Hiskia und Jesaja

(Jes 36-39)

(Fortsetzung von Seite 19)

Der Brief Sanheribs (Jes 37,8-13)

Der Rabsake kehrte von Jerusalem zu seinem Herrn, dem König von Assyrien, zurück, der inzwischen die bei La-chis gelegene Stadt Libna angegriffen hatte (V. 8; s. Kap. 36,2). Gewiss erwartete der Rabsake, den Befehl zur Eroberung der aufsässigen Stadt Jerusalem zu empfangen, doch durch Gottes Eingreifen nahmen die Ereignisse plötzlich einen anderen Verlauf. Mehrmals durfte das Volk Gottes Seine Hilfe dadurch erfahren, dass seine Feinde von anderen Mächten bedroht und verwirrt wurden (s. 2. Chr 20,22; Jer 51,11). So geschah es auch jetzt. Sanherib hörte, dass Tirhaka, der König von Äthiopien (Heb Kusch), der auch Ägypten in seiner Gewalt hatte, gegen ihn in den Krieg zöge. Deshalb wollte er so bald wie möglich in sein Land zurückkehren. Doch vorher schickte er noch schnell eine weitere Gesandtschaft nach Jerusalem (V. 9).

Erneute Drohungen

Die Boten sind diesmal nur Überbringer einer kurzen brieflichen Botschaft an Hiskia, deren mündlich vorgetragener Inhalt den Worten des Rabsake ähnelt (V. 10-13). Doch wird Hiskia jetzt ausdrücklich als „König von Juda“ tituliert, und auch die Verhöhnung Ägyptens fehlt angesichts der Bedrohung durch den Tirhaka (vgl. Kap. 36,6). Beides deutet darauf hin, dass Sanherib seiner Sache nicht mehr so sicher war. Aber in der Verachtung des lebendigen Gottes, auf den Hiskia vertraute, und in ihrer Überheblichkeit stimmen die Botschaften der beiden siegesgewohnten Feldherren völlig überein (vgl. Kap. 36,7.18-20). Wie die Attacke des Rabsake in Kapitel 36,18-20, schließt auch der Brief Sanheribs mit dem Hinweis auf die Länder und Städte in der Umgebung Assyriens, die zum Teil bereits vor langer Zeit von seinen Vorgängern unterjocht worden waren, ohne dass deren falsche Götter sie hatten retten können (V. 11-13; vgl. Kap. 10,9-11). Gosan (2. Kon 17,6), Haran (1. Mo 11,31) und Rezeph lagen in Mesopotamien, die Lage von Eden, Telassar, Hena und Iwa ist nicht bekannt (zu Hamath, Arpad, Sepharwaim s. Kap. 36,19).

Die Antwort Gottes (Jes 37,14-38)

Das glaubensmäßige Wachstum Hiskias in dieser Zeit der Bedrängnis ist bemerkenswert. Zu Anfang hatte er noch das Gold des Tempels des Herrn abgebrochen, um Sanhe-rib zu besänftigen (2. KÖn 18,15.16). Dann, als die Not größer wurde, ging er in das Haus des Herrn, sandte aber noch Mittler zu Jesaja, dem Propheten Gottes.

Hiskias Gebet

Jetzt aber nimmt Hiskia den Brief des Feindes, geht hinauf in das Haus des Herrn und breitet ihn vor Ihm aus (V. 14). Was für ein wahrhaft kindliches Vertrauen spricht aus dieser Handlungsweise! So dürfen auch wir alle unsere Anliegen durch Gebet und Flehen mit Danksagung vor unserem Gott kundwerden lassen (Phil 4,6). In seinem Gebet erkennt Hiskia zunächst die Größe und Herrlichkeit seines Gottes an. Dann erst legt er sich und sein Volk ganz in die Hand des Herrn der Heerscharen, des Gottes Israels, der zwischen den Cherubim thront, des Schöpfers von Himmel und Erde und des allein wahren Gottes (Verse 15 und 16). Er erwähnt nicht nur, dass San-herib alle Länder der Umgebung verwüstet und deren Götter, die ja nur menschliches Machwerk waren, verbrannt hat, sondern auch, dass er den lebendigen Gott verhöhnt hat. Ihn, den er nun voller Vertrauen „Herr, unser Gott“ nennt, bittet er um Errettung aus der Hand des Feindes, „damit alle Königreiche der Erde wissen, dass du allein der Herr bist“ (Jes 37,17-20).

Sehen wir in den letzten Worten nicht einen prophetischen Hinweis auf die zukünftige Zeit des Tausendjährigen Reiches, in der nach der Vernichtung der Feinde „die Erde voll der Erkenntnis des Herrn sein wird, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (Kap. 11,9)?

Die Botschaft Jesajas

Gott lässt Hiskia, der in seiner Not zu ihm geschrien und gefleht hat, nicht ohne Antwort. Durch den Propheten Jesaja, der auch jetzt Sein Sprachrohr ist, tröstet Er den so bedrängten König, obwohl Er bereits einmal das Ende des Königs Sanherib angekündigt hat (s. V. 6.7). Als „der Herr, der Gott Israels“, stellt Er sich jetzt auf die Seite Hiskias und des geängstigten Volkes von Juda. Er gibt Hiskia zunächst die tröstliche Gewissheit, dass Er alles gehört hat, was dieser wegen Sanheribs, des Königs von Assyrien, zu Ihm gebetet hat (Jes 37,21). Dann lässt Er ihn Seine Antwort wissen, deren erster Teil (V. 22-29) ein prophetischer Ausspruch über den König von Assyrien ist, während der zweite Teil (V. 30-35) sich an Hiskia und das Volk von Juda richtet.

Als Erstes wird dem Feind seine Niederlage vor der Stadt Gottes angekündigt. Es war wohl David, der den schönen Namen „Tochter Zion“ für Jerusalem geprägt hat (s. PS 9,14; vgl. Jes 1,8; 10,32; 16,1; 52,2; 62,11). Ihm lag diese Stadt ja besonders am Herzen, weil dort der Ort war den der Herr in Gnade zu Seiner Wohnung erwählt hatte. Diesem lieblichen Namen wird hier noch das Beiwort „Jungfrau“ vorangestellt, denn Jerusalem sollte unberührt und unbesiegt aus der Belagerung durch die Assy-rer hervorgehen. Während der Feind unverrichteter Dinge abzieht, schaut sie ihm spottend und kopfschüttelnd nach (V. 22; vgl. Ps 22,7).

Der Grund für den schmählichen Rückzug wird sogleich genannt: Sanherib hat nicht nur das Volk Gottes verspottet, sondern er hat den Heiligen Israels (s. Kap. 1,4) in hochmütiger Weise verhöhnt und gelästert (V. 23; s. Kap. 36,20; 37,10.17). Auch die Knechte Sanheribs hatten in seinem Auftrag sowohl den Herrn verhöhnt als auch mit ihren Siegen über die verschiedenen Länder geprahlt (s. Kap. 36,18 f.; 37,10 f.; vgl. Kap. 10,7). Hier werden der stolze Libanon mit seinen hoch aufragenden Zedern, die wasserlosen Gegenden im Süden Israels und schließlich das fruchtbare Land Ägypten genannt, die der Assyrer erobert hat oder noch erobern will. In seiner Überheblichkeit meint er, nichts könne seiner gewaltigen Militärmacht widerstehen (V. 24.25).

Doch dann muss der König von Assyrien aus dem Mund Dessen, den er in seiner Torheit mit den nichtigen Götzen der von ihm eroberten Länder auf eine Stufe gestellt hat. die Frage vernehmen: „Hast du nicht gehört, dass ich von fernher es gewirkt und von den Tagen der Vorzeit her es gebildet habe?“ (Jes 37,26). Nicht seine Übermacht hat ihm alle Siege verschafft, sondern Derjenige, in dessen Hand er nur ein Werkzeug ist. Dadurch allein war er imstande, befestigte Städte zu öden Steinhaufen zu machen und ihre machtlosen Bewohner wie kurzlebige Feldgewächse mühelos zu vernichten (V. 27; s. Kap. 10,5). Doch hat er seine Macht in entsetzlicher Weise missbraucht und vor allem in maßloser Überheblichkeit gegen den wahren Gott getobt, der doch alle seine Gedanken und Wege völlig kennt (V. 28; s. Kap. 10,7-11.13-15). Das Urteil lautet: „Ich werde meinen Ring in deine Nase legen und meinen Zaum in deine Lippen und werde dich zurückführen auf dem Weg, auf dem du gekommen bist“ (V. 29). Wie ein unverständiges, widerspenstiges Tier (vgl. Ps 32,9) würde Gott ihn bändigen und in sein Land zurückbringen (V. 29).

Nach dem Urteilsspruch über den König von Assyrien, der jedoch noch nicht vollständig ist (s. Jes 37,33-35), wendet der Prophet sich an das Volk von Juda. Er verheißt dem König Hiskia ein Zeichen der gnädigen Fürsorge Gottes für Sein leidgeprüftes Volk. In diesem Jahr würden die Menschen zwar nur dasjenige essen, was sich nach der vorigen Ernte von selbst ausgesät hatte, da sie wegen der Belagerung ihre Felder nicht hatten bestellen können. Aus dem gleichen Grund würden sie auch im nächsten Jahr nur das essen, was von selbst gewachsen war. Aber im dritten Jahr würden sie wieder säen, ernten und essen, und zwar nicht nur das, was zum Leben nötig ist, sondern sie würden sogar vom Wein, dem Bild der Freude, genießen können (V. 30; vgl. Ps 104,15).

Die folgenden beiden Verse beschreiben das Ergebnis des gnädigen Handelns Gottes mit Seinem irdischen Volk. Sie weisen jedoch deutlich auf die Endzeit hin, wenn der Assyrer bei seinem letzten Angriff von Gott vernichtet und der Überrest Seines irdischen Volkes reichen Segen empfangen wird. Jetzt sollte es ja nur ein Jahrhundert bis zur Wegführung Judas in die babylonische Gefangenschaft dauern, doch in der Zukunft wird kein Feind es je wieder in Gefahr bringen. Erst dann wird das „Entronnene vom Haus Juda, das übrig geblieben ist, wieder wurzeln nach unten und Frucht tragen nach oben“ (V. 31). Jerusalem und der Berg Zion werden Ausgangspunkt und Zentrum des Wiederauflebens des Überrestes sein (vgl. Kap. 2,3: 4,3; 35,10; 51,11).

Der endzeitliche gläubige Überrest von Juda, von dem Jesaja so oft redet, hat für Gott einen ganz besonderen Wert, denn er stellt den Teil des irdischen Volkes dar, der in Buße zu seinem Gott umkehren und von Ihm als Sein Volk anerkannt werden wird (s. Kap. 10,20-22; 11,11.16; 28,5: 46,3). „Der Eifer des Herrn der Heerscharen (Heb Jehova Zebaoth) wird dieses tun.“ Mit feierlichen Worten schließt dieser Teil der Weissagung Jesajas (V. 32). Es sind die gleichen Worte, mit denen der bekannte messianische Abschnitt über den Herrscher im Tausendjährigen Reich in Kapitel 9,7 endet. Nicht menschlicher Eifer und menschliches Bemühen wird dies bewirken, sondern der allmächtige Gott, der über alles gebietet und Seine Ehre keinem anderen gibt (vgl. Kap. 42,8).

(Schluss folgt)
A. R.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2003, Seite 42

Bibelstellen: Jes 37, 8-38

Stichwörter: Hilfe, Hiskia, Not, Sanherib