Lebendigen. Es findet kurz vor dem Tausendjährigen Reich statt Das Gericht der Toten wird im letzten Abschnitt von Kapitel 20 geschildert. Dieser überaus ernste Augenblick wird erst dann kommen, „wenn die tausend Jahre vollendet sind“ und nachdem Satan noch einmal aus seinem Gefängnis losgelassen wurde (Kap. 20,7 ff.).

Das Gericht der Lebendigen wird einen doppelten Charakter tragen. Einerseits wird es ein Kriegsgericht sein, wie wir es ab Vers 19 unseres Kapitels finden. Es ist der Tag der Rache, von dem in der Schrift so oft gesprochen wird. Das Schwert wird aus dem Munde Dessen hervorgehen, der auf dem Pferd sitzt, und alle Widersacher töten.

Andererseits wird es auch noch einen anderen Aspekt des Gerichts geben, den wir wohl am besten mit dem Ausdruck Sitzungsgericht umschreiben können. Denn der Herr Jesus wird auf Seinem Throne der Herrlichkeit sitzen, und vor Ihm werden versammelt werden alle Nationen (Mt 25,31.32). Auf dieses Sitzungsgericht spielt Offenbarung 20, Vers 4, an: „Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es wurde ihnen gegeben, Gericht zu halten.“ Ohne jetzt näher darauf einzugehen, seien nur noch zwei Punkte bemerkt:

1. Dieses Gericht wird nicht allein zu Beginn des Reiches stattfinden, sondern auch während der ganzen Zeit der Regierung Christi auf Erden seinen Verlauf nehmen: „Jeden Morgen will ich vertilgen alle Gesetzlosen des Landes, um aus der Stadt Jehovas auszurotten alle, die Frevel tun“ (Ps 101,8).

2. Der Thron Christi wird in dem irdischen Jerusalem jener Tage stehen: „Zu jener Zeit wird man Jerusalem den Thron Jehovas nennen, und alle Nationen werden sich zu ihr versammeln wegen des Namens Jehovas in Jerusalem“ (Jer 3,17). Daß Er auch im Himmel einen Thron haben und daß es auch ein himmlisches Jerusalem geben wird, wird uns noch beschäftigen, wenn wir zum 21. Kapitel der Offenbarung kommen.

(Wird fortgesetzt) chB

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1989, Seite 346

Bibelstellen: Offb 19, 11

Stichwörter: Pferd, Treu, Wahrhaftig