Dies ist das ewige Leben

Gerechtigkeit – Merkmal der Kinder Gottes

1. Johannes 2,28 – 3,10

(Fortsetzung von Seite 320)

Dritter Gegensatz: Kinder Gottes – Kinder des Teufels

In den nächsten beiden Versen kommt ein dritter Gegensatz zwischen den beiden Familien vor uns. Und hier werden die beiden Familien zum ersten Mal direkt genannt und einander gegenübergestellt. In Vers 9 wird uns gezeigt, was typisch ist für die, die „aus Gott geboren“ sind: was sie tun, oder besser, was sie nicht tun. Was dagegen für die typisch ist, die „nicht aus Gott“ sind, macht dann Vers 10 deutlich. Hier werden ebenfalls zwei Dinge genannt, die diese Menschen nicht tun.

Bei der Gegenüberstellung wird auf bereits Gesagtes zurückgegriffen – auf Gedankengänge, mit denen wir bereits vertraut gemacht worden sind. Aber es kommen neue Gedanken hinzu, die wir in dieser Form noch nicht vor uns hatten. Sie vertiefen die Beweisführung des Apostels gegenüber den falschen Lehrern und den Verführern und stärken den Glauben der Kinder Gottes.

Aus Gott geboren

„Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist“ (V. 9).

Selbst für viele aufrichtige Christen stellt dieser Vers eine ernsthafte Schwierigkeit dar. Es ist ihnen ein Rätsel, wie von ihnen gesagt werden kann, dass sie nicht mehr sündigen könnten, wissen sie doch aus eigener Erfahrung, dass sie eben doch – leider – immer wieder in die eine oder andere Sünde fallen. Das schmerzt sie, ist aber die Wahrheit. Wie ist diese Erfahrung mit der Aussage des obigen Verses vereinbar?

Nun, wenn wir uns besser an das erinnern könnten, was wir in dieser Beziehung in diesem Brief bereits gesehen haben, würde uns die Lösung des Problems durchaus nicht schwer fallen. Tatsache ist jedoch, dass wir die infrage kommenden Gedanken und Schriftstellen eben nicht immer sogleich parat haben und dass dann ein solcher Vers Schwierigkeiten aufwirft. Wir wollen daher diese Situation als Gelegenheit dafür aufgreifen, noch einmal mit aller Sorgfalt, gleichsam Punkt für Punkt, der Lösung der Frage näher zu kommen. Damit erhalten wir auch eine Art Zusammenfassung dessen, was zu diesem Fragenkomplex gehört und was wir zur besseren Erinnerung am neunten Vers von 1. Johannes 3 festmachen wollen. Doch, wie bemerkt, es kommen auch neue Elemente hinzu, die das Bild weiter abrunden.

Zuerst wird also der Gläubige als „aus Gott geboren“ gekennzeichnet. Diese Beschreibung begegnet uns nur in den Schriften des Johannes, und wir hatten sie in diesem Brief schon in Kapitel 2,29 vor uns. Hier in Kapitel 3 heißt es nun wörtlich: „Jeder aus Gott Geborene.“ Die griechische Präposition „ek“ (= aus) weist auf den Ursprung der Sache hin: Das Geboren- oder Gezeugt-Werden der Kinder hat Gott zum Ursprung. Das ist das Erste. Dann steht der Ausdruck „geboren“ oder „Geborener“, wo immer er bei Johannes vorkommt, stets in der Perfekt-Form. In unserem Fall sagt sie Folgendes aus: Er ist aus dieser Quelle geboren worden und ist es noch; er ist aus Gott geboren, ist ein Kind Gottes geworden und bleibt in diesem Zustand, bleibt ein Kind Gottes. Allein das Erfassen dieser beiden Tatsachen ist geeignet, jeden Zweifel zu verbannen und uns stattdessen tiefen Frieden zu verleihen.

Aber dann kommt die Aussage: „… tut nicht Sünde.“ Das ist eine abstrakte Feststellung, die Grundsätzliches aussagt und von jedem Kind Gottes wahr ist. Es handelt sich nicht um eine Ermahnung und ist auch nicht eine Frage des Fortschritts und Wachstums, sondern es geht ganz um die Natur der Sache. Abstrakte Aussagen stehen normalerweise in der Präsens-Form (Gegenwartsform). Neben dem, was grundsätzlich wahr ist, drückt sie Linearität aus, beschreibt also eine im Verlauf befindliche, andauernde Handlungsweise. So auch hier: „Er tut nicht Sünde.“ Johannes hat nicht irgendeinen besonderen Fall von Sünde vor sich, hat auch nicht irgendwelche Einschränkungen im Auge, die sich durch unsere Praxis ergeben mögen, sondern er stellt die Sache vor, wie sie tatsächlich ist: Das Kind Gottes tut nicht (unentwegt, beständig, fortwährend) Sünde. Das wäre seiner Natur völlig entgegen.

Jedes Geschöpf handelt oder lebt gemäß seiner Natur, die ihm vom Schöpfer gegeben ist. Der Fisch beispielsweise hat die Natur eines Fisches und lebt dieser Natur nach im Wasser. Der Vogel hat die Natur eines Vogels, und demgemäß ist sein Lebensbereich nicht das Wasser, sondern die Luft. Und was in sittlicher Hinsicht den Menschen angeht: Er hat, seitdem er in Sünde gefallen ist, eine sündige Natur, eine Natur der Sünde, und es entspricht dem Wesen dieser Natur, dass er sündigt. Deswegen muss der Mensch, wenn sich das grundlegend ändern soll, eine neue Geburt erleben, wie der Herr Jesus gesagt hat: „Ihr müsst von neuem geboren werden“ (Joh 3,7).

Nun, der gläubige Mensch hat diese neue Geburt erfahren und dabei durch die Kraft des Geistes Gottes eine neue Natur verliehen bekommen – ein neues, geistliches, göttliches Leben, das Christus selbst ist. Und hier gilt: „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist“ (Joh 3,6). Dieses neue Leben kann sich nicht verändern, verändert aber seinerseits den Menschen vollständig. Er hat zwar noch die alte Natur, und wenn er nicht befolgt, was geschrieben steht: „Haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid“, dann sündigt er. Diese Möglichkeit wurde in unserem Brief ausdrücklich behandelt, und die Hilfsmittel dafür wurden in gesegneter Weise beschrieben (Kap. 2,1.2). Aber diese sündige Natur hat vor Gott im Tod Christi ihr Todesurteil empfangen, unser alter Mensch ist „mitgekreuzigt“ worden (Röm 6,6), und nun sieht Gott den Gläubigen nur noch in der neuen Natur. Wenn wir von der Natur des Fisches, des Vogels und des natürlichen Menschen sprachen – hier haben wir die Natur dessen, der aus Gott geboren ist: Er tut nicht Sünde. Das ist sein Wesen. So wie Eisen nicht schwimmt, so lebt der Gläubige nicht in der Sünde. Glückselige Wahrheit!

Es geht indes nicht nur darum, dass die neue Natur nicht sündigen kann, weil es eben eine sündlose Natur ist und sie von Dem kommt, der nicht sündigen kann. Das ist natürlich unbedingt wahr. Aber Johannes sagt nicht: „Das, was …“, sondern: „Jeder, der …“ Er meint nicht nur eine Sache, sondern eine Person, und diese Person tut nicht Sünde. Das macht deutlich, wie sehr der Gläubige in den Augen Gottes mit der neuen Natur identifiziert wird. So sollten auch wir es sehen! Weder ehrt es Gott noch hilft es uns, wenn wir beständig in die Gegenrichtung schauen.

Für das, was wir bisher betrachtet haben, wird noch eine Begründung gegeben: „Denn sein Same bleibt in ihm.“ Nun ist es durchaus möglich, diesen Satz wie folgt wiederzugeben (man beachte die Groß- und Kleinschreibung): „Denn Sein Same bleibt in Ihm“, womit ausgedrückt wird, dass „Sein Same“ das Kind Gottes ist, das in Ihm, in Gott, bleibt. Die Luther-Übersetzung folgt dieser Möglichkeit. Doch der Zusammenhang scheint anzudeuten, dass mit „sein Same“ das ewige Leben gemeint ist, das der aus Gott Geborene empfangen hat und wovon Christus selbst die Quelle und der vollkommene Ausdruck ist. Dieses ewige, göttliche Leben bleibt dem Kind Gottes als unverlierbares Gut erhalten, und es ist gleichsam der „Same“ für das Hervorbringen der verschiedenen Äußerungen oder Früchte dieses Lebens.

Der Nachsatz führt den Gedankengang fort: „Und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.“ Der Infinitiv (Nennform) „sündigen“ steht im Griechischen ebenfalls im Präsens (Gegenwartsform; im Deutschen nicht erkennbar), womit wiederum die Gewohnheit des Sündigens ausgedrückt wird, nicht das Begehen einer Sünde: Er kann nicht (gewohnheitsmäßig, bedenkenlos, ständig) sündigen. Man könnte auch sagen: Er ist kein Sünder. Weil er aus Gott geboren ist und sein geistliches Leben von Ihm empfangen hat, kann er nicht mehr in der angegebenen Weise sündigen. Das ist ganz unmöglich. Wir haben ja schon die Kraft solcher abstrakten Aussagen kennen gelernt und, wie zu hoffen ist, erfreuen wir uns ihrer auch. Die neue Natur, die für den Gläubigen kennzeichnend ist, wird ihn nie, kann ihn nie zur Sünde verleiten.

Das alles ist kennzeichnend für die ganze Familie der Kinder Gottes.

Es sei schließlich noch bemerkt, dass das, was heute noch eine abstrakte Wahrheit darstellt, bald in absoluter Weise von uns wahr sein wird. Wenn der Herr Jesus kommt, um uns zu Sich zu nehmen – dorthin, wo alles Licht und Liebe ist -, werden wir das „Fleisch“, die sündige Natur, nicht mehr an uns tragen. Dann wird die Aussage auf jeden von uns völlig und uneingeschränkt zutreffen: „Er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.“ Dieses „Kann nicht“ birgt einen tiefen Trost für jedes Kind Gottes in sich, das heute noch über sein mannigfaches Versagen betrübt ist!

Kinder des Teufels

Mit einem „Hieran“ (oder wörtlich: „In diesem“) knüpft der Apostel an das eben Gesagte an und führt den Gedankengang fort:

„Hieran sind die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels offenbar. Jeder, der nicht Gerechtigkeit tut, ist nicht aus Gott, und wer nicht seinen Bruder liebt“ (1. Joh 3,10).

Das „Hieran“ blickt zurück auf Vers 9, blickt aber auch voraus auf Vers 10. In Vers 9 hatte Johannes gezeigt, was für die Kinder Gottes typisch ist. In Vers 10 charakterisiert er die Kinder des Teufels. Hier werden die beiden Familien direkt einander gegenübergestellt.

Ehe wir uns mit den Merkmalen der zweiten Familie beschäftigen, wollen wir eben bei dem so ernsten Ausdruck „Kinder des Teufels“ selbst stehen bleiben. Er kommt in Gottes Wort nur hier vor, erinnert uns aber an die „Söhne Belials“ in 2. Samuel 23,6. Auch hat der Herr Jesus in ähnlicher Weise gesprochen. Im Gleichnis vom „Unkraut im Acker“, erklärte Er das „Unkraut“ als die „Söhne des Bösen“ (Mt 13,38). Und in Seinem Gebet in Johannes 17 bezeichnet Er Judas Iskariot, der Ihn überliefern würde, als „Sohn des Verderbens“ (V. 12). In Johannes 8,44 sagt der Herr zu den Juden, die Ihn zu töten suchten: „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun.“ Auch Elymas, der Zauberer, wird ein „Sohn des Teufels“ genannt (Apg 13,10). Offensichtlich wird mit dem Ausdruck „Sohn“ auf eine gewisse „Verwandtschaft“ des Charakters hingewiesen. Wie furchtbar, wie ganz und gar verhängnisvoll ist es, wenn jemand in dieser Weise in einem Atemzug mit dem Teufel genannt wird! Er wird auch dessen Los mit ihm teilen.

Beachten wir, wie jeder Einzelne der Familie des Teufels hervorgehoben wird: „Jeder, der …“ Es ist eine ganz persönliche Sache, um die es geht. Keiner kann sich in der Masse vor Gott verstecken. Jeder Einzelne ist für sein Tun vor Gott verantwortlich. Dennoch wird jeder von ihnen unterschiedslos daran als Kind des Teufels erkannt, dass er grundsätzlich zwei Dinge nicht tut: Er tut nicht die Gerechtigkeit, und er liebt nicht seinen Bruder.

Das ist eine zusammenfassende Feststellung dessen, was ab Kapitel 2,29 bis Kapitel 3,10a gesagt worden ist. Johannes knüpft an das in Kapitel 2,29 Gesagte an, drückt es aber jetzt negativ aus: „Jeder, der nicht Gerechtigkeit tut, ist nicht aus Gott“ – ist nicht aus Gott geboren, ist nicht eines von den Kindern Gottes (Kap. 3,1), ist vielmehr eines von den „Kindern des Teufels“ (Kap. 3,10a).

Ein zweiter negativer Charakterzug kommt hinzu: „… und wer nicht seinen Bruder liebt.“ Wenn „Gerechtigkeit“ die praktische Übereinstimmung mit unseren Beziehungen ist, so sind diese Beziehungen für uns Gläubige tatsächlich zweifach. Sie bestehen zuerst einmal im Blick auf Gott selbst (Kap. 1,3). Aber darin eingeschlossen sind auch unsere Beziehungen als Gläubige untereinander (Kap. 1,7). Insofern ist die Liebe zu den Brüdern ein Teil des „Tuns der Gerechtigkeit“ – ein Vollbringen dessen, was vor Gott recht ist. Unsere Beziehungen zu unseren Brüdern können ihren eigentlichen, von Gott gewollten Ausdruck nur in der Liebe zu den Brüdern finden. Wenn nun Johannes sagt, dass der, der „seinen Bruder nicht liebt“, nicht aus Gott ist, so zieht er damit einen entscheidenden Trennungsstrich zwischen den Kindern Gottes und den Kindern des Teufels. Seinen Bruder nicht zu lieben ist eine besondere Form davon, dass man nicht die Gerechtigkeit tut. Wo jedoch das Merkmal der Bruderliebe fehlt, besteht überhaupt keine göttliche Beziehung.

Der Frage „Hat jemand, der nicht aus Gott geboren ist, einen Bruder?“ sind wir bereits in Verbindung mit Kapitel 2,9-11 nachgegangen. Hier wie überall in diesem Brief betrachtet der Apostel den Menschen entsprechend seinem Bekenntnis. Das mag hier als Erklärung genügen. Eine sorgfältige Definition dessen, was Johannes unter einem „Bruder“ versteht, finden wir in Kapitel 5,1: „Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren; und jeder, der den liebt, der geboren hat, liebt auch den, der aus ihm geboren ist.“

Johannes meint mit „Liebe“, wenn sie sich auf Menschen richtet, immer die Liebe zu den Brüdern. Er sieht nicht den Menschen allgemein als Bruder. Der Hass Kains zu seinem leiblichen Bruder ist nur eine Illustration davon, wie die Welt die Kinder Gottes hasst (Kap. 3,12.13).

Die Liebe zu den Brüdern ist daher nicht zu verwechseln mit der Liebe den Menschen gegenüber, zu der zum Beispiel der Herr in der Bergpredigt Seine Jünger auffordert (Mt 5,43 ff.). Sie ist auch weit edler als diese. Doch davon später. Und schon gar nicht dürfen wir sie als rein natürliche Zuneigung oder als bloße Liebenswürdigkeit missverstehen. Es ist schon bemerkt worden, dass selbst ein Hund liebenswürdig sein kann. Gewiss haben natürliche Zuneigungen in der Welt ihren Platz, auch kann der natürliche Mensch sehr „nett“ sein und mag viel von Liebe und Duldsamkeit reden. Aber das hat nichts mit Bruderliebe zu tun. Es sollte uns sehr zu denken geben, dass gerade antichristliche Strömungen – ganz zu schweigen von fernöstlichen Religionen – größten Wert auf das Praktizieren von Liebenswürdigkeit, Duldsamkeit, Freundlichkeit, Rücksichtnahme, kurz einer edlen Denkweise legen. Selbstverbesserung und Selbsterlösung sind dabei ihre nicht immer offenkundigen Ziele. Aber die Liebe, von der Johannes spricht, ist ausschließlich von Gott. Sie ist dem natürlichen Menschen völlig unbekannt und dient keineswegs dem Erwerb irgendeines Verdienstes vor Gott.

Und doch gehen viele Antichristen gerade zum Brief des Johannes und zitieren ihn, um ihre bösen Lehren von der Bruderschaft aller Menschen und der universalen Vaterschaft Gottes zu stützen. Sie wollen uns glauben machen, dass Gott alle Menschen als Seine Kinder ansieht. Ja, sie versteigen sich zu der Behauptung, dass Jesus selbst diese ihre Lehren propagiert (verbreitet) hätte. Hat Er das wirklich? Was hat Er denn gemeint, als Er zu den Pharisäern sagte: „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun“ (Joh 8,44)? Oder zu Nikodemus: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,3)?

Der Apostel Johannes kannte seinen Herrn und Meister. Er war die dreieinhalb Jahre mit Ihm gegangen und hatte Seine göttlichen Belehrungen in sich hineingetrunken wie wohl kein anderer der Jünger. So vertraut war er mit seinem Herrn, dass er beim letzten Mahl in Seinem Schoß gelegen hatte. Jetzt war er alt geworden und schrieb als greiser Apostel, inspiriert vom Geist Gottes, diesen Brief, schrieb von den beiden Familien – den Kindern Gottes und den Kindern des Teufels. Ja, liebe Freunde, hier gibt es kein „Sowohl – als auch“, sondern nur ein „Entweder – oder“. Das haben wir sicher deutlich genug gesehen, und das sollte jeden Leser aufrütteln, der noch keine neue Geburt erlebt hat.

Und noch eine oft vertretene Ansicht wollen wir, ehe wir mit diesem Kapitel „Gerechtigkeit – Merkmal der Kinder Gottes“ zu Ende kommen, auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen. Manche Christen sprechen nämlich den Gläubigen das Recht ab, sich solch ein (vernichtendes) Urteil über andere zu bilden und sie als Kinder des Teufels einzustufen. Sie verweisen dazu auf Matthäus 7, wo der Herr Seinen Jüngern gebietet, nicht andere zu richten, damit nicht auch sie gerichtet würden; denn mit welchem Urteil sie richten würden, würden sie selbst gerichtet werden (V. 1.2).

Doch der Herr verbietet uns nicht, ein geistliches Urteil über Dinge und Personen zu haben, sondern Er warnt uns vor der Neigung, verborgene Beweggründe, die nur Gott kennt, beurteilen zu wollen. Auch sind wir schnell dabei, bei anderen böse Motive vorauszusetzen. Das ist unbedingt verwerflich. Auf der anderen Seite aber ist es unbedingt notwendig, dass wir in der Lage sind, andere recht zu beurteilen – aufgrund dessen, was wir an ihnen wahrnehmen. Wenn wir nicht das Heilige den „Hunden“ geben sollen (Mt 7,6), müssen wir sie zuvor als solche erkennen. Und wenn wir davon abgehalten würden, die „Brüder“ von den „Kindern des Teufels“ zu unterscheiden, wie könnten wir Erstere lieben? Gott erwartet von uns geistliches Unterscheidungsvermögen.

(Wird fortgesetzt) Ch. Briem

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2008, Heft 11, Seite 341

Bibelstellen: 1Joh 3, 9.10