Gottes Liebe zu uns

Zwischen Theorie und Praxis besteht oft ein großer Unterschied. Von der vollen Gewißheit des Glaubens zu reden und einen unerschütterlichen Frieden in Gottes heiliger Gegenwart zu genießen sind zwei ganz verschiedene Dinge. Ist das letzte der Fall, dann gibt sich das Herz keinen Grübeleien hin über das Maß seines Glaubens oder über dessen Beständigkeit, sondern es freut sich einfältig an dem, was Gott in Christus Jesus ist; es ruht in Ihm. Es erfreut sich daran, was Gott ist, wie Er sich in dem Herrn Jesus offenbart hat.

Was wir besitzen, ist nicht eine bloße Lehre, sondern eine lebendige Person: die Person unseres auferstandenen Herrn. Das Herz kann nie seine Ruhe finden in einer Lehre, so schön und richtig sie sein mag: es muß die volle Gewißheit und den Genuß einer Liebe haben, die sich nie verändern kann. Und wo ist eine solche Liebe zu finden? In Ihm allein, in dem Gott sich offenbart hat. Darum ist Christus auch der einzige Ruheplatz für das arme menschliche Herz. Und wenn das Herz in Seiner Liebe ruht und sich an ihr erquickt, so ist jede Furcht verschwunden. Man denkt nicht daran, daß es auch mal wieder anders sein könnte, man fragt nicht ängstlich: Werde ich wohl auch bis ans Ende ausharren? Nein, der einzige große Gedanke, der das Herz ausfüllt, ist: Er ist mein, und ich bin Sein. Das liebende Verlangen Seines Herzens hat mich zu Ihm gebracht und für Seine Gegenwart passend gemacht. Jetzt ist Er befriedigt, und ich bin in vollkommener Ruhe. Wahres Christentum ist die Erkenntnis und der Besitz des Herrn Jesus.

Dies ist die große, zentrale Wahrheit der Gnade: Gott ist für uns. Er ist für uns, indem Er gibt, indem Er rechtfertigt und indem Er sicherstellt, daß uns in allen Schwierigkeiten und Nöten des Weges nichts von Seiner Liebe scheidet Zuerst, Er gibt: „Er, der doch Seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat“. Unendliche Gabe! Dann ist nichts mehr zu groß, als daß Er es uns nicht mit Ihm schenkte.

Ein Gott, der Seinen Sohn gegeben, ein solcher Gott versagt nichts mehr.

Alles, was Er uns gibt, ist doch nur die Frucht des Todes Seines geliebten Sohnes, den Er für uns hingegeben hat. –

Aber dann tut Er noch etwas: „Gott ist es, welcher rechtfertigt.“ Es heißt hier nicht, daß wir vor Ihm gerechtfertigt werden, sondern Er selbst rechtfertigt uns. Wie völlig ohne Belang ist es dann, wer uns zu verdammen suchte. Gott ist ja immer für uns.

Doch da sind Schwachheiten, Schwierigkeiten, Versuchungen, Gefahren auf dem Wege, sogar der Tod. Was dies alles angeht, sind wir mehr als Überwinder. Christus ging denselben Weg, und Er ist in Seiner Macht und Seiner Liebe bei uns. Nichts kann uns von der Liebe Christi scheiden. Gott ist für uns. Er hat Seine Liebe in Christus Jesus völlig kundgemacht. Gewiß, es gibt gewaltige Mächte droben – Engel usw. Können diese uns von der Liebe Gottes trennen? Nein, sie sind auch nur Geschöpfe. Ob es sich um das Geschöpf in Macht oder in Schwachheit handelt -nichts kann uns von der Liebe Gottes scheiden. Sie ist viel sicherer, viel stärker als jedes Geschöpf. Können und sollten wir dieser Liebe nicht völlig vertrauen?

Wer könnte die Liebe dessen beschreiben, der uns von dem Vater als der eingeborene Sohn, der in Seinem Schoß ist, in unvergleichbarer Herrlichkeit vorgestellt wird?

Seine Liebe zum Vater und zu den Seinen gehört zu den großen Gegenständen des Evangeliums. Für die Liebe der Seinen untereinander gibt es nur einen Maßstab: „gleichwie ich euch geliebt habe“ (Joh 13,34). Er macht keinen Unterschied. Er hatte die Seinen geliebt, und Er liebte sie, jeden einzelnen, bis ans Ende. Davon ist Johannes ein leuchtendes Beispiel, denn fünfmal nennt er sich in dem Evangelium den „Jünger, den Jesus liebte“. Johannes genoß die Liebe seines Herrn. Das können auch wir. Fragen auch wir, wie Er uns liebt, so sagt Er uns: „Gleichwie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt“ (Kap. 15,9). Er hat diese einzigartige, göttlich große Liebe bewiesen, indem Er sich für jeden der Seinen persönlich hingab (Gal 2,20), wie auch für uns insgesamt (Eph 5,2) und für die Versammlung (Eph 5,25). Auch für die Zukunft gehört uns die Liebe des Sohnes, wie auch die des Vaters.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1993, Seite 197

Bibelstellen: Joh 13, 34; Joh 15, 9