Ausgewogenheit

Der Herr Jesus braucht Gläubige, die ausgewogen sind. Schon in Zeiten des Alten Testaments war Ausgewogenheit eine Tugend, und es ist auch heute nicht anders.

Josia

„Und Josia wandelte auf den Wegen seines Vaters David und wich nicht zur Rechten noch zur Linken“ (2. Chr 34,2). Dieses Urteil Gottes wird uns sogar zweimal mitgeteilt. Josia zeichnete sich durch Hingabe, Geradlinigkeit und Ausgewogenheit aus, denn er wich weder zur einen noch zur anderen Seite ab.

Paulus

Im Neuen Testament gibt es zwar keinen wörtlich entsprechenden Vers, aber Paulus kann sagen: „… indem wir in keiner Sache irgendeinen Anstoß geben …, sondern uns selbst in allem als Gottes Diener erweisen, … durch die Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken; … als Traurige, aber allezeit uns freuend; … als nichts habend und alles besitzend“ (2. Kor 6,3-10). Wir sollen Gerechtigkeit in ausgewogener Weise praktisch darstellen, eben nicht nur rechts, sondern auch links -ohne daß in diesen Ausdrücken eine Anspielung auf bestimmte Meinungsrichtungen liegt, wie sie heute oft darin gesehen wird.

Ausgewogenheit ist ein Kennzeichen der ganzen Schrift. Wir finden nicht nur Lehre, sondern Lehre und Praxis – aber auch nicht nur Praxis, sondern diese immer in Übereinstimmung mit der Lehre. Wenn uns der Apostel Paulus im Epheserbrief äußerst hochstehende Belehrungen über die Stellung des Gläubigen (Kap. 1) und der Versammlung (Kap. 2 und 3) mitteilt, zeigt er uns zugleich, daß wir diese großartigen Beziehungen hier auf der Erde als Geschwister gemeinsam (Kap. 4), als Christen persönlich (Kap. 5), in unserer Ehe (Kap. 5,22-33), Familie (Kap. 6,1-4) und in unserem Arbeitsverhältnis (Kap. 6,5-9) praktizieren können und sollen.

Wenn Paulus in 2. Timotheus 2 jeden Christen auffordert, von der Ungerechtigkeit abzustehen (V. 19) und sich von Gefäßen zur Unehre abzusondern (V. 21), dann weist er zugleich auf die positive Seite hin, daß ein Gläubiger zusammen mit anderen den Herrn anrufen darf und soll aus reinem Herzen (V. 22).

Johannes

Auch beim Apostel Johannes finden wir diese Ausgewogenheit. Wenn er auffordert, zurückzukehren zu dem, was von Anfang war (1. Joh 1,1), und damit jeden Fortschritt und jedes Wachstum der Wahrheit selbst ausschließt, dann macht er doch deutlich, daß jeder einzelne Christ ein Wachstum vom Kindlein über den Jüngling zum Vater in Christus erleben sollte (Kap. 2,13-14). Und wenn er im zweiten Brief ermahnt, Liebe nicht auf Kosten der Wahrheit zu üben, dann warnt er im dritten Brief, ein Leben in der Wahrheit nicht auf Kosten der Liebe zu führen.

Das sind nur wenige Beispiele, die uns zeigen, wie das Wort Gottes immer ausgewogen ist.

Lehre und Evangelium

Diese zwei Seiten einer Sache sind auch noch in einem anderen Zusammenhang von Wichtigkeit, nämlich dann, wenn es darum geht, die biblische Belehrung von Gläubigen und die Evangeliumsverkündigung für Ungläubige in einem ausgewogenen Verhältnis zu praktizieren. In Epheser 4,11 lesen wir, daß der verherrlichte Herr sowohl Evangelisten als auch Hirten und Lehrer gegeben hat und daß die einen wie die anderen zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes und für die Auferbauung des Leibes des Christus gegeben sind.

Es gibt eben nicht nur Evangeliumsverkündigung, und es gibt auch nicht nur die Belehrung der Gläubigen. Beides darf und muß in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Das erkennen wir auch aus dem vierten Kapitel des zweiten Timotheusbriefes. Timotheus sollte das Wort Gottes predigen und mit aller Langmut und Lehre ermahnen (V. 2). Er sollte sich dabei durch den Verfall der Christenheit nicht entmutigen lassen, sondern fortfahren in diesem Dienst an den Christen. Bei all diesen Schwierigkeiten von „innen“ sollte er aber keineswegs das Evangelium aus den Augen verlieren. „Tu das Werk eines Evangelisten“ (V. 5). lautet der ergänzende Auftrag der Ausgewogenheit. Obwohl Timotheus wahrscheinlich kein Evangelist war, sollte er doch angesichts des traurigen Zustands der Gläubigen und der Christenheit im allgemeinen dieses evangelistische Werk nicht vergessen und vernachlässigen – und ebensowenig seinen eigentlichen Dienst des Lehrers und Hirten (V. 5).

In diesem Zusammenhang schreibt ein bewährter Diener des Herrn: „Ich glaube, daß zu allen Zeiten der Segen drinnen in dem Maß vorhanden sein wird, wie ein Geist des Evangelisierens besteht. Der Grund dafür ist sehr einfach. Es ist die Gegenwart Gottes, die segnet, und Gott ist Liebe; und es ist Liebe, die jemand veranlaßt, Seelen zu suchen. Es geht keineswegs darum, die Sorge um die Seelen von Gläubigen zu verachten oder zu vernachlässigen. Nichts ist an seinem Platz wichtiger; aber es scheint mir, daß, wo die Liebe Gottes gefunden wird, diese beiden Dinge zusammengehen.“ Im Anschluß an diese Gedanken betont der Verfasser noch einmal die Wichtigkeit der lehrmäßigen biblischen Grundsätze und schließt dann mit den Worten: „Aber Gott liebt Seelen, und wenn wir sie nicht [zu gewinnen] suchen, dann wird Er Sein Zeugnis woanders hinsetzen. Er liebt uns, davon bin ich überzeugt. Aber Er hat uns nicht nötig.“ (J.N.D.)

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Zweifellos lehrt die Versammlung als solche genausowenig wie sie evangelisiert. Aber so, wie sie eine Atmosphäre zuläßt, in der sie sich belehren lassen kann, wird sie – das heißt werden die Geschwister – besorgt sein, daß sich an „ihrem“ Ort Brüder des Evangeliums annehmen. Wenn die Versammlung geistliches Wachstum im „Innern“ wünscht, dann wird es Brüder geben, die sich darum bemühen, auch an einem solchen Ort das Evangelium an Ungläubige weiterzugeben. Die Liebe, die zu den Sündern ausgeht, wird auch hier erfinderisch sein und Wege suchen, die in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes sind. Diese Arbeit bedarf der Unterstützung von uns allen – und sei es durch Gebet -, weil heute viel Mut dazu gehört.

Inneres geistliches Wachstum wird es auch heute nur dann geben, wenn es zugleich ein Herz für das Evangelium gibt, das sich in Taten zeigt. Daher sucht der Herr noch Evangelisten, die den Mut haben, an Ort und Stelle aktiv zu werden. Und wir brauchen Beter, Hirten und Lehrer, die ebenso ihre Aufgaben mit Freuden tun. M. S.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1999, Seite 273

Bibelstellen: 2Chr 34, 2

Stichwörter: Johannes, Josia, Paulus