Zu wem sollen wir gehen?

Johannes 6,30-71

In Johannes 5 sehen wir ein Abbild davon, wie Jesus Sünder aus der Welt hinausführt – wie einst Mose Israel aus Ägypten hinausführte. In Kapitel 6 sehen wir das Volk Gottes in der Wüste, wie es sich von Brot ernährt, das wertvoller ist, als das Manna, das einst vom Himmel fiel. Schließlich, in Kapitel 7, bietet Jesus am Laubhüttenfest dem Volk die Genüsse des verheißenen Landes an.

Das sechste Kapitel handelt von Gottes freigebiger Versorgung für Seine Heiligen auf ihrer Reise durch die Wüste dieser Welt. Wie Er damals Sein Volk mit dem Brot ernährte, das jeden Tag vom Himmel regnete, sättigt Er sie auch heute mit Christus, dem lebendigen Brot. Als das Brot des Lebens wird Christus in diesem Kapitel in dreifacher Hinsicht vorgestellt:

1. als Der, der aus dem Himmel herabkommt, um der Welt das Leben zu geben (V. 33),

2. als Der, der Sein Leben am Kreuz gibt, zu unserem Heil und Segen (V. 51),

3. als Der, der wieder zum Himmel auffahren wird, von woher Er kam (vgl. V. 62).

Es ist bemerkenswert, dass jede dieser Mitteilungen die Kritik und den Widerspruch Seiner Zuhörer hervorrief. Die Juden murrten, weil Er sagte, dass Er vom Himmel herabkam. Sie waren erneut aufgebracht, als Er von Seinem Opfertod sprach. Und in Vers 66 sehen wir, dass sich sogar viele Seiner Jünger an der Wahrheit Seiner Himmelfahrt stießen. So brachten die drei Grundlagen des christlichen Glaubens – Seine Menschwerdung, Seine Kreuzigung und Seine Himmelfahrt – die Sünde und den Unglauben des menschlichen Herzens ans Licht, wie es auch heute noch geschieht.

In krassem Unglauben forderten die Juden Ihn heraus: „Was tust du nun für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was wirkst du? Unsere Väter aßen das Manna in der Wüste“ (Kap. 6,30-31) – und dabei hatten sie doch soeben erlebt, wie Er die Volksmenge gespeist hatte. Diese Kinder waren genauso ungläubig, wie ihre Väter es in der Wüste gewesen waren. Auch sie nennen die himmlische Speise „Manna“ (Was ist das?), genau wie ihre Väter das Brot, das Gott ihnen gesandt hatte, „Manna“ nannten, weil sie es nicht kannten. So hatte die Nation sich nicht verändert, denn noch immer verwarfen sie den, der als das Brot Gottes vom Himmel kam. „Eure Väter haben das Manna in der Wüste gegessen und sind gestorben“, sagt der Herr, weil es sich ja nur um eine irdische Nahrung gehandelt hatte (V. 49), doch dann hören wir die erstaunliche Aussage: „Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt“ (V. 51). Kein Wunder, dass diese Menschen, durch ihren Unglauben verblendet, murrten: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“ Jesus erklärt ihnen Seine Worte nicht, sondern wiederholt und betont sie lediglich: „Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst“ (V. 53).

„Ich bin das lebendige Brot”, sagt Er. Diese Aussage geht noch weiter als „das Brot des Lebens“ in Vers 35. Lebendiges Brot hat nicht nur Leben, sondern ist auch fähig, anderen Leben mitzuteilen. Wir können das vergleichen mit dem Ausdruck „lebendiges Wasser“ in Johannes 4. Es bedeutet Brot, das getränkt ist mit dem Heiligen Geist, wie das lebendige Wasser den Heiligen Geist darstellt. Jesus ist das lebendige Brot. Er gibt Leben und erhält Leben.

Diese doppelte Bedeutung wird in den Versen 53 und 54-58 festgestellt. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben.“ Das ist das Mitteilen des ewigen Lebens, wenn die Seele Christus im Glauben annimmt (Vers 53). Dann aber haben wir in den Versen 54 und 56 die Erhaltung dieses göttlichen Lebens, wenn der Gläubige sich von Christus als dem lebendigen Brot ernährt: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm.“ Hier geht es um ständige Gemeinschaft. Dieselbe Wahrheit ist auch in Vers 35 zu finden, wo der Herr sagt, dass der, der zu Ihm kommt, nicht hungern wird. In allen diesen Fällen bezeichnet die Form des Tätigkeitswortes ein anhaltendes, ständiges Kommen an. Genauso wie wir unseren körperlichen Hunger stillen, indem wir regelmäßig zu unseren Mahlzeiten kommen, so werden wir auch niemals hungern, wenn wir täglich zu Christus kommen und uns von dem lebendigen Brot nähren. In Vers 63 dieses Kapitels sagt der Herr uns, dass die kostbaren Dinge, über die Er gesprochen hat, Geist und Leben sind.

Bis zu diesem Punkt hatten lediglich die Feinde des Herrn etwas an Seinen Worten auszusetzen, doch jetzt beschweren sich auch noch Seine Jünger. Zumindest viele von ihnen gingen zurück und zogen nicht mehr mit Ihm umher. Wenn sie sich schon an der Bemerkung über Sein Kommen vom Himmel zur Errettung von Menschen und an der Wahrheit Seines Sterbens für schuldige Sünder stießen, was ist dann, so fragt der Herr sie, „wenn ihr nun den Sohn des Menschen dahin auffahren seht, wo er zuvor war?“ Dass er vom Sterben und Blutvergießen sprach und davon, dass Menschen sein Fleisch essen und sein Blut trinken sollten, erschien ihnen als gesetzestreuen Juden abstoßend. Aber dass Er zum Himmel auffahren würde, von wo Er gekommen war, das war zu viel für sie.

Die Juden erwarteten, dass der Messias auf die Erde kommen würde, um sie zu befreien und um eine herrliche Regierung in Zion anzutreten. Die Jünger hatten geglaubt, dass Er wirklich der Messias war, und konnten daher diesen neuen Gedanken Seiner Himmelfahrt nicht verstehen. Diese Wahrheit der Rückkehr des Herrn in den Himmel war für die Versammlung bestimmt, und der Herr entfaltete sie später, als Er in der Nacht Seiner Überlieferung im Obersaal mit Seinen Jüngern allein war. Doch für den Moment war genug gesagt, um viele Seiner bisherigen Jünger zu vergrämen und die, die blieben, zu verwirren.

Dasselbe gilt auch heute. Für die meisten ist Christus nicht mehr als einer, der kam, um sie und die Welt zu verbessern. Viele rechnen mit der Bekehrung dieser Welt durch die Verkündigung des Evangeliums. Der natürliche Mensch erkennt nicht die Wahrheit des Wortes, dass Christus nicht nur aus den Toten auferstanden ist, sondern auch aufgefahren ist zur Rechten des Thrones Gottes. Dort ist Er, um die Herzen der Seinen dahin zu ziehen, wo Er ist (vgl. Kol 3,1), um „ein Volk für seinen Namen“ aus dieser Welt herauszurufen. Die Wahrheit von der Versammlung als einem himmlischen Leib, mit Christus als ihrem Haupt in der Herrlichkeit, ist in der „religiösen Welt“ praktisch unbekannt und auch nicht erwünscht. So gingen sie zurück und zogen nicht mehr mit Ihm umher.

Dann wendet sich Jesus an die Zwölf und sagt: „Wollt ihr etwa auch weggehen?“ Hören wir die inspirierte Antwort von Petrus: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist“ (V. 68.69). Petrus fragt nicht „wohin“, sondern „zu wem sollen wir gehen?“ Das hat eine tiefe Bedeutung. Damit drückt er aus, dass der Mensch eine Person als Anziehungspunkt nötig hat, etwa so: „Wenn Du nicht der bist, der unsere Herzen anzieht, dann müssten wir uns ja einen anderen suchen.“ Der Mensch huldigt entweder sich selbst als Mittelpunkt, um den sich alles dreht, oder einer anderen Person, oder Er huldigt Gott – aber huldigen muss er. Später kommt Petrus hierauf zurück und schreibt in seinem ersten Brief: „Zu ihm kommend als zu einem lebendigen Stein … werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut … ein heiliges Priestertum, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesus Christus“ (Kap 2,4.5).

Der Herr ist unser Anziehungspunkt, das ist die Botschaft, die Petrus für uns hat. Auch wenn wir nicht alles verstehen, was unser Herr sagt und tut, lieben wir Ihn dennoch; Er hat unsere Herzen gesättigt, und wir möchten nahe bei Ihm sein. Petrus legt zwei herrliche Bekenntnisse ab: „Du hast Worte ewigen Lebens“ (V. 68) und „Du bist der Heilige Gottes“ (V. 69). Da bleibt kein Bedürfnis des Herzens unbefriedigt.

A. van Rijn

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2008, Heft 8, Seite 247

Bibelstellen: Joh 6, 30-71