Besonderheiten im Text der Heiligen Schrift

„Ankunft“ des Herrn – „wenn“

Das Neue Testament spricht wiederholt von der „Ankunft des Herrn“, und es ist wichtig, diesen Ausdruck recht zu verstehen, zumal damit nicht immer genau dasselbe Ereignis oder dieselbe Szene beschrieben wird. Auch die kleine Konjunktion (Bindewort) „wenn“ spielt in manchen Zusammenhängen eine gewichtigere Rolle, als wir im Allgemeinen annehmen.

Um das näher zu erläutern, wollen wir uns zuerst einen Text aus dem ersten Brief des Johannes ansehen, der von dieser „Ankunft“ redet und auch dieses „wenn“ enthält:

„Und nun, Kinder, bleibt in ihm, damit wir, wenn er offenbart wird, Freimütigkeit haben und nicht vor ihm beschämt werden bei seiner Ankunft“ (Kap. 2,28).

Des besseren Verständnisses wegen möchte ich eine Bemerkung vorausschicken. Wenn wir im Folgenden von der „Ankunft des Herrn“ und dem „Kommen des Herrn“ sprechen und zwischen beiden Ausdrücken zu unterscheiden lernen, so ist doch beiden gemeinsam, dass sie sowohl im Blick auf die Entrückung der Heiligen als auch auf die Erscheinung des Herrn in Macht gebraucht werden. Der jeweilige Zusammenhang entscheidet darüber, ob mit „Ankunft“ oder „Kommen“ in dem einen oder anderen Fall auf die Entrückung oder auf die Erscheinung Bezug genommen wird.

Grundsätzlich können wir dies feststellen: Der Ausdruck „Ankunft“ (gr. parousia) beschreibt nicht den Akt des Kommens, also das tatsächliche Kommen des Herrn. Natürlich gibt es Stellen, die gerade das tun, wie zum Beispiel Johannes 14, Vers 3, und 1. Korinther 11, Vers 26: „… so komme ich wieder“, „… bis er kommt“. Beide Zitate reden von dem Kommen des Herrn zur Entrückung. Ein drittes Zitat spricht ebenfalls vom Kommen des Herrn, meint damit aber Seine Erscheinung: „… wenn er kommt, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen“ (2. Thes 1,10). In all diesen und ähnlichen Stellen wird selbstverständlich auch ein anderes Wort benutzt, das das Kommen des Herrn als einen Vorgang schildert (gr. erchomai = kommen, gehen, im Begriff sein).

Anders verhält es sich bei „Ankunft“; denn damit wird der Zustand beschrieben, der Seinem Kommen folgt: Seine Gegenwart, Anwesenheit. Dass dies die ursprüngliche Bedeutung des griechischen „parousia“ ist, macht eine Stelle aus dem Brief an die Philipper deutlich. Der Apostel Paulus kann den Gläubigen dort bezeugen, dass sie allezeit gehorsam gewesen waren, „nicht allein in meiner Anwesenheit, sondern jetzt viel mehr in meiner Abwesenheit“ (Kap. 2,12). „Parousia“ ist also das Gegenteil von Abwesenheit. Doch entsprechend dem Zusammenhang kann das Wort auch durch „Ankunft“ wiedergegeben werden: „Gott tröstete uns durch die Ankunft des Titus“ (2. Kor 7,6). Er war gekommen und war nun da.

Das ist auch die Bedeutung, wenn von der Ankunft Christi gesprochen wird. In unserer Stelle in 1. Johannes 2 wird somit nicht direkt von dem Kommen des Herrn Jesus gesprochen, sei es zur Entrückung oder zur Aufrichtung Seines Reiches, sondern von Seiner Anwesenheit oder Gegenwart, die das Ergebnis Seines Kommens ist. Dieser Zustand Seines Gegenwärtig-Seins wird in unserem Vers interessanterweise noch mit einem zweiten Wort umschrieben: offenbart werden. Erst dieser Zusatz macht klar, dass es sich hier um die machtvolle Gegenwart des Herrn handelt, wenn Er den Menschen in Seiner Herrlichkeit sichtbar werden wird – um Seine Erscheinung also.

Die angegebene Bedeutung von „Ankunft“ ist auch für das Verstehen von 1. Korinther 15, Vers 23, wichtig, wo von der „Ordnung“, das heißt der Reihenfolge in der ersten Auferstehung die Rede ist: „… dann die, die des Christus sind bei seiner Ankunft.“ Dieser Ausdruck umfasst mehr Gruppen von Heiligen als nur die, die an der Entrückung teilhaben. So werden zum Beispiel die Gläubigen von Offenbarung 20 („Und sie wurden lebendig und herrschten …“, Vers 4) tatsächlich erst auferweckt, nachdem der Herr in Gericht und Herrlichkeit erschienen ist; und doch bilden sie einen Teil derer, die des Christus sind bei Seiner Ankunft. Das unterstreicht die Bemerkung zu Anfang: Das Wort „Ankunft“ wird in diesem Sinn sowohl im Blick auf die himmlischen Heiligen als auch die irdischen Heiligen benutzt. „Ankunft“ kann sich auf die Entrückung der Heiligen ebenso beziehen wie auf die Erscheinung des Herrn in Macht und Herrlichkeit.

Der Apostel Johannes appelliert nun an seine Kinder, in Christus zu bleiben, treu zu bleiben; denn er wollte nicht beschämt werden bei Seiner Ankunft, sondern Freimütigkeit haben, wenn Er offenbart wird. Damit sind wir bei der Konjunktion „wenn“. Dieses „wenn“, das Johannes besonders in seinen Briefen häufig gebraucht, ist kein zeitliches, sondern ein bedingendes „wenn“ (gr. eän). Am besten könnte man es wiedergeben mit: „Wenn der Umstand eintritt, dass …“, wobei nicht der erwartete Umstand ungewiss ist, sondern der Zeitpunkt, wann er eintritt. Der Apostel sagt also: „Wenn der Umstand eintritt, dass Er offenbart wird“ – nun, dann wollte er nicht Beschämung empfinden, weil seine Kinder etwa nicht treu geblieben waren.

Im zweiten Vers des dritten Kapitels erhält dieses bedingende „wenn“ eine noch größere Wichtigkeit:

„Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“

Der Welt ist es noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen es jedoch bereits. Wenn nämlich der Umstand eintritt, dass es (oder: dass Er) offenbar wird, dann werden wir Ihm gleich sein. Es ist keine Frage der Zeit wie in Kolosser 3:

„Wenn (oder: wann) der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ (Vers 4).

Dieses zeitliche „wenn“ (gr. hötan), das einem „wann“ entspricht, würde in I.Johannes 3 nicht angemessen sein, ja, nicht der Wahrheit entsprechen. Denn tatsächlich werden wir Ihm schon gleich sein, wenn Er uns zu Sich nimmt, und nicht erst, wenn der Zeitpunkt Seiner Offenbarwerdung gekommen ist. Aus Stellen wie 1. Korinther 15, Verse 51.52, und l.Thessalonicher 4, Verse 16.17, wissen wir, dass unsere Verwandlung beim Augenblick Seines Kommens für uns erfolgt. Wir müssen und wir werden Ihm gleich sein, um in den Himmel einzugehen, um Ihn zu sehen, wie Er ist. Und wir werden Ihm gleich sein, wenn Er aus dem Himmel heraustritt und der Welt Seine Herrlichkeit zeigt. Die Welt wird Seine Herrlichkeit auch in uns sehen. Aber unsere Verwandlung geschieht nicht in jener Zeit, sondern vorher. Darin liegt die Wichtigkeit des „wenn“ (eän) statt eines „wann“ (hötan) in 1. Johannes 3. ChB

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2001, Seite 113

Bibelstellen: 1Joh 2, 28; 1Kor 15, 23

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