In Gott, vor Gott, von Gott

Diese auf den ersten Blick etwas seltsame Überschrift erklärt sich, wenn wir die einleitenden Verse des ersten Thessalonicherbriefes lesen. Paulus spricht dort dreimal von den Gläubigen und ihrer Verbindung zu Gott.

In Vers 1 zeigt er, was sie in Gott hatten: Er nennt sie die Versammlung der Thessalonicher in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

In Vers 2 wird deutlich, wie sie sich vor Gott verhielten. Paulus spricht von ihrem Werk des Glaubens, von der Bemühung der Liebe und dem Ausharren der Hoffnung, und er fügt hinzu: „vor unserem Gott und Vater“.

In Vers 4 schließlich weist er sie darauf hin, welchen Segen sie von Gott empfangen hatten. Sie waren von Gott geliebte Brüder, die er auserwählt hatte.

Die Thessalonicher waren junge Gläubige. Ihr Verhalten war – und ist bis heute – richtungweisend für andere. Die Verbindung, die sie zu Gott hatten, ist keine andere als unsere Verbindung. Deshalb wollen wir die drei Aussagen auf unsere Herzen legen.

In Gott – Geborgenheit und Vorrecht

Paulus schreibt an seine geliebten Brüder und Schwestern in Thessalonich und nennt sie „Versammlung der Thessalonicher in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“. Diese Anrede ist einmalig und wird in ähnlicher Form nur im zweiten Brief wiederholt. Paulus nennt sie nicht „die Versammlung Gottes in Thessalonich“ – obwohl sie das natürlich waren. Aber die Tatsache, dass sie „in Gott, dem Vater,“ waren, betont in passender Weise den Gegensatz zum Heidentum, aus dem diese Jungbekehrten erst kürzlich herausgetreten waren. Dort hatten sie vielen Göttern und vielen Herren gedient; jetzt aber standen sie in der bewusst erlebten Beziehung als Kinder zu ihrem Vater. Für uns als Gläubige gibt es ja nur einen Gott und Vater und einen Herrn. Für diese junge Versammlung in ihrer Frische genügte auch ein entsprechend schlichter Segenswunsch: „Gnade euch und Frieden.“

Das alles atmet Geborgenheit und Sicherheit und ist ein großes Vorrecht. Denken wir einmal an die Worte des Herrn Jesus in Johannes 10,27-30: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben. Ich und der Vater sind eins.“ Jeder Gläubige ist ein Kind Gottes. Er kennt den großen Gott als seinen Vater. Er kennt den Herrn Jesus als seinen guten Hirten, der sich für uns hingegeben hat. Er weiß sich in Gott und im Herrn Jesus geborgen. Ganz gleich, wie die Umstände sein mögen, seine mächtige Hand ist immer da, um uns – persönlich wie gemeinschaftlich – zu schützen und zu bewahren. Das ist ein großes Vorrecht, für das wir von Herzen dankbar sein sollten.

Vor Gott – Verantwortung

Paulus hatte Gutes von den Thessalonichern gehört. Er konnte Gott danken für die Thessalonicher. Etwas Vergleichbares lesen wir sonst nicht. Aber danken konnte er auch für das Werk des Glaubens, für die Bemühung der Liebe und das Ausharren der Hoffnung. Das waren klare und eindeutige Lebenszeichen, die auf einen guten inneren Zustand hinwiesen. Was die Thessalonicher taten, taten sie „vor unserem Gott und Vater“. Sie waren sich dessen bewusst, dass sich ihr ganzes Leben unter den Augen Gottes, des Vaters, abspielte. Ihm wollten sie gefallen.

Es fällt auf, dass Paulus nicht einfach von „Glaube, Liebe und Hoffnung“ spricht – den drei Kernelementen christlichen Lebens, die wir auch an anderen Stellen zusammen finden. Er spricht auch nicht einfach von Werken, von Bemühung und von Ausharren. Das gab es auch bei den Ephesern (vgl. Off 2,2), denen der Herr dennoch einen Tadel nicht ersparen konnte, weil sie ihre erste Liebe verlassen haben. Doch bei den Thessalonichern verbanden sich die sichtbaren Werke mit dem Glauben. Es waren Glaubenswerke. Ihr Bemühen fand seinen Ursprung in der Liebe zu Gott und zueinander. Das Ausharren in schwierigen Umständen war ein Ausharren der Hoffnung. Die Thessalonicher warteten täglich darauf, dass der Herr Jesus wiederkommen würde. Ihr Leben hatte eine klare Orientierung.

Auch unser Leben spielt sich vor den Augen Gottes ab. Er sieht alles. Er beurteilt alles. Was findet er bei uns? Sind wir uns unserer Verantwortung bewusst? Oder ist vielleicht auch bei uns „die erste Liebe“ verblasst, d. h. der Beweggrund geschwunden, den der Herr sucht? Leben wir weitgehend uns selbst? Das Beispiel der jungen Gläubigen in Thessalonich will uns heute Mut machen, unser Leben wirklich vor den Augen Gottes zu leben, damit Er die Merkmale findet, die Ihm wohlgefallen.

Von Gott – reich gesegnet

Das Thema der typisch christlichen Segnungen wird in anderen Briefen ausführlich behandelt (besonders im Epheserbrief). Trotzdem erinnert Paulus die Gläubigen hier daran, was sie in Gott besaßen. Er nennt sie in Vers 4 „von Gott geliebte Brüder“ und spricht von ihrer „Auserwählung“. Das war ein besonderer Segen und muss diesen jungen Christen, die unter großer Verfolgung litten, eine spezielle Ermutigung gewesen sein. Von ihren Landsleuten wurden sie gehasst. Aber sie waren von Gott geliebte Brüder. Das Licht und die Wärme der Liebe Gottes umstrahlte sie auch in schwierigen Lebensbedingungen.

Darin liegt mindestens zweierlei: Erstens die Tatsache, dass Gott sie liebte. Jeder Einzelne war ein Gegenstand der Liebe und der Fürsorge des großen Gottes im Himmel. Der Beweis der Liebe Gottes war die Gabe seines Sohnes. Er war auch für die Thessalonicher gestorben. Zweitens erinnert Paulus sie daran, dass sie Brüder waren. In diesem Ausdruck sind die Schwestern eingeschlossen. In dieser Formulierung liegt die Erinnerung, dass wir nicht allein stehen. Ob in Freude oder Leid, ob im Dienst oder in der Nachfolge, Gott stellt uns solche an die Seite, die unsere „Brüder“ und „Schwestern“ sind. Solche, die den gleichen Vater haben. Solche, die das gleiche Leben haben. Solche, die denselben Herrn haben. Das ist ein besonderer Segen, für den wir dankbar sein wollen.

Dann erinnert Paulus noch an ihre Auserwählung. Das Thema wird hier nicht vertieft, aber es ist doch ein Mut machender Gedanke, dass Gott schon vor Grundlegung der Welt an uns in Liebe gedacht hat. Er wollte uns als Kinder und Söhne für sich haben. Das wollen wir nie vergessen. Wir sind reich gesegnete Menschen, und dafür schulden wir unserem Gott Lob und Dank (vgl. Eph 1,3).

Es liegt in der Tat ein großes Glück darin, dass wir – die wir einmal verlorene Sünder waren – jetzt ein Leben „in Gott, vor Gott und von Gott“ führen können.

E.-A. Bremicker

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2012, Heft 2, Seite 40

Bibelstellen: 1Thes 1,1-4