Sieben Marktplätze

Das Neue Testament erwähnt sieben Marktplätze. Wir wollen heute jedem von ihnen einen kurzen Besuch abstatten und mit der Hilfe des Geistes Gottes geistlichen Nutzen aus dem ziehen, was uns in Verbindung mit diesen Marktplätzen mitgeteilt wird. Wir werden finden, daß bei jedem „Besuch“ neues Licht über den Charakter des „Marktplatzes“ gegeben wird, wie nur Er es zu geben vermag. Die sieben Schriftstellen sind: Matthäus 11, Vers 16; Matthäus 20, Vers 3; Matthäus 23, Vers 7; Markus 6, Vers 56; Markus 7, Vers 4; Apostelgeschichte 16, Vers 19 und Apostelgeschichte 17, Vers 17. Außer diesen neutestamentlichen Erwähnungen eines Marktes oder Marktplatzes wird auch im Alten Testament einige Male davon gesprochen, zum Beispiel in Jesaja 59: „Die Wahrheit ist gestrauchelt auf dem Markte, und die Geradheit findet keinen Einlaß“ (Vers 14).

Wer könnte ernsthaft abstreiten, daß der Marktplatz das Zentrum der Stadt und damit ein Bild der Welt ist, wo sich ihre wirklichen Beweggründe und Aktivitäten – die Lust der Augen, die Lust des Fleisches und der Hochmut des Lebens – ungehindert entfalten? Wir wollen nun sehen, was wir aus den sieben genannten Versen lernen können.

Erster Besuch: Matthäus 11,16

Der Herr Jesus selbst sagt: „Wem aber soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es ist Kindern gleich, die auf den Märkten sitzen und ihren Gespielen zurufen und sagen: Wir haben euch gepfiffen, und ihr habt nicht getanzt; wir haben euch Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht gewehklagt… und die Weisheit ist gerechtfertigt worden von ihren Kindern.“

In den vorhergehenden Versen weist der Herr Jesus die Menschen dieser Welt auf das Verhalten gegenüber Seinem Vorläufer, Johannes dem Täufer, hin – jenem kraftvollen Mann Gottes, dessen Stimme von der Wüste her erschollen war, um sie zur Buße zu rufen. Diese unüberhörbare Stimme war zum Schweigen gebracht worden. Johannes war im Gefängnis; aber jetzt wurde des Herrn sanfte, doch nicht minder klare Stimme gehört.

Keine dieser beiden göttlichen Stimmen war von den Menschen jener Generation ernstgenommen worden. Sie vertrieben sich die Zeit wie kleine Kinder auf dem Marktplatz: Sie amüsierten sich und spielten – das eine Mal ein Lust-, das andere Mal ein Trauerspiel. Ihre Freude am Vergnügen machte sie unfähig, zwischen Wirklichkeit und Schein zu unterscheiden. Der Ruf von der Wüste wurde ebenso von dem Lärm und den Sehenswürdigkeiten des Marktes erstickt wie die Wunder, die der Herr vor ihren Augen vollbrachte.

Den törichten Kindern dieser Welt ist das Leben oft nichts anderes als ein vergängliches Spiel. Ja, viele sehen darin nichts anderes als ein Glücksspiel, das einmal so und einmal so ausgehen kann. Ihre Philosophie ist, so viele Vergnügungen wie nur irgend möglich in diesem Leben zu erhäschen. Gott jedoch haben sie nicht in ihren Gedanken. Und wenn sie sogenannter „geistlicher Musik“ zuhören oder andere kirchliche Kunstwerke bewundern, führt sie das keineswegs zu einer nüchternen Überzeugung von Gerechtigkeit und Ewigkeit. Alles das beweist nur, welch eine große Kluft sie von den wahren Kindern Gottes trennt, die von dem Geist Gottes erleuchtet worden sind, den Kindern der Weisheit, die ihren Heiland aus dem Himmel erwarten.

Zweiter Besuch: Matthäus 20,3

Hier haben wir das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg vor uns: „Und als er um die dritte Stunde ausging, sah er andere auf dem Markte müßig stehen; und zu diesen sprach er: Gehet auch ihr hin in den Weinberg…“ Das göttliche, erforschende Licht fällt auf einen weiteren Charakterzug des Marktplatzes – Müßiggang. Sie stehen dort müßig herum und haben weiter nichts zu tun. Ist das nicht das Bild vieler Menschen? Verantwortlichkeit verachten sie. Sie rühmen sich ihrer persönlichen Freiheit und Unabhängigkeit, ihrer Individualität. Sie sind voll mit ihren Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen beschäftigt, sind von dem menschlichen Erfindungsreichtum und technischen kulturellen Errungenschaften fasziniert.

Aber ein Unbekannter kommt auf den Marktplatz: „Was stehet ihr hier den ganzen Tag müßig? … Gehet auch ihr hin in den Weinberg, und was irgend recht ist, werdet ihr empfangen“ (Verse 6-7). Wie seltsam sind diese Worte, und doch, wie unwiderstehlich! Er fordert sie auf, sich von diesem interessanten und bequemen Platz wegzuwenden, wo man allerlei sehen und hören, wo man sich dem Müßiggang hingeben kann, um an einen unbekannten Ort der Arbeit und Mühe zu gehen.

Dabei bietet er ihnen keinen anderen Ansporn als nur seine Gerechtigkeit und Güte! In der Tat, die Anziehungskraft der Berufung des Herrn liegt in dem, was Er in Sich selbst ist und was Er in Seiner Güte geben will. Aber wie unendlich viel kostbarer ist diese Berufung als die Eitelkeit des Marktplatzes! Sie bedeutet das Ende ihres Müßiggangs und ihrer falschen Freiheit und ist der Anfang eines Lebens des Dienstes und der Gemeinschaft mit anderen, die dem gleichen Ruf gefolgt sind. Jeder, der diese Einladung gehört und ihr gefolgt ist, weiß, wovon ich rede. Wie gut auch zu wissen, daß dieses kostbare Teil, dem Herrn zu dienen, nicht den „vollzeitlichen“ Dienern des Herrn vorbehalten ist!

Dritter Besuch: Matthäus 23,7

Ohne Zweifel hat der Herr Jesus diese Sache oft selbst beobachtet: „Sie lieben aber den ersten Platz bei den Gastmählern und die ersten Sitze in den Synagogen und die Begrüßungen auf den Märkten und von den Menschen Rabbi, Rabbi! genannt zu werden.“ Sein erforschendes Licht enthüllt hier ein anderes Übel: den Hochmut des Lebens, die menschliche Überheblichkeit, die Liebe für Titel und Ehrenerweisungen – und das alles sehr oft unter dem Vorwand, religiöser zu sein, besser informiert und erzogen zu sein als andere. Das führt zu der Gefahr, menschliche Führerschaft in göttlichen Dingen des Gewissens und Glaubens zu beanspruchen und über die Autorität des Wortes Gottes zu stellen. Jahrhunderte alte Bräuche und Gewohnheiten haben die Traditionen geformt und sie den Menschen derart aufgeprägt, daß sie schließlich als heilig und von Gott kommend betrachtet werden. Niemand konnte dieses Übel so deutlich bloßstellen und die Jünger davor warnen als nur der Herr, das wahrhaftige Licht von oben.

Laßt auch uns diese Warnung des Herrn beachten! Laßt uns ablehnen, durch diesen falschen Anspruch einiger auf geistliche Autorität irregeleitet und von der Autorität des Herrn und Seines Wortes weggeführt zu werden! Welch eine große Hilfe zur Bewahrung vor dieser Gefahr ist die Einfalt eines Herzens, das Christus als seinen Herrn und Meister vor sich hat und es ablehnt, Geboten von Menschen zu gehorchen. Diese Liebe der Pharisäer für die Begrüßungen auf den Märkten ist nichts anderes als Hochmut und hat nichts mit Höflichkeit zu tun. „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmet und die Ehre, welche von Gott allein ist, nicht suchet?“ sagt der Herr an anderer Stelle (Joh 5,44).

Vierter Besuch: Markus 7,4

„.. . und vom Markte kommend, essen sie nicht, es sei denn, daß sie sich waschen; und vieles andere ist, was sie zu halten überkommen haben.“

Erneut spricht der Herr von dem Übel der religiösen Anmaßung und lebloser Formen, das sich unter denselben Leuten fand, die auch die Begrüßungen auf den Märkten liebten. Durch ihr Alter ehrwürdig gewordene Traditionen von Menschen haben eine äußerst hohle und bedeutungslose Art von Frömmigkeit hervorgebracht. Diese Scheinfrömmigkeit ist in der Regel mit einer falschen Sicherheit und einem unbegründeten Anspruch auf Überlegenheit über andere verbunden.

Es ist in dieser Verbindung interessant, die wachsende Feindschaft der religiösen Führer gegen den Herrn im Evangelium nach Lukas zu verfolgen. Den Anfang machen Überlegungen (Kap. 5,21), dann kommt Murren (Kap. 5,30), als nächstes offene Herausforderung (Kap. 6,2), gefolgt von Verwerfung (Kap. 7,30). Danach werden sie noch kühner und verhöhnen Ihn (Kap. 16,14), und schließlich beratschlagen sie miteinander, wie sie Ihn umbringen könnten. Sind das nicht Streiflichter vom Zustand derer, denen Traditionen von Menschen wichtiger sind als die Liebe zur Wahrheit?

Fünfter Besuch: Markus 6,56

„Und wo irgend er eintrat in Dörfer oder Städte oder aufs Land, legten sie die Kranken auf den Marktplätzen hin und baten ihn, daß sie nur die Quaste seines Kleides anrühren dürften; und so viele irgend ihn anrührten, wurden geheilt.“

Diese Szene wird besonders von denen unter uns verstanden werden, die in Krankenhäusern arbeiten, wo das menschliche Elend so recht sichtbar wird. Angesichts dieses überwältigenden und erschütternden Leidens fühlen wir unsere ganze Ohnmacht, Abhilfe zu schaffen.

Nicht so der Herr. Obgleich Er es tiefer empfand als irgend jemand sonst, Er vermochte zu helfen, und Er tat es.

Wir können sicher sein, daß manche von diesen Leiden die direkte Folge von persönlicher Sünde waren, obwohl das bei weitem nicht immer der Fall ist.

Nun gab es damals einen Teich zu Bethesda in Jerusalem, aber er war weit entfernt, und selbst wenn man dorthin kommen konnte, stieg oft ein anderer vorher hinab. Aber in der Szene hier sehen wir, daß der Herr Jesus in Seinem göttlichen Erbarmen gerade auf den Marktplatz kommt, um zu helfen und zu heilen: Selbst das bloße Berühren Seines Kleides bringt ihnen die ersehnte Heilung.

Woanders mochte es nur oberflächliche Heilung geben, gemäß dem Wort: „Friede, Friede! und da ist doch kein Friede“ (Jer 6,14). Der Herr aber trug den Balsam von Gilead bei sich und heilte sowohl den Leib als auch die Seele. Dazu erduldete Er den Tod am Kreuz.

Sechster Besuch: Apostelgeschichte 16,19

Wir lesen: „Als aber ihre Herren sahen, daß die Hoffnung auf ihren Gewinn dahin war, griffen sie Paulus und Silas und schleppten sie auf den Markt zu den Vorstehern. Und sie führten sie zu den Hauptleuten und sprachen: Diese Menschen, welche Juden sind, verwirren ganz und gar unsere Stadt und verkündigen Gebräuche, die uns nicht erlaubt sind anzunehmen noch auszuüben, da wir Römer sind.“

Der Knecht des Herrn, Paulus, hatte eine arme Frau von einem Dämon befreit. Sie war durch herzlose, grausame Herren als Mittel zum materiellen Profit benutzt worden. Nun war der Gewinn dieser Leute dahin. Das erboste sie, und die Richter der Stadt entschieden den Fall zugunsten dieser habgierigen Sklavenhalter.

Das ist zweifellos ein dunkles Gemälde von der Herrschaft und Macht des mit Aberglauben verbundenen Verbrechens, das sich überall in der Welt ausbreitet In der Hauptsache wird es in den heidnischen Ländern gefunden, doch wie stark macht es sich auch in den sogenannten christlichen Ländern breit! Diese bösen Geister, die in die Welt ausgegangen sind, können nur von denen erkannt werden, die dem Herrn in Wahrheit dienen und die sich nicht durch schön klingende Worte der Anerkennung seitens der bösen Geister täuschen lassen.

Die Folge der Heilung, das heißt der Austreibung des Dämons, ist Aufruhr und ein offener Ausbruch menschlicher Leidenschaft. Wem kann die Ähnlichkeit mit den gegenwärtigen Zuständen entgehen? Erhebt sich nicht schon der Geist der Anarchie gegen die Diener des Herrn? Aber laßt uns wie Paulus und Silas unsere Herzen zu Ihm erheben und Ihm lobsingen, während wir zugleich auf Ihn warten, daß Er auch anderen die Herzen öffnen möge, damit sie Ihn aufnehmen!

Der Geist, der in uns ist, ist größer und stärker als der, der in der Welt ist und ihre „Marktplätze“ und Gerichtshöfe beherrscht.

Siebter Besuch: Apostelgeschichte 17,17

Unser letzter Besuch eines Marktplatzes im Neuen Testament bringt uns nach Athen, dem berühmten Sitz griechischer Philosophie und menschlicher Weisheit schlechthin. Paulus‘ Geist wurde sehr erregt, als er die Stadt voll von Götzenbildern sah. Er unterredete sich daher „in der Synagoge mit den Juden und mit den Anbetern, und auf dem Markte an jedem Tag mit denen, welche gerade herzukamen“.

All der Fortschritt und die Erleuchtung durch Plato und Aristoteles und andere hatten die Griechen in Unwissenheit über den wahren Gott gelassen. Die Beschäftigung der Philosophen und Politiker auf dem Marktplatz bestand darin, die aktuellen Ereignisse und die neuesten Ideen ihrer großen Denker zu diskutieren, wie auch der Geist der Menschen unserer Tage fast ausschließlich durch das gebildet wird, was sie an Neuem aus Magazinen, Radio und Fernsehen erfahren.

Aber auch diese weisen Leute vernehmen eine unerwartete und seltsame Botschaft – die Botschaft von dem einen wahren Gott. Er hatte mit ihrer Unwissenheit viel Geduld gehabt. Jetzt aber hatte Er sich in Seinem Sohn offenbart, den Er aus den Toten auferweckte. Dadurch hatte Er zugleich den Beweis dafür geliefert, daß Er an einem festgesetzten Tag den Erdkreis durch Ihn richten wird in Gerechtigkeit. Deswegen sollten sie jetzt Buße tun. Die Zeit der Unwissenheit, die auch diese intelligenten Menschen umhüllt hatte, war nun vorbei. Sie waren verantwortlich, dem Licht des Evangeliums zu folgen und nicht dem Irrlicht der Philosophie. Ihre Wissenschaft und ihr Verstand sagten ihnen: „Es gibt keine Auferstehung.“ Aber Gott hatte Seinen Sohn, den Sohn des Menschen, auferweckt vor den Augen vieler Zeugen.

Wie unendlich viel weiser ist das Evangelium Gottes als alle Weisheit der Fürsten dieser Welt! G.&T.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1990, Seite 11

Bibelstellen: Mt 11, 16; Mt 20, 3; Mt 23, 7; Mk 7, 4; Mk 6, 56; Apg 16, 19; Apg 17, 17

Stichwörter: Frömmigkeit, Hochmut, Marktplatz, Müßiggang