Alle Worte dieses Lebens

Als das Christentum noch neu war auf der Erde, wirkte Gott durch mächtige Zeichen und Wunder, um den Menschen, besonders den Juden, zu bestätigen, daß die Sache von Ihm war (Mk 16,20; Heb 2,4). So hatte Er auch zu Beginn der Apostelgeschichte die gefangengesetzten Apostel durch einen Engel befreien lassen, als sie von den Führern der Juden aus Neid in Gewahrsam gesetzt worden waren (Kap. 5,17ff). Nachdem die zwölf Apostel wieder in Freiheit waren, erhielten sie einen Auftrag, über den wir heute einmal ein wenig nachdenken wollen.

Der Auftrag Gottes, den der Engel den Aposteln übermittelte, war kurz, aber umfassend: „Gehet und stellet euch hin und redet in dem Tempel zu dem Volke alle Worte dieses Lebens.“ Hier wird deutlich, warum Gott bei dieser Gelegenheit Seine Macht so sichtbar kundmachte (Er hätte ja die Apostel auch auf weniger auffallende Weise befreien können, wenn es Ihm nur darum gegangen wäre): Sie sollten sich, für alle sichtbar, im Tempel „hinstellen“, sollten in aller Öffentlichkeit ein kundbares Zeichen der Macht Gottes bilden. Gott wollte zeigen, daß Er mit diesen Menschen war und daß verschlossene und bewachte Gefängnistüren für Ihn kein Hindernis darstellen. Da standen sie dann wieder, diese Männer, die tags zuvor gewaltsam gehindert worden waren, ihr Zeugnis abzulegen!

Das ist die eine Seite. Doch eng damit verbunden ist die zweite: Gott ist ein Heiland-Gott, und Er will, daß die Botschaft Seiner Gnade in Christus Jesus trotz aller Anstrengungen des Feindes, sie zu unterbinden, frei und ungeschmälert verkündigt wird. Dies ist ein Gedanke, der auch uns heute Anlaß geben sollte, von Herzen für die Verbreitung des kostbaren Evangeliums besorgt zu sein. Gott tritt heute kaum noch durch offenbare, wahrnehmbare Wunder für Seine Knechte ein. Wie viele von ihnen sind seitdem ins Gefängnis geworfen, gequält, gefoltert, hingerichtet, verbrannt worden, ohne daß ein Engel Gottes vom Himmel herabgestiegen wäre und Befreiung gebracht hätte! An der Absicht Gottes jedoch hat sich nichts geändert. Sein Wort soll und wird laufen und verherrlicht werden (2. Thes 3,1). Darum dürfen wir ringen und flehen und dafür arbeiten. Er wird uns darin jeden Beistand schenken, wenn auch nicht auf so offenkundige Weise wie in jenen Anfangstagen.

„Alle Worte dieses Lebens“ – eine Formulierung, die des Nachdenkens wert ist! Die Aussprüche Gottes tragen den Keim des Lebens, ewigen Lebens, in sich. Sich dessen bewußt zu sein ist gerade für den Verkündiger der guten Botschaft von größter Wichtigkeit. „Du hast Worte ewigen Lebens“, hatte einst Petrus bekannt (Joh 6,68). Aber diese Worte müssen eben auch ausgesprochen, zu den Menschen gebracht werden, damit sie göttliches Leben in ihrer Seele hervorrufen können. Es gibt keinen Glauben ohne Verkündigung, die Verkündigung aber ist durch Gottes Wort (Röm 10,14-17). Der Same der neuen Geburt ist das Wort Gottes, dieses Wort allein (Jak 1,18; 1. Pet 1,23). Was hat der Herr Jesus, der wahre „Sämann“ und unser großes Vorbild, „in die Herzen gesät“, als Er auf der Erde zu Verlorenen sprach? Das Wort Gottes. „Der Same ist das Wort Gottes“ (Mt 13,3ff; Lk 8,11). „Er redete zu ihnen das Wort“ (Mk 2,2).

Laßt auch uns diesen >Samen< benutzen und alle Worte dieses Lebens reden! Es müssen „alle“ Worte sein, damit nicht die eine oder andere Seite unberücksichtigt bleibt. So darf auch das Wort zur Buße nicht fehlen, der „Buße zum Leben“ (Apg 11,18). Und laßt uns dabei bleiben, diese Worte zu „reden“! >Reden< bedeutet eben nicht >spielen<. Spiele, Vorführungen und musikalische Darbietungen mit biblischem Hintergrund sind nicht das unverfälschte Wort Gottes, sind auch nicht Sein Weg zur Errettung sündhafter Menschen. Oder wo fänden wir in der Heiligen Schrift, daß der Herr Jesus oder Seine Apostel oder irgendwelche andere Knechte Gottes mit christlichen Musikveranstaltungen vor die Menschen getreten wären oder gar Schauspiele vor ihnen aufgeführt hätten, um ihnen auf diese Weise das Evangelium nahezubringen? Das heilige Wort Gottes zu „spielen“ statt es in der Kraft des Heiligen Geistes zu „verkündigen“ stellt ein ernstes Abweichen von dem Weg der Wahrheit dar.

Warum neigen wir dazu, es trotzdem zu tun – und sei es nur in Ansätzen? Weil wir die Einfalt gegen den Christus Gottes verloren und uns weitgehend dem Geschmack des natürlichen Menschen – sagen wir es unumwunden: weil wir uns der christlichen Welt angepaßt haben. Natürlich sollen wir nicht so grob und ungeschlacht wie möglich auf die Menschen zugehen. Ganz im Gegenteil! Paulus war, um so viele wie möglich zu gewinnen, den Juden wie ein Jude, den Schwachen wie ein Schwacher geworden, ja er war allen alles geworden (1. Kor 9,19ff). Er stellte sich -und das bedeuten diese Worte – auf sein Gegenüber ein, begegnete den verschiedenen Menschen auf ihrem Boden, trug ihren Bedenken und der Art ihres Denkens und Empfindens Rechnung. Aber keineswegs wandte er sich an das religiöse Fleisch seiner Zuhörer. Nie verlor er das Ziel und den Weg Gottes aus dem Auge, und nie machte er durch menschliche Zutaten „das Kreuz Christi zunichte“. Und was gebot er am Ende seines Lebens, die >letzten Tage< und >schweren Zeiten< vor Augen, seinem treuen Kind Timotheus? Empfahl er ihm, auf neue, wirksamere Methoden der Verbreitung des Evangeliums zu sinnen, da nun einmal die Menschen die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden würden? Tausendmal nein! Ernstlich bezeugt er ihm „vor Gott und Christo Jesu, der da richten wird Lebendige und Tote …: Predige das Wort“ (2. Tim 4,1-4). Wie einfach, wie schön, aber auch wie überaus tröstlich für uns und unsere Tage!

Deswegen, geliebte Freunde, kehren wir – sowohl was den Inhalt der Predigt als auch die Art und Weise der Verkündigung angeht – zum Anfang zurück! Vertrauen wir nicht auf moderne menschliche Methoden in der Darbietung des Wortes, sondern auf die Macht des Wortes Gottes selbst! Dieses Wort richtet sich in erster Linie an das Gewissen des Menschen. Nur ein durch die Pflugschar des göttlichen Wortes aufgerissenes Gewissen ist bereit und fähig, den Samen der Wiedergeburt aufzunehmen. Menschliche „Ersatzlösungen“ der genannten Art dagegen sprechen weit eher die Sinne des Menschen, seine Gefühle, seinen Intellekt an als sein Gewissen, und das führt absolut in die falsche Richtung.

Paulus vermied sorgfältig alles, was seine Zuhörer von dem eigentlichen Gegenstand seiner Verkündigung – von „Jesus Christus“ und von Ihm „als gekreuzigt“ – hätte ablenken können. Auch „Vortrefflichkeit der Rede“ und menschliche „Weisheit“ richten sich wie die anderen Dinge an das Fleisch des Menschen. Deswegen befleißigte er sich einer einfachen Redeweise: „Meine Rede und meine Predigt war nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, auf daß euer Glaube nicht beruhe auf Menschen-Weisheit, sondern auf Gottes-Kraft“ (1. Kor 2,1-5). Ja, Gottes Kraft allein ist es, die in dem Herzen Glauben und Leben hervorzurufen vermag.

Als Mittel bedient Sich der Heilige Geist jedoch stets des geschriebenen Wortes Gottes. Laßt uns darauf vertrauen und auf die Kraft des Heiligen Geistes! Auch heute wird niemand auf andere Weise von neuem geboren als nur „aus Wasser und Geist“ (Joh 3,5). Daß das >Wasser< ein Bild des Wortes Gottes in seiner reinigenden Kraft unter dem Einfluß des Geistes Gottes ist, wird den meisten von uns geläufig sein. Gewiß dürfen wir „erfinderisch“ darin sein, wie wir das Interesse der Menschen wecken und ihr Herz erreichen können. Liebe macht erfinderisch. Ein schönes Beispiel dafür liefert uns Paulus auf dem Areopag in Athen (Apg 17,22//). Aber was wir dann zu den Menschen reden, müssen „Aussprüche Gottes“ sein (1. Pet 4,11). Laßt es uns dem Apostel Paulus gleichtun und „die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus“ bezeugen (Apg 20,21) -„öffentlich und in den Häusern“! Das sind dann die „Worte dieses Lebens“, die verlorene Sünder so nötig haben. ChB

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1995, Seite 299

Bibelstellen: Apg 5, 20; Joh 6, 68; 1Kor 9, 19; 1Kor 2, 1-5; Apg 20, 20.21

Stichwörter: Evangelium, Leben, Verkündigung, Zeugnis