Ich sah den Himmel geöffnet

Der ewige Zustand (6)

Zwei kostbare Verheißungen

Der Abschnitt endet mit zwei Verheißungen Gottes und mit einer ernsten Warnung. Zuerst hören wir die beiden Verheißungen, die zu den kostbarsten Zusagen Gottes in der Heiligen Schrift überhaupt gehören:

„Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst. Wer überwindet, wir dieses ererben, und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir Sohn sein“ (Verse 6b-7).

Die erste der beiden Verheißungen gilt dem Dürstenden, die zweite dem Überwinder. Wir können wohl sagen, daß sie zwei Prinzipien widerspiegeln, nach denen Gott in Seinen Wegen mit den Menschen Seine Gnade entfaltet und Segen gibt.

Nun müssen wir aus diesen Worten nicht schließen, daß es im ewigen Zustand noch Durst geben wird oder noch Widerstände überwunden werden müssen. Nein, dann wird alles Vollkommenheit und Herrlichkeit sein. Aber wenn Gott an dieser Stelle Verheißungen gibt, dann tut Er das im Blick auf die Ewigkeit, von der gesprochen worden ist. Sie gehören unbedingt der Ewigkeit an, wenden sich jedoch an Menschen in der Zeit.

Vom Durst der Seele

Die Heilige Schrift spricht wiederholt von dem Durst der Seele. „Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke“ (Joh 7,37). „Wen da dürstet, der komme; wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Off 22,17). Als Dürstender wird jemand beschrieben, in dem der Heilige Geist bereits ein Verlangen nach geistlichen Dingen geweckt hat, sei es zuerst nach Sündenvergebung oder dann auch nach Gemeinschaft mit Gott und Freude an Gott. Das ist die Art und Weise, in der der Geist Gottes wirkt, und diesem Wirken Seines Geistes entspricht Gott stets. Er wird die hervorgerufenen Wünsche des Herzens vollkommen befriedigen; in Sich selbst wird Er sie stillen. Deswegen verheißt Gott hier nicht nur das Wasser des Lebens, sondern sagt: „Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst.“ Wie köstlich ist das! Das Herz wird seine volle Befriedigung in der Quelle der Segnung finden, nach der es verlangt – in Gott selbst. Gott bringt gleichsam die Quelle selbst an die Lippen des Durstigen. Der große Geber ist Gott, und Er gibt umsonst, ohne Geld und ohne Kaufpreis (Jes 55,1). Das ist Dessen würdig, der der Gott aller Gnade ist (1. Pet 5,10).

Man könnte fragen: Haben auch wir heute als Gläubige geistlicherweise noch Durst? In einem gewissen Sinn ja. Denn wenn auch der Durst unserer Seele durch den Empfang des ewigen Lebens und des Heiligen Geistes grundsätzlich gestillt ist (Joh 4,14), so bleibt doch auch in uns eine tiefe Sehnsucht nach ungestörter Freude an Gott, nach der ewigen Ruhe mit Ihm, nach dem ungetrübten Genuß dessen, was uns der Herr Jesus am Kreuz erworben hat. Schon in der Bergpredigt nannte der Herr Jesus die glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten würden. Sie würden gesättigt werden (Mt 5,6). Auch sehnen wir uns danach, mit unserer Behausung, die aus dem Himmel ist, überkleidet zu werden (2. Kor 5,2). Und nach all dem Fragmentarischen (Bruchstückartigen), das diese Erde und die Art unserer Erkenntnis heute kennzeichnet, begehren wir, daß das „Vollkommene“ komme (1. Kor 13,10). Wir können sagen: Je inniger unser Umgang mit Gott ist, desto tiefer wird der Durst unserer Seele nach Ihm sein. Nun, dieses Sehnen, vom Heiligen Geist selbst in uns hervorgerufen, wird Gott vollkommen stillen. Er selbst wird die Quelle zu unserer ewigen Segnung sein.

Wenn auch die Gläubigen des Alten Testaments bei weitem nicht so reich gesegnet waren, wie wir es sind, so haben doch auch sie diese Empfindungen des Durstes gekannt. Wer hat sie trefflicher ausgedrückt als die Söhne Korahs? „Wie ein Hirsch lechzt nach Wasserbächen, also lechzt meine Seele nach dir, o Gott! Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott: Wann werde ich kommen und erscheinen vor Gottes Angesicht?“ (Ps 42,1.2).

Vom Überwinden

Der zweite Grundsatz, nach dem Gott handelt, wird in der zweiten Verheißung sichtbar: „Wer überwindet, wird dieses ererben, und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir Sohn sein.“ Hier geht es nicht um die Befriedigung geistlichen Verlangens, sondern um das Überwinden von Schwierigkeiten. In dieser feindseligen Welt müssen die Gläubigen Überwinder sein. Sie sind von geistlichen Mächten der Finsternis und der Bosheit umgeben und sind aufgerufen, gegen sie zu kämpfen (Eph 6,10ff.). Bevor nun Gott mit Seinen Worten zum Schluß kommt, ermuntert Er Seine Heiligen mit dieser weiteren Verheißung. „Wer überwindet, wird dieses ererben.“ Wieder heißt es wörtlich: „… wird diese Dinge ererben“ – diese Dinge, die Gegenstand dieser Verheißungen sind. Es hat den Anschein, als lege Gott den Nachdruck gerade auf diese Zusagen, weil Er sie zusätzlich zu anderen gewähren will.

Ein Überwinder ist jemand, der Siege davonträgt, und tatsächlich kann der griechische Ausdruck für Überwinder mit Siegender wiedergegeben werden. Er bezeichnet einen andauernden, fortwährenden Vorgang. Die Notwendigkeit und Wichtigkeit des Überwindens wird im Neuen Testament nicht nur einmal angesprochen. In Römer 8 heißt es, daß wir mehr als Überwinder sind durch Den, der uns geliebt hat (Vers 37). Das ist eine Tatsache, die von jedem Gläubigen wahr ist, wie unterschiedlich das Maß des Verwirklichens auch sein mag.

Johannes schreibt in seinem ersten Brief von dem Sieg, der die Welt überwindet; und dann nennt er das Mittel, durch das der Sieg errungen wird: unser Glaube (1. Joh 5,4). Nur durch den lebendigen Glauben an die Person des Sohnes Gottes können wir dieses System der Welt überwinden (Vers 5). Nur wenn Er in Seinem Charakter als Sohn Gottes vor unserem Herzen steht, ist uns der Sieg über die vom Teufel inspirierte Welt sicher. Und daß bei dem Wort Überwinder nicht an eine einmalige Sache gedacht ist, habe ich schon bemerkt. Nicht selten meinen wir, wenn wir einen Sieg errungen haben, daß nun alles getan sei. Doch dieser Gedanke trügt. Überwinden müssen wir ständig. Wenn wir uns nur einfach den auf uns einwirkenden Kräften überlassen, passiv und ohne Widerstand zu leisten, wer könnte vorhersagen, wo wir uns schließlich wiederfinden werden?

Auch in der Offenbarung wird viel von dem Überwinder gesprochen. In keinem der sieben Sendschreiben bleibt er unerwähnt (Kap. 2.3). Und es ist auffallend, daß das Überwinden stets als eine persönliche Sache angesehen wird: „Dem, der überwindet …“, „Wer überwindet …“. Werden dagegen in der Heiligen Schrift unsere Stellung und unsere Beziehungen als Söhne oder Kinder Gottes vorgestellt, wird im allgemeinen in kollektiver Weise von uns gesprochen. In Kapitel 12 wird uns dann noch ein treuer Überrest aus dem Volk der Juden zu Beginn der Drangsalszeit gezeigt. Von diesen treuen Zeugen wird gesagt, daß sie den Satan, den Verkläger der Brüder, überwunden hätten „um des Blutes des Lammes und um des Wortes des Zeugnisses willen, und sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tode“ (Vers 11). In ihrem Fall bedeutete überwinden, den Märtyrertod zu erdulden.

„Wer überwindet, (wörtlich: der Siegende) wird dieses ererben.“ Das ist das Erste. Wer in dieser Zeit des Kampfes und des Leidens ein Überwinder durch Glauben ist, wird sich einmal all der Formen ewiger Segnung erfreuen können, die uns hier vor Augen gestellt werden.

Aber dann sagt Gott noch etwas: „Und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir Sohn sein.“ Das bedeutet, daß der Überwinder in eine unmittelbare Beziehung zu Gott kommen wird, in eine rein persönliche Beziehung. Dieses Verhältnis wird so unmittelbar, so innig sein, daß zu dessen Genuß nicht länger der Dienst eines Mittlers notwendig sein wird. Welch eine unaussprechliche Glückseligkeit wird darin liegen, Ihn persönlich zum Gott zu haben und in Ewigkeit Ihm zum Sohn zu sein! Es sind nur wenige, knappe Worte. Doch wer kann die Fülle der Segnung erfassen, die in ihnen liegt? Sie wird auf ewig das Teil dessen sein, der heute überwindet. (Wird fortgesetzt) ChB

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1993, Seite 187

Bibelstellen: Offb 21, 6.7

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