Im Werk des Herrn arbeiten

Der Ausdruck „Werk des Herrn“ ist vielen Lesern gut vertraut. Aber haben wir eine klare Vorstellung davon, was er bedeutet? Mehr noch: Haben wir eine klare Vorstellung, welche Konsequenzen sich daraus ganz persönlich ergeben? Es lohnt sich, einige Augenblicke darüber nachzudenken.

Jeder ist gefragt

Im ersten Moment sind wir vielleicht geneigt, an solche Brüder und Schwestern zu denken, die sich – wie wir es nennen – vollzeitig für die Arbeit im Werk des Herrn entschieden haben. Geschwister also, die ihre reguläre Berufstätigkeit aufgegeben haben, um ganz für ihren Herrn zu arbeiten. Dass es solche Geschwister gibt, die eine besondere Berufung vom Herrn bekommen, ist ohne jede Frage wahr. Aber damit hat sich das Thema nicht erschöpft. Im Gegenteil.

Wenn wir das Neue Testament lesen, erkennen wir schnell, dass die Arbeit im Werk des Herrn uns alle angeht. Zunächst fällt auf, dass das Neue Testament überhaupt nur zweimal konkret vom „Werk des Herrn“ spricht. In 1. Korinther 16,10 nennt Paulus sich und
Timotheus als solche, die am „Werk des Herrn“ arbeiten. Meint er damit ausschließlich diejenigen, die vollzeitig für den Herrn arbeiten und ihren irdischen Beruf aufgegeben haben? Lesen wir, was Paulus an einer anderen Stelle schreibt: „Daher, meine geliebten Brüder, seid … allezeit überströmend im Werk des Herrn, da ihr wisst, dass eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“
(1. Kor 15,58). Es wird unmittelbar klar, dass Paulus hier nicht in erster Linie solche anspricht, die „vollzeitig“ im Werk des Herrn arbeiteten, sondern er wendet sich an alle Gläubigen in Korinth. An Brüder und Schwestern. An Jüngere und Ältere. Wir wissen nicht einmal, ob es in Korinth überhaupt jemand gab, der „vollzeitig“ im Werk des Herrn arbeitete. Jeder Einzelne war also damals gemeint. Jeder Einzelne ist heute gemeint. Es geht um dich und es geht um mich.

Paulus hatte vorher in 1. Korinther 15 über den Sieg des Herrn Jesus am Kreuz gesprochen, der sich in Seiner Auferstehung dokumentiert. Er hatte von dem herrlichen Augenblick gesprochen, wenn der Herr Jesus wiederkommen wird. Zwischen diesen beiden Punkten spielt sich jetzt das Leben der Gläubigen ab. In dieser Zeit haben wir die Gelegenheit, unserem Herrn auf dieser Erde zur Verfügung zu stehen und für Ihn zu arbeiten. Unter „Werk des Herrn“ müssen wir daher alles verstehen, was in dieser Zeitperiode für den Herrn Jesus getan wird. In diesem Sinn geht „Werk des Herrn“ uns alle etwas an. Jeder von uns kann Aufgaben für den Herrn tun. Da, wo wir leben. Da, wo wir arbeiten. Da, wo wir uns aufhalten.

Ein großes Arbeitsfeld

Das mögliche Arbeits- und Betätigungsfeld ist sehr groß. Der Herr Jesus sagt selbst einmal, dass die Ernte groß ist (Lk 10,2). Es wird immer mehr Arbeit geben, als getan werden kann. Aber das soll uns nicht abhalten. Im Gegenteil – es soll uns motivieren, dass wir uns ganz persönlich fragen, wo und wie der Herr uns gebrauchen kann.

Das Neue Testament zeigt uns zwei große Bereiche der Arbeit im Werk des Herrn. Einerseits geht es um die Arbeit an ungläubigen Menschen. Andererseits geht es um die Arbeit an gläubigen Menschen. Der Dienst von Paulus macht das sehr klar. Er war einerseits ein Diener des Evangeliums (Kol 1,23). Er war aber gleichzeitig auch ein Diener der Versammlung (Kol 1,25).

Der Dienst am Evangelium: Der erste Bereich ist das Evangelium. Es gibt bis heute Brüder, denen der Herr die Gabe des Evangelisten gegeben hat und die sich Ihm damit zur Verfügung stellen. Es gibt solche, die das Evangelium öffentlich predigen. Es gibt andere Geschwister, die das persönliche Gespräch suchen. Andere kümmern sich um alte Menschen, kranke Menschen, junge Menschen, Kinder etc. Andere sehen die Aufgabe der Evangelisation von Haus zu Haus und der regelmäßigen Büchertischarbeit. Wieder andere kümmern sich um Menschen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen (Gefängnisarbeit, Arbeit an Suchtabhängigen etc.). Manche arbeiten in ihrer unmittelbaren Umgebung. Andere empfinden den Ruf des Herrn, Ihm im Ausland zu dienen. Schließlich können wir auch an solche denken, die sich evangelistisch im schriftlichen Dienst engagieren und Traktate, Broschüren, Kalenderzettel und anderes schreiben. Wenn es um die öffentliche Verkündigung des Wortes geht, wird sich der Dienst auf Brüder beschränken. In vielen anderen Bereichen kann der Herr aber genauso gut (manchmal sogar besser) Schwestern gebrauchen.

Der Dienst an Gläubigen: Der zweite Bereich ist der Dienst an Gläubigen. Der verherrlichte Herr hat seiner Versammlung Gaben gegeben (Eph 4,8). Dazu gehören unter anderem die Hirten und Lehrer. Ziel des Dienstes der Gaben ist die „Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus“ (Eph 4,11-12). Auch hier denken wir wieder an den Dienst der öffentlichen Predigt, z. B. Lehrvorträge oder erbauliche Vorträge. Wir denken an den Dienst bei Konferenzen und Freizeiten. Wir denken an den schriftlichen Dienst, der getan wird. Wir denken an persönliche Seelsorge, an Arbeit an alten, kranken oder jungen Geschwistern sowie Kindern und Familien. Wie bei der Arbeit im Evangelium sind auch hier die Schwestern durchaus nicht ausgeschlossen, solange ihr Dienst sich im Rahmen dessen bewegt, was das Neue Testament sagt.

Öffentlich und in den Häusern

In seiner Abschiedsrede an die Ältesten von Ephesus macht Paulus klar, dass er seinen Dienst einerseits öffentlich und andererseits in den Häusern getan hat (Apg 20,20). Das hat sich bis heute nicht geändert. Es gibt Dienste, die einen mehr öffentlichen Charakter haben, und es gibt Dienste, die sich mehr in der häuslichen Sphäre abspielen. Dabei können wir zum Beispiel auch an den Dienst in unseren Familien denken. Wenn der Herr uns Kinder (oder Enkelkinder) gegeben hat, dann haben wir ganz sicher mindestens die eine Aufgabe, unsere Kinder für den Herrn zu erziehen. Das kann – ja nach Situation und Veranlagung – bereits ein „Fulltime-Job“ sein, der sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Im
Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass Dienst für den Herrn sehr häufig in dem häuslichen (familiären) Bereich beginnt. In 1. Timotheus 3,4-5 stellt Paulus jedenfalls die Frage, wie jemand, der seinem eigenen Haus nicht vorsteht, die Versammlung Gottes besorgen will. Aber Dienst für den Herrn beschränkt sich in der Regel nicht auf das eigene Haus. Der Herr hat für jeden von uns weitere Aufgaben. Es liegt an uns, sie zu finden und zu tun.

Bittet den Herrn der Ernte

Wir empfinden deutlich, dass die Aufgaben vielfältig sind und es zu wenige sind, die diesen Aufgaben nachkommen (ob vollzeitig oder nicht). Der Herr Jesus hatte das schon vorausgesehen. Als Er über die große Ernte sprach, fügte Er hinzu: „Die Ernte zwar ist groß,
die Arbeiter aber sind wenige. Bittet nun den Herrn
der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte aussende“
(Lk 10,2). Das gilt für die Mission ebenso wie für die Arbeit „vor Ort“ – sei es im Evangelium, sei es im Dienst für die Gläubigen. Wir sollten dieses Gebet mehr kennen und praktizieren.

Der Herr gibt die Aufgabe

Im Werk des Herrn zu arbeiten bedeutet, dass niemand anders als Er selbst der Auftraggeber ist. Er gibt jedem von uns eine Gnadengabe, d. h. eine geistliche Kraft und Befähigung zum Dienst. In 1. Korinther 12,4-6 erinnert Paulus daran, dass die Gnadengaben vom Heiligen Geist kommen, dass der Dienst in Verbindung mit dem Herrn steht und dass Gott für die Ergebnisse sorgt. Jeder Dienst für Ihn muss auch in Ihm seinen Ursprung finden. Als Diener im Werk des Herrn empfangen wir unsere Aufträge nicht von Menschen oder von einer örtlichen Versammlung und schon gar nicht von irgendeiner Organisation. Wir bekommen unsere Aufgabe vom Herrn selbst. Er gibt die Aufträge. Er sendet aus. Das schließt natürlich nicht aus, dass wir uns nicht gegenseitig auf Aufgaben aufmerksam machen dürfen, die der eine oder andere vielleicht übernehmen könnte.

Besonders dann, wenn ein Dienst einen öffentlichen Charakter hat, versteht es sich eigentlich von selbst, dass er auch in Harmonie mit den Geschwistern der Heimatversammlung und darüber hinaus geschieht. Timotheus hatte beispielsweise ein gutes Zeugnis von den Brüdern in Lystra und Ikonium (Apg 16,2). Später erinnert Paulus ihn daran, dass er seine Gnadengabe durch Weissagung bekommen hatte, aber mit Auflegen der Hände der Ältestenschaft (1. Tim 4,14). Die Gnadengabe des Timotheus kam von Gott. Aber die Ältesten der örtlichen Versammlung hatten sich mit ihm verbunden, indem sie ihm die Hände aufgelegt hatten. Es versteht sich ebenfalls von selbst, dass ein Dienst, selbst wenn er letztlich vom Herrn bewertet und belohnt wird, doch auch von den Geschwistern gesehen und beurteilt wird. Dieser Beurteilung
sollen wir uns in der richtigen Gesinnung auch stellen
(vgl. 1. Kor 14,29).

Für den Herrn arbeiten

Das Werk, in dem wir arbeiten, ist das „Werk des Herrn“. Es ist nicht unser Werk, sondern Sein Werk. Er ist der Ursprung jedes Dienstes. Er gibt die Kraft für jede Arbeit. Er ist aber auch das Ziel jeder Bemühung. Alles kommt von Ihm, alles wird durch Ihn ausgeführt, aber alles wird auch für Ihn getan. Niemand arbeitet für sich selbst oder für andere, sondern für den Herrn. Deshalb sucht der wahre Diener nicht seine eigene Ehre, sondern er ist darauf bedacht, dass sein Auftraggeber gesehen und verherrlicht wird. Der treue Diener verbirgt sich, damit sein Herr gesehen wird. So war es, als der Herr Jesus selbst als Diener auf dieser Erde lebte. Er hat nie seine eigene Ehre, sondern immer die Ehre seines Gottes gesucht.

Für den Herrn arbeiten

Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass man es im Werk des Herrn ruhig angehen lassen könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Paulus spricht von dem „Werk“ und er spricht von der „Mühe“. Arbeit für den Herrn ist in der Tat mit Mühe verbunden. Bei „Werk“ oder „Arbeit“ steht vielleicht das im Vordergrund, was getan wird. Bei „Mühe“ denken wir mehr an die Art und Weise, wie es getan wird. Gerade dann, wenn man einer normalen Berufstätigkeit nachgeht (Arbeit im Haushalt eingeschlossen), bedarf es oft einer besonderen Anstrengung, sich zusätzlich in der Arbeit für den Herrn zu engagieren. Ohne Zweifel braucht jeder Zeiten der Erholung. Besonders wichtig sind Ruhephasen, um beim Lesen des Wortes und im Gebet Gemeinschaft mit Gott zu haben. Dennoch muss uns klar sein, dass „Werk des Herrn“ opferbereites Arbeiten beinhaltet. Im Alten Testament finden wir dazu ein ernstes Wort. Dort lesen wir: „Verflucht sei, wer das Werk des Herrn lässig treibt“ (Jer 48,10).

Lohn

Wir sahen, dass der Auftraggeber der Herr Jesus selbst ist. Demzufolge ist der Diener seinem Herrn für das, was er tut und lässt, verantwortlich. Er ist ein Diener und Knecht Jesu Christi. Damit wird aber gleichzeitig klar, wer für den Lohn „zuständig“ ist. Es ist der Herr. Er sorgt für die Ergebnisse der Arbeit. Er hat ein Auge darauf, was für Ihn getan wird. Im Alten Testament lesen wir den schönen Vers: „Ihr aber, seid stark und lasst eure Hände nicht erschlaffen, denn es gibt Lohn für euer Tun!“ (2. Chr 15,7). Wenn Paulus den Korinthern in 1. Korinther 15,58 sagt, dass ihre Mühe nicht vergeblich sein wird, dann fügt er hinzu „im Herrn“. Jede Bemühung in Seinem Werk kann in dem festen Wissen geschehen, dass der Einsatz nicht vergeblich, das heißt nicht umsonst oder wertlos ist. Er wird nichts, was aus Liebe für Ihn in Seinem Werk getan worden ist, unbelohnt lassen.

Ein guter und treuer Knecht

Als der Herr Jesus auf dieser Erde war, sprach Er wiederholt in Gleichnissen. Einige Male wird dabei der Dienst für Ihn thematisiert, zum Beispiel in Matthäus 25,14-30. Dort geht es darum, dass sich ein Knecht durch Treue im Dienst auszeichnet. Er hört die Worte seines Herrn: „Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn“ (V. 21).

Hier sehen wir erstens, wie der Herr über den Diener denkt und zweitens, wie Er ihn belohnt. Ein Diener des Herrn wird nicht für die Aufgabe belohnt, die er bekommt und tut, sondern für die Treue, in der er sie ausführt. Es kommt weniger darauf an, was wir für unseren Herrn tun, sondern wie wir es tun. Die Frage lautet: Sind wir gute und treue Knechte? Es liegt in unserer menschlichen Natur, nach großen Dingen zu streben. Aber was in den Augen des Herrn groß und was klein ist, das wollen wir Ihm überlassen. Für uns kommt es darauf an, dass wir das, was wir tun, treu und zuverlässig tun. Ein solcher Dienst – und mag er in den Augen der Menschen noch so gering sein – wird einmal am Richterstuhl des Christus belohnt werden.

Wir wollen uns gegenseitig Mut machen, unserem Herrn solange in Seinem Werk zur Verfügung zu stehen, bis Er wiederkommt. Es wird nicht mehr lange dauern: „Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir“ (Off 22,12). Darauf warten wir mit Spannung.

E.-A. Bremicker

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2014, Heft 6, Seite 177

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