Eine Frau des Glaubens und des Gebets

Viele Frauen des Glaubens, von denen wir in der Bibel lesen, führten ein Leben des Gebets. Wir wollen im folgenden einen Blick werfen auf Hanna, die Mutter Samuels. Im ersten Buch Samuel werden uns zwei Gebete von ihr mitgeteilt. Dabei können wir in einem Fall von einem Gebet und im anderen Fall von einem Lobpreis sprechen.

Hannas Gebet in 1. Samuel l

Die Situation von Hanna ist sicher den meisten unserer Leser wohlbekannt. Sie litt unter ihrer Kinderlosigkeit ebenso wie unter der Verachtung und dem Spott Penin-nas, der zweiten Frau ihres Mannes Elkana. Wohin sollte sie sich wenden mit all ihrer Not? Sicher, ihr Ehemann Elkana liebte sie und versuchte sie zu trösten, so gut er es vermochte. Aber die tiefste Not ihrer gekränkten und verwundeten Seele wirklich verstehen konnte nur einer – Jehova, der Gott Israels. So sehen wir sie, eine Frau „bitteren Gemütes, und sie flehte zu Jehova und weinte sehr“ (1. Sam 1,10).

Was sie in diesem Gebet und Flehen getan hat, drückt sie selbst mit den Worten aus: „Ich schüttete meine Seele vor Jehova aus“ (1. Sam 1,15). Dieses Vorrecht, wirklich alles, was auf unserer Seele liegt, vor Gott auszuschütten, hat auch jeder Gläubige heute. Wie sollte es auch anders sein, da wir doch unseren Gott auf eine viel tiefere, innigere Weise kennen, und zwar als den „Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“. Unser Herr selbst ließ den Seinen sagen „mein Vater – euer Vater“. Der Apostel Paulus fordert die Gläubigen dazu auf, in allem durch Gebet und Flehen mit Danksagung ihre Anliegen vor Gott kundwerden zu lassen – wie Hanna (Phil 4,6).

Was würde das Ergebnis eines solchen flehentlichen Gebets sein? Die sofortige Erhörung und Änderung unserer Lage? Die Schrift gibt uns eine andere Antwort: „Der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christo Jesu“ (Phil 4,7). Ist es nicht genau das, was wir auch bei Hanna finden? „Und das Weib ging ihres Weges und aß, und ihr Angesicht war nicht mehr dasselbe“ (1. Sam 1,18). Ihre äußeren Umstände waren zu diesem Zeitpunkt immer noch dieselben. Doch in ihrer Seele war dieser innere Frieden Gottes eingezogen, der auch auf ihrem veränderten Äußeren sichtbar wurde. Ihr „bitteres Gemüt“ war offenkundig bisher für jedermann sichtbar gewesen. Doch nun wurde der Frieden Gottes, der sie erfüllte, auch von anderen empfunden.

Wenn wir dieses erste Gebet Hannas betrachten, dann finden wir etwas, was sich auch später in ihrem zweiten Gebet fortsetzt: Sie war mit dem Wort Gottes – soweit es zu ihrer Zeit bekannt war – vertraut, und das Wort Gottes beeinflußte und prägte ihr Gebetsleben. Auch hierin darf uns Hanna ein Vorbild sein. Es sei in diesem Zusammenhang nur auf drei Punkte hingewiesen:

1. Wenn sie als kinderlose Frau in dieser Angelegenheit das Angesicht ihres Gottes suchte, dann wußte sie, daß Sarah, Rebekka und Rahel vor ihr in derselben Lage gewesen waren und daß die Hilfe aus deren Not von dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs gekommen war, der auch ihr Gott war.

2. Sicher empfand auch Hanna, diese treue, gottesfürchtige Frau, wie nötig das Volk Israel in den Tagen Elis einen Befreier brauchte. War da in der Geschichte des Volkes Gottes nicht schon einmal eine kinderlose Frau gewesen, die als besondere Gnade Gottes einen Simson zur Welt bewegen durfte, den Befreier von den Philistern? Durfte sie nicht darauf vertrauen, daß ihr Gott, der sich nicht verändert, auch jetzt so handeln konnte?

3. Hanna tat ein Gelübde, ihren Sohn, den Gott ihr geben würde, Ihm zurückzugeben, damit er Gott diene. Sie wollte das, was sie von Gott erbeten hatte, Ihm zum Opfer geben. Ob sie wohl dabei an den Stammvater ihres Volkes – Abraham dachte, der auch den lang ersehnten Sohn Gott opferte?

In allem sehen wir, daß Hanna eine Frau des Glaubens und Gebets war, die in ihren Gebeten nicht sich selbst im Mittelpunkt sah. Letztlich stand immer die Verherrlichung und die Ehre Gottes vor ihren Augen. Die Erhörung ihrer Bitte um einen Sohn sollte nicht in erster Linie zu ihrer eigenen Freude dienen oder ihre persönliche Kränkung beenden. Nein, dieser Sohn sollte Gott dienen und inmitten eines völligen Verfalls ein Nasiräer Gottes sein (vgl. 1. Sam 1,11).

Hannas Lobpreis in 1. Samuel 2

Wieder betet Hanna. Aber jetzt geht es nicht um Anliegen und Bitten, sondern ihr Gebet ist ein Lobpreis der Person und des Handelns ihres Gottes.

Wir können diesen Lobpreis in drei Abschnitte unterteilen. Zuerst preist sie die Wesenszüge Gottes (Verse 1-3), dann beschreibt sie Sein Handeln (Verse 4-8), um letztlich einen prophetischen Blick in die Zukunft zu werfen, die mit der Erhöhung Seines Gesalbten endet (Verse 9-10).

Wir wollen uns im folgenden ausschließlich mit dem ersten Teil beschäftigen. In ihrer Beschreibung der Wesenszüge Gottes (Verse 1-3) erwähnt Hanna sechs Eigenschaften.

1. Er ist der Retter. „Denn ich freue mich in deiner Rettung“. – Das hatte sie selbst erfahren, indem Gott sie befreit hatte aus ihrer Lage der Schmach und Verachtung. Jetzt lesen wir nichts mehr von „bitterem Gemüt“ oder „ausschütten der Seele“. Im Gegenteil – ihr Herz frohlockt, ihr Mund ist weit aufgetan, und Freude erfüllt ihr Herz.

2. Gott ist heilig. „Keiner ist heilig wie Jehova.“ -In dem Hanna dies zum Ausdruck bringt, macht sie zugleich deutlich, daß der Verfall, der Niedergang und das Böse in Verbindung mit der Stiftshütte und dem Priestertum ihrer Tage mit diesem Wesenszug Gottes nicht in Einklang zu bringen war.

3. Gott ist der einzige, wahre Gott. „Denn keiner ist außer dir.“ – Angesichts des zunehmenden Götzendienstes in ihrem Volk legt Hanna ein deutliches Bekenntnis ab zu dem einen Gott Israels.

4. Gott ist vertrauenswürdig. „Und kein Fels ist wie unser Gott.“ – Dieser „Fels der Ewigkeiten“ ist zu allen Zeites das unerschütterliche Fundament des Glaubensvertrauens gewesen.

5. Gott ist allwissend. „Denn ein Gott des Wissens ist Jehova.“ – Nichts, was damals in Israel geschah – ob offenbar oder versteckt – war den Augen des „an Wissen vollkommenen“ (Hiob 37,16) verborgen.

6. Gott ist der Richter von allen. „Von ihm werden die Handlungen gewogen.“ – Nicht nur hat Gott Kenntnis von allen Dingen, sondern Er beurteilt auch alles nach Seinem göttlichen, vollkommenen und gerechten Urteil.

Die Wesenszüge Gottes ändern sich nie, bei Ihm ist keines „Wechsels Schatten“ (Jak 1,17). So finden wir auch im Neuen Testament diese Wesenszüge Gottes wieder. Es soll zu jedem nur eine Schriftstelle ausreichen. Der interessierte Bibelleser wird unschwer noch weitere finden können.

„Gott, der die Toten auferweckt, der uns von so großem Tode errettet hat und errettet, auf den wir unsere Hoffnung gesetzt haben, daß er uns auch ferner erretten wird“ (2. Kor 1,9.10).

„Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel!“ (1. Pet 1,15).

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh 1,1)

„damit wir nicht auf uns selbst vertrauten, sondern auf Gott“ (2. Kor 1,9).

„Und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben“ (Heb 4,13).

„Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, die der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag“ (2. Tim 4,8).

Auch bei diesem Gebet konnte Hanna sich auf Beispiele in der bisherigen Geschichte Gottes mit Seinem Volk und in Seinem Wort stützen: Gott ist ein Retter und Befreier, was an der Befreiung Israels aus Ägypten deutlich geworden ist. Das 3. Buch Mose enthält deutliche Belehrungen, daß Gott heilig ist. Wiederholt wird sowohl im zweiten wie im fünften Buch Mose darauf hingewiesen, daß Gott Einer ist. Von Gott als dem Felsen hatte schon Mose gesprochen (5. Mo 32,4.15). Die Allwissenheit Gottes, auch von verborgenen Dingen, war spätestens seit den Tagen Achans offenkundig (Jos 7). Das wohl älteste Buch der Bibel spricht auch von der beurteilenden Wagschale Gottes (Hiob 31,6).

Aus dem Gebetsleben dieser treuen Israelitin, das Gott uns „zu unserer Belehrung“ aufgezeichnet hat, dürfen wir zu unserem eigenen Nutzen zwei Lehren ziehen:

Mit allem, was uns an Not und Sorge bedrängt – ob es in unserem persönlichen Leben, im Familienleben oder im gemeinsamen Leben des Volkes Gottes ist – können wir im Gebet zu Gott kommen. Er hört uns. Ja, er erhört uns zu Seiner Zeit und nach Seiner vollkommenen Weise. Aber vor allem: Wenn wir unsere Anliegen Ihm gebracht haben, wird der Frieden Gottes uns erfüllen und unsere Herzen und unseren Sinn bewahren in Christus Jesus.

Wir wollen jedoch nicht dabei stehen bleiben, Gott nur dann anzurufen, wenn wir ein „persönliches Anliegen“ haben. Wir dürfen vielmehr, wie Hanna, im Gebet mit Ihm Gemeinschaft haben und anbetend vor Ihm zum Ausdruck bringen, welche Schönheiten, Herrlichkeiten und Wesenszüge Seiner Person uns kostbar geworden sind.

Gerade die vermehrte Beschäftigung mit der Person des Herrn Jesus wird uns hierin wachsen lassen. M.V.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1997, Seite 264

Bibelstellen: 1Sam 1; 1Sam 2

Stichwörter: Gebet, Hanna, Lobpreis