Der Diener des Herrn und sein Ruf
Im Dienst für den Herrn – so geringfügig dieser Dienst auch sein mag – kann man viel Freude erleben. Man kann aber ebenso Traurigkeit und Enttäuschung erfahren, wenn die Menschen, denen der Dienst gilt, mit Voreingenommenheit, Vorbehalten und Abneigung gegenüber einem Diener und seinem Dienst erfüllt sind. Besonders schmerzlich ist das, wenn eine solche Einstellung bei Gläubigen zu finden ist. Der Diener wird sich vor dem Herrn zu prüfen haben, ob diese kritische Haltung berechtigt ist. Wenn sein Dienst betroffen ist, kann ihm nicht gleichgültig sein, in welchem Ruf er steht. Er wird seinem Herrn, dem wahren und vollkommenen Diener, „alles berichten, was er getan und was er gelehrt hat“ (vgl. Mk 6,30), um Sein Urteil zu hören. Dann kann es sein, daß er sich über eigenes Versagen im Dienst vor dem Herrn zu demütigen hat.
In anderen Fällen mag ihm Trost sein, daß selbst der Herr in Seinem Dienst „gescholten“ wurde (1. Pet 2,23) und „großen Widerspruch“ von sündigen Menschen gegen sich erduldet hat (Heb 12,3). Und wieviel Boshaftes und Falsches ist Ihm von Seinen Zeitgenossen nachgesagt worden! Auch was der Apostel Paulus den Korinthern einst über den Diener Gottes schreiben mußte (vgl. 2. Kor 6,3-10), wird das Herz eines geprüften und vielleicht niedergeschlagenen Dieners aufrichten. Gewiß war Paulus ein besonderer Diener seines Herrn, „ein auserwähltes Gefäß“ (Apg 9,15), und sein Dienst und die damit verbundenen Leiden (vgl. auch 1. Kor 4,9-13; 2. Kor 11,23-33) waren ohne Frage einmalig und außergewöhnlich – gleichwohl spricht es zu jedem von uns, was dieser Mann über den Dienst schreibt. Sein großes Anliegen war, „in keiner Sache irgendeinen Anstoß zu geben, damit der Dienst nicht verlästert werde“ (2. Kor 6,3).
Wir dürfen „Nachahmer“ seiner hingebungsvollen Gesinnung sein, und auf diesem Weg kann man wie der Apostel hier „Ehre“ und dort „Unehre“ erfahren, einmal in „böses“ und dann wieder in „gutes Gerücht“ geraten, den einen als „Verführer“ und den anderen als „Wahrhaftiger“ gelten (2. Kor 6,8). Schon der Herr Jesus hatte gesagt: „Wehe, wenn alle Menschen gut von euch reden; denn genauso taten ihre Väter den falschen Propheten“ (Lk 6,26).
Ein Diener und sein Dienst können also ganz gegensätzlicher Beurteilung durch die Menschen unterliegen. So erwiesen z.B. die heidnischen Bewohner von Lystra Paulus und Barnabas göttliche Verehrung, aber kurze Zeit danach wurde Paulus von den gleichen Leuten wie ein Verbrecher gesteinigt (Apg 14,12.19). Fast umgekehrt hielten die Bewohner der Insel Malta Paulus zunächst für einen Mörder, als sich eine Natter an seine Hand gehängt hatte. Als ihm jedoch nichts geschehen war, änderten sie augenblicklich ihre Meinung und dachten, er sei ein Gott (Apg 28,3-6). Die Korinther änderten zwar nicht kurzfristig ihre Vorstellungen wie die Heiden in den genannten Beispielen, bei ihnen war es vielmehr so, daß Paulus bei manchen in dem Ruf eines „Verführers“ stand, während er für andere ein „Wahrhaftiger“ war. Wie vielen Dienern des Herrn hat man auch in späteren Zeiten vorgeworfen, sie betrieben das Werk des großen Verführers, d.h. Satans. Immer hat dieser Feind der Seelen versucht, gesegnete Dienste von Knechten Gottes und diese selbst in Verruf zu bringen. Heute hängt er einem Boten des Herrn wie überhaupt einem Gläubigen schnell den Ruf an, er sei zu engherzig, und merkwürdigerweise fast gleichzeitig laßt er ihm von anderen nachsagen oder vorwerfen, er sei zu weitherzig. Wie in den Tagen des Apostels finden sich für diese ganz gegensätzlichen Beurteilungen leider stets offene Ohren und Herzen. Der Herr schenke uns in Seiner Gnade, solche extremen Positionen zu vermeiden und nahe bei Ihm selbst zu bleiben, um ein ausgeglichenes Leben des Glaubens führen zu können.
Wahrend man in 2. Korinther 6,8 ganz gegenteilige Wertungen des Verhaltens des Apostels und seiner Mitarbeiter findet, handelt es sich in den Versen 9 und 10 weniger um ausgesprochene Gegensätze als vielmehr um jeweils unterschiedliche Betrachtungsweisen des gleichen Sachverhalts, die sich in der Beurteilung des Apostels eher ergänzen als echte Kontraste darstellen. So waren er und seine Mitarbeiter „Unbekannte“ in dieser Welt und doch zugleich „Wohlbekannte“ in einer anderen Welt und unter den Christen. In der Welt ohne Christus hatten sie keinen Namen, wohl aber galt ihr Name etwas bei ihrem Herrn im Himmel und bei den Seinen. Und ebenso waren sie „Sterbende“ – Paulus „starb“ täglich (vergl. 1. Kor 15,21) – und doch zugleich „Lebende“ im Dienst für ihren Herrn. Als Diener des Herrn standen sie in diesem doppelten Ruf. Nach menschlicher Beurteilung war es ein erbärmliches und elendes Dasein, nach göttlichen Maßstäben war dieses Leben zugleich aber glücklich und reich, weil es ein Leben war, dessen Inhalt Christus war.
Vielleicht denkt mancher Leser dieser Zeilen, daß das zuvor Gesagte nur für so hervorragende Diener wie Paulus gelte So wahr es ist, daß Paulus, wie schon früher bemerkt, in der Tat ein außergewöhnliches Werkzeug des Herrn war, so wahr bleibt gleichwohl, was der Herr Jesus jedem wahren Christen sagt: „Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn jemand mir dient, so wird der Vater ihn ehren“ Joh 12,26). Jeder Glaubige darf ein Diener seines Herrn sein, selbst wenn der Tätigkeitsbereich nach seiner Einschätzung nur klein und unbedeutend ist. Dann wird auch er die Erfahrung machen, wie unterschiedlich andere seinen Dienst beurteilen, wie unterschiedlich mithin der Ruf ist, den er infolge seiner Tätigkeit – fast automatisch – bei anderen genießt. Andererseits darf das jedoch einen Diener des Herrn nie zur Gleichgültigkeit gegenüber dem fuhren, was möglicherweise Dritte über ihn und seinen Dienst behaupten. Die Bereitschaft zu ehrlicher Selbstkritik und zum Selbstgericht vor dem Herrn muß bei ihm immer vorhanden sein, und das wird auf diejenigen, denen sein Dienst gilt, seinen Eindruck nicht verfehlen. K.S.
Schreibe einen Kommentar