Der Gehorsam der Rekabiter

Jeremia 35

Der Bericht über die Rekabiter in Jeremia 35 gehört wohl zu den eher selten gelesenen Teilen des Wortes Gottes. Aber wie alle Schrift ist er von Gott eingegeben und nützlich zur Vervollkommnung der Gläubigen (vgl. 2. Tim 3,16.17). Er zeigt uns, dass Gehorsam auch dann für Gott beispielhaft sein kann und von Ihm belohnt wird, wenn es nicht um ein ausdrückliches Gebot Seines Wortes geht.

Das Umfeld der Handlung

Jeremia 35 führt uns in eine dunkle Zeit in der Geschichte des Volkes Israel. Das zweistämmige Volk Juda und Benjamin stand kurz vor der endgültigen Wegführung in die babylonische Gefangenschaft. Mit Jojakim, dem Sohn Josias, regierte ein König, der „tat, was böse war in den Augen des Herrn, seines Gottes“ (2. Chr 36,5). Seine Gottlosigkeit ging so weit, dass er eine Schriftrolle mit Aussprüchen Gottes mit dem Schreibermesser zerschnitt und ins Feuer warf (Jer 36,23). Doch nicht nur der König handelte böse, sondern auch das Volk. In Kapitel 34 wird berichtet, dass das Volk einen vor Gott geschlossenen Bund brach und Gottes Anordnungen nicht gehorchte (Jer 34,8 ff.). Vor diesem dunklen Hintergrund des Ungehorsams der Juden ihrem Gott gegenüber leuchtet plötzlich das Bild einer Familie auf, deren Merkmal Gehorsam und Treue war – die Familie der Rekabiter.

Die Rekabiter

Was für Leute waren diese Rekabiter? Der Vater des Hauses Rekab war ein gewisser Hammat (1. Chr 2,55). Richter 1,16 sagt, dass ein Teil der Keniter mit den Kindern Juda aus der Palmenstadt Jericho heraufgezogen war in die Wüste Juda, um bei dem Volk Gottes zu wohnen. Heber, der Keniter, hatte sich von den Kenitern, den Kindern Hobabs, des Schwagers Moses, getrennt und wohnte im Norden bei Kedes, im Gebiet des Stammes Naphtali (Ri 4,10). Wieder andere Familien der Keniter wohnten in Jabez (1. Chr 2,55).

Die Gebote Jonadabs, des Sohnes Rekabs, an seine Kinder

Über Rekab, den Namensgeber der Familie, finden wir nichts in der Schrift berichtet. Auch über seinen Sohn Jonadab wissen wir nicht viel. Wir finden ihn in 2. Könige 10, als er Jehu auf seinem Weg nach Samaria begegnete, wo dieser das Gericht über das Haus Ahabs ausführen wollte. Damals half Jonadab Jehu bei der Ausrottung der Baalspriester. Doch erst in Jeremia 35,6.7 erfahren wir Weiteres über ihn – dass er seinen Kindern eine Reihe von Geboten gab:

– keinen Wein zu trinken,

– kein Haus zu bauen,

– keinen Samen zu säen,

– keinen Weinberg zu pflanzen,

– keinen Weinberg zu besitzen und

– in Zelten zu wohnen.

Warum hatte Jonadab seinen Kindern und ihren Nachkommen diese Gebote auferlegt? All das war ja nichts Böses oder Schlechtes in sich, sondern gehört sogar zu dem Segen, den Gott Seinem Volk damals gegeben hatte und auch im Tausendjährigen Reich geben wird. Es wird uns nichts über Jonadabs Motive gesagt. Hatte er vielleicht ein besonderes Verständnis darüber erlangt, was Gott mit der Verordnung über den Nasiräer bezweckte? Jedenfalls lag ihm das innere Wohl seiner Kinder am Herzen, und darin ist er auch uns heute ein Vorbild.

Die Bedeutung der Gebote Jonadabs

Für uns geht es nicht um die buchstäbliche Erfüllung solcher menschlichen Gebote. Doch wir erkennen darin eine geistliche Bedeutung und göttliche Belehrungen, die wir auf uns anwenden können. Es geht aber nicht um eine Aufforderung, an bestimmten Lebensformen festzuhalten, nur weil sie von unseren Vätern überkommen sind.

Keinen Wein trinken

Der Wein ist im Wort Gottes oft ein Symbol für irdische Freude, wie sie auf der Erde in Übereinstimmung mit Gott genossen wird (Ri 9,13; Ps 104,15); daher auch die symbolische Bedeutung der Traube, die die israelitischen Kundschafter einst aus dem Tal „Eskol“ mitbrachten (4. Mo 13,23). Insofern hätten die Rekabiter keinen Grund gehabt, den Genuss von Wein abzulehnen. Aber die Rekabiter befolgten das Gebot ihres Vaters, und das benutzt Gott als Anknüpfungspunkt, dem Haus Juda vorzuwerfen, das ihnen das Wort Gottes weniger wichtig war als den Rekabitern das Gebot ihres Vorfahren. Für uns als Christen gibt es ein ganz anderes Gebot, das des Herrn, der wiederholt von einer „völligen Freude“ spricht, die wir als Christen genießen sollen (Joh 15,11; 16,24; 17,13; 1. Joh 1,3.4). Das ist eine himmlische Freude als Ergebnis der Wirksamkeit Seiner Liebe in uns.

Vielleicht hat Jonadab auch an die Folgen eines übermäßigen Weingenusses gedacht, wovon einige im Buch der Sprüche genannt werden (z. B. Spr 20,1; 21,17; 23,20.21.29-35; 31,4.5). Zu diesen gehört auch der Verlust der Besonnenheit und des nüchternen Unterscheidungsvermögens – im Gegensatz zu einem Gott wohlgefälligen Leben. Denken wir auch an 1. Petrus 1,13.15: „Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, seid nüchtern und … heilig in allem Wandel“, und an 1. Petrus 4,7: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet.“

Kein Haus bauen, in Zelten wohnen

Die Kinder Jonadabs sollten auf Sesshaftigkeit verzichten, obwohl Gott den Israeliten das Land als „Erbteil“ gegeben hatte, damit sie es „in Besitz nehmen und darin wohnen sollten (5. Mo 26,1). In geistlicher Hinsicht haben ja auch wir hier auf der Erde „keine bleibende Stadt, sondern suchen die zukünftige“ (Heb 13,14). Erkennt man an unserem täglichen Leben, dass wir hier „Fremdlinge“ und „ohne Bürgerrecht“ sind (1. Pet 2,11)? Sind wir jederzeit bereit, in unsere wahre Heimat, das Haus des Vaters, aufzubrechen? Wie sehr Gott ein solches Verhalten schätzt, wird an Seiner Würdigung des Lebenswandels der Patriarchen in Hebräer 11,13-16 deutlich.

Keinen Samen säen

Wer sät, erwartet auch eine Ernte. Die Rekabiter als Nomaden hatten andere Nahrungsquellen und sollten auch dabei bleiben. In Matthäus 6 macht der Herr deutlich, dass auch das Leben seiner Jünger durch Vertrauen auf Ihn und den Vater gekennzeichnet sein soll (V. 25). Als Beispiel für die Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe wird auf die Vögel des Himmels verwiesen, die „nicht säen noch ernten, noch in Scheunen sammeln“ und doch von ihrem himmlischen Vater ernährt werden (V. 26). Das heißt nicht, dass wir nicht fleißig und verantwortungsbewusst für unseren Unterhalt arbeiten sollen. Aber wir, die wir „viel vorzüglicher“ sind als die Vögel, sollen unser Vertrauen nicht auf unser eigenes Bemühen setzen.

Keinen Weinberg pflanzen und besitzen

Die Rekabiter sollten alles meiden, was zum Aufgeben eines Gott geweihten und Ihm wohlgefälligen Lebens führen konnte. Uns wird im Neuen Testament zugerufen: „Und treibt nicht Vorsorge für das Fleisch zur Befriedigung seiner Begierden“ (Röm 13,14). So wollen auch wir in unserem Leben nichts besitzen oder pflegen, was uns zur Sünde verleiten kann.

Gott belohnt Gehorsam

Die letzten beiden Verse unseres Kapitels zeigen, dass Gott Gehorsam notiert und belohnt. Wegen ihres Gehorsams bekamen die Rekabiter die Verheißung: „Es soll Jonadab, dem Sohn Rekabs, nicht an einem Mann fehlen, der vor mir steht, alle Tage“ (V. 19). Wenn Gott schon der Gehorsam der Rekabiter den Geboten ihres irdischen Vaters gegenüber so wertvoll war, wie viel mehr sollten wir dann durch Gehorsam aus Liebe zu unserem himmlischen Vater gekennzeichnet sein – wir, die doch in einer viel höheren Glaubensbeziehung zu Gott als unserem Vater stehen und auserwählt sind zum „Gehorsam … Jesu Christi“ (1. Pet 1,2). Auch heute ist mit konsequentem Gehorsam gegen Gottes Wort ein reicher Segen verbunden. Dazu sei beispielhaft an folgende Stelle aus dem Johannes-Evangelium erinnert:

„Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Dieser beeindruckende Vers lässt uns erkennen, dass wir auf dem Weg des Gehorsams ein besonderes Bewusstsein von der Liebe des Vaters und des Sohnes zu uns empfangen. Dazu will der Herr selbst sich uns offenbaren.

S. Ulrich

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2013, Heft 5, Seite 143

Bibelstellen: Jerm 35