Hierher oder dorthin?

Deshalb wendet sich hierher sein Volk“ (Ps 73,10).

Dieser Vers wirft Fragen auf:

Erstens: Wer ist „sein Volk“?

Zweitens: Wo ist „hierher“?

Und drittens: Warum wendet sich das Volk dorthin?

Die Antworten wird uns der Zusammenhang zeigen.

Die erste Frage macht der Anfang von Psalm 73 klar: Es ist Israel, das Volk Gottes, das Er in Seinem Wort oft benutzt, um uns gläubigen Christen heute etwas zu zeigen.

Wohin wandte Israel sich damals? – Es wandte sich zu den ungläubigen Menschen, die hier beschrieben werden als übermütig, gesetzlos, wohlgenährt, hochmütig, gewalttätig, eingebildet, von hochfliegenden Gedanken, aber niederträchtiger Gesinnung (V 3-9).

Es verbleibt die dritte Frage: Warum wandte sich das Volk des lebendigen Gottes zu solchen Menschen? Warum übte gerade diese Art von Personen Anziehung auf sie aus? – Das alles brauchte uns wenig zu interessieren, wenn wir nicht dasselbe heute noch feststellen könnten; wenn es uns bei genauerem Nachdenken nicht so bekannt vorkäme; mehr noch: wenn wir die gleiche Neigung nicht schon im eigenen Herzen entdeckt hätten.

Es ist ein uraltes Problem, dem Gott schon im Gesetz begegnen wollte: „Höre, Israel: Der HERR, unser Gott, ist ein HERR! Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. … So hüte dich, dass du den HERRN nicht vergisst!“ (5. Mo 6,4.5.12).

Im Garten Eden hatten dem Teufel wenige Worte und eine Frucht genügt, um Eva und Adam vom Gehorsam gegenüber Gott abzubringen. Israel war kaum aus der Sklaverei befreit, und schon wurde die Lust nach den „Fleischtöpfen Ägyptens“ in ihnen wach. Wenig später – Mose war noch auf dem Berg Sinai und bekam dort von Gott das Gesetz ausgehändigt – machte Aaron auf Verlangen des Volkes das goldene Kalb, das sie zu verehren begannen.

Es ist das Problem der Lust des Fleisches, der Lust der Augen und des Hochmuts des Lebens – eben alles dessen, was „die Welt“ und ihre Anziehungskraft ausmacht, die wir nur zu gut kennen.

„Deshalb wendet sich hierher sein Volk.“ Deshalb – weil sie es zulassen, dass ihre Augen gefesselt werden und ihr Inneres sich füllt mit dem, was für die Natur immer attraktiv ist: der Ungebundenheit, dem Übermut, dem materiellen Reichtum, der scheinbaren Sorgenfreiheit, dem Einfluss, der Macht.

Wir wären naiv, wollten wir erwarten, dass solche Dinge ihre Anziehungskraft auf unser Fleisch irgendwann verlieren. „Das Fleisch nützt nichts.“ Es wird bis zum letzten Augenblick unseres Lebens auf der Erde den ausgeprägten Hang behalten zu „dem, was nicht von dem Vater, sondern von der Welt ist“.

Es ist ganz eine Frage unserer inneren Haltung. Unsere Reaktion auf die Angebote der ungläubigen Umwelt beweist, ob wir zu den Geistlichen oder aber zu den Fleischlichen, den „Unmündigen in Christus“ gehören (1. Kor 3,1).

Es ist der Unterschied, der schon Lot von Abraham trennte. Sie beide waren Gerechte, hatten Leben aus Gott. Der eine konnte so wenig wie der andere verloren gehen. Doch der eine wandte sich nach Sodom, weil die JordanEbene ihm attraktiv erschien, während der andere sich zu Gott wandte. Er hatte die Prioritäten anders gesetzt. Wie viel gesegneter, wie viel glücklicher, wie viel ehrenvoller für Gott war das Leben Abrahams, verglichen mit dem Leben Lots!

Es ist eine Sache, der Stellung nach zum Volk Gottes zu gehören. Es ist eine andere Sache, dieser Stellung entsprechend auch praktisch zu leben – die Welt als eine Wüste zu betrachten und sie so zu erfahren, aber auf dem Weg durch sie hindurch die Quellen Gottes zu finden.

Möchte sich dorthin Sein Volk wenden!

F U.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2006, Seite 373

Bibelstellen: Ps 73, 10