Ein „reicher“ Gott

An einer viel besuchten Stätte der Weltöffentlichkeit wird durch eine Inschrift behauptet: „Gott ist nicht so beschaffen, dass er einen Sohn haben könnte.“ – Kein Wunder, wenn unter den von Menschen ersonnenen Religionen keine den Gedanken kennt, dass Gott einen Sohn hat, denn das gehört zur „verborgenen Weisheit Gottes“, die „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist“ (1. Kor 2,7-9).

Aber mehr noch, nachdem Gott sich nun offenbart hat in Seinem Sohn, wird zwar einerseits diese Tatsache geleugnet, aber anderseits ist dennoch der „Christus Gottes“ (Lk 9,20) Gegenstand einer erbitterten Feindschaft der ganzen Welt – dieses Systems unter der Führung des Satans. Dahinter steht die Auflehnung dagegen, dass Gott diesem einst leidenden Christus (Apg 3,18; 4,27.28) den Anspruch zugesichert hat, nach Seiner Verherrlichung als „Haupt über alles“ in Macht und Herrlichkeit zu herrschen, entgegen allen Plänen der Menschen (Apg 2,34-36; Heb 1,13; 10,12.13 u. a.).

Ja, der wahre Gott ist ein „reicher“ Gott. Dieser Reichtum gipfelt darin, dass Er einen Sohn hat, und ist dadurch in Erscheinung getreten, dass Er diesen „eingeborenen Sohn“ gab – diesen „Einzigen“ Seiner „Art“ – zur Errettung verlorener Menschen. So sehr und in solcher Weise hat Er „die Welt“ – hier: die menschliche Gesellschaft – geliebt“, dass Er dazu bereit war.

… nicht verschont

In Römer 8,32 haben wir einen Hinweis auf das Maß, die Größe, dieser Gabe: „Gott, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat, wie wird er uns mit ihm nicht auch alles [Übrige] schenken?“ Wie eindrucksvoll wird hier betont, dass Christus Gottes „eigener“ Sohn ist. Ganz ähnlich spricht Paulus auch gegenüber den Ältesten der Versammlung von Ephesus von Gottes „Eigenem“ (Apg 20,28). Und Ihn hat Gott nicht verschont – das bedeutet, Er war Gott nicht zu schade. Nur mit heiliger Ehrfurcht können wir diesen Gedanken aufkommen lassen. Mit Recht sagt ein Dichter: „Ein Gott, der Seinen Sohn gegeben, ein solcher Gott versagt nichts mehr.“ Alles andere kann ja nur weitaus geringer sein.

… reich an Barmherzigkeit wegen Seiner vielen Liebe

Die Liebe Gottes ist der eigentliche Beweggrund für Sein Handeln. Gott ist Liebe, und diesem Wesen entspringt die Barmherzigkeit, die Er uns Gläubigen zugewandt hat, als wir noch „in den Vergehungen tot waren“. Nicht nur sollten wir als erlöste Sünder dem Herrn Jesus als „Lohn der Mühsal Seiner Seele“ gegeben werden, sondern auch wir selbst sollten Seines Auferstehungslebens teilhaftig sein. Darum hat Gott uns „mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“. Auf diesem Weg wird der „überragende Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erwiesen in Christus Jesus“ (Eph 2,4-8). Einen solchen Reichtum kann Gott nur in Seinem Sohn bieten. Darum ist der Sohn Gottes Inhalt und Mittelpunkt des ganzen Heilsplans Gottes. Nur aus Seiner Fülle konnten „wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade“. Das Gesetz konnte in Form von Aussprüchen Gottes durch Mose „gegeben“ werden; die Gnade und die Wahrheit dagegen sind verkörpert in einer Person: durch Jesus Christus „geworden“ (Joh 1,16.17).

Werfen wir noch einen Blick auf das Gleichnis von den ungetreuen Weingärtnern (Mt 21,33-39; Mk 12,1-8;
Lk 20,9-16). Hier haben wir ein Abbild von Gottes Bemühen, Israel durch das Zeugnis vieler Propheten darüber zur Einsicht zu bringen, was es Ihm schuldig war. Für den Herrn des Weinbergs gab es keine andere Wahl, als seinen einzigen, geliebten Sohn zu senden in der Erwartung, die Weingärtner würden es nicht wagen, Hand an ihn zu legen. Gott dagegen hat Seinen eingeborenen, geliebten Sohn gegeben, weil es so und nur so Seinem Wesen als Gott der Liebe entsprach. Dieses „noch einen“ in Markus 12 bedeutet den absoluten Höhepunkt in Seinem Appell an das Herz Israels. Etwas Höheres wäre nicht denkbar, und etwas anderes wäre Ihm zu gering gewesen. Nie sollten wir dem Eindruck unterliegen, der unumschränkte Gott habe innerhalb der Grenzen einer Notwendigkeit handeln müssen – nur weil wir keine andere Möglichkeit sehen.

In Römer 11, wo das Problem behandelt wird, wie Gott Seinen Gnadenratschluss mit Seinen Verheißungen gegenüber Israel in Einklang bringt, haben wir eine ähn-liche Situation. Sie veranlasst Paulus zu dem Lobpreis: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege!“ (Röm 11,33).

E. E. Hücking

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2013, Heft 4, Seite 97

Bibelstellen: Rö 11,33