Ermutigung für Eltern

Es ist nicht leicht, Eltern zu sein. Und es ist noch viel ernster und verantwortungsvoller, christliche Eltern zu sein. Wer selbst Kinder hat, wird das zweifellos schon selbst erfahren haben.

Stellen wir uns ein christliches Elternpaar vor, das kleine Kinder hat. Wenn sie sich ihre Kleinen anschauen, die sie über alles lieben, dann stellen sie fest: Sie sind Eltern „nach dem Fleisch“ – wenn wir den Ausdruck aus Hebräer 12,9 einmal leicht abwandeln dürfen -, und ihre Kinder haben dieselbe gefallene Natur geerbt, die auch sie als Eltern in sich tragen. Und ihre Kinder haben wahrscheinlich einen starken Hang gerade zu jenen Leidenschaften und Sünden, die auch bei ihnen als Eltern zu finden sind, wie diese mit Bedauern bekennen müssen. Sie selbst haben in ihrem Leben die Gnade Gottes erfahren, dass der Heilige Geist in ihnen Sein Werk der Erneuerung vollbracht hat. Daher besitzen sie die neue Natur, und durch den Geist, der ihnen als Gläubigen gegeben wurde, wissen sie, dass sie in Christus sind. Von ihren Kindern können sie das jedoch nicht behaupten, solange diese unbekehrt sind, denn sie wissen ja, dass die neue Geburt und der Glaube an Christus nicht von den Eltern auf die Kinder übertragen wird. Das ist die Situation – eine Situation, die bei den Eltern oft viel Kummer und Leid verursachen kann.

Nicht selten ist man überrascht, wenn junge Leute aus gottesfürchtigen Elternhäusern für ihre Gottlosigkeit bekannt werden. Und oft vermutet man – so wie die drei Freunde Hiobs mit ihren Argumenten und Andeutungen -, die Erklärung dafür könne nur eine schwere Sünde oder wenigstens ein schwerer Erziehungsfehler auf Seiten der Eltern sein. Doch wir brauchen nicht überrascht zu sein, wenn wir uns an das erinnern, was wir weiter oben schon gesagt haben. Außerdem: Häufig werden solche, die als Unbekehrte die größten Sünder gewesen waren, als Bekehrte die hingebungsvollsten Gläubigen. Die Kinder haben von ihren Eltern die adamitische Natur geerbt und damit wahrscheinlich ein paar besonders schlimme Eigenschaften, die nur durch die Gnade Gottes bei ihren Eltern nicht zum Vorschein gekommen sind, und deshalb werden die Kinder darin fortfahren – bis auch in ihrem Leben die Gnade eingreift.

Doch haben christliche Eltern überhaupt einen Grund, ein solches Eingreifen Gottes zu erwarten? Dürfen sie dann in ihrem Kummer und in ihrem Leid vertrauensvoll erwarten, dass Gott ein Werk tun wird, das zu Seiner Zeit ihre geliebten Kinder retten und befreien wird?

Wir wollen diese wichtige Frage beantworten, indem wir uns die sieben Begebenheiten in den Evangelien ansehen, bei denen Eltern wegen ihrer Kinder zu dem Herrn Jesus kamen.

1. Die Tochter des Jairus (Mt 9, Mk 5, Lk 8). Die Tochter war ein zwölfjähriges Kind, also gerade erst in das verantwortliche Alter eingetreten; der Vater war der Synagogenvorsteher; und das drohende Unglück war der Tod. In seiner Not fand Jairus einen Ausweg, indem er sich mit einer dringenden Bitte an den Herrn wandte. Er wurde erhört, auch wenn der Tod nicht verhindert wurde, was Jairus zweifellos mehr oder weniger glaubend erwartet hatte. Umstände verhinderten es, und der Herr änderte diese Umstände nicht. Doch Jairus’ Bitte traf nicht auf taube Ohren. Der Herr beantwortete seine Bitte mit einer Machtfülle, die über den Glauben des Vaters hinausging, und das Mädchen wurde wieder zum Leben erweckt.

2. Die Tochter der kananäischen Frau (Mt 15, Mk 7). Hier war die Mutter eine Heidin; sie entstammte einer verfluchten Nation. Der Herr befand sich an der Küste von Tyrus und Sidon, einer Hochburg Satans, wie wir in Hesekiel 28,11-19 lesen können, und die Tochter war schlimm von einem Dämon besessen. Die bedauernswerte Frau war zwar eine Ausgestoßene, „ein Hund“ (Mt 15,26.27), und doch brachte sie den Fall ihres Kindes zu Jesus. Sie wurde nicht sofort erhört. Für den Herrn war ihre schwere Not eine gute Gelegenheit, um an ihrer Seele zu wirken: Ihre Seele sollte aufrichtig und demütig werden und ein Bekenntnis ablegen. Und als sie ihren wahren Platz einnahm und dabei völlig darauf vertraute, dass der Reichtum Seiner Freigebigkeit (Mt 15,27) zu einem „heidnischen Hund“, wie sie einer war, überfließen würde, bekam sie alles, was ihr Herz begehrte: die Befreiung ihrer Tochter. Ihre Bitte war erfolgreich. Sie wurde erhört.

3. Der mondsüchtige Sohn eines Mannes (Mt 17, Mk 9, Lk 9). Dieser Fall hat einige Merkmale, die besonders interessant sind. Während der Herr auf dem Berg der Verklärung war, brachte der Mann seinen Sohn zuerst zu den neun Jüngern, die zurückgeblieben waren, doch sie konnten den Dämon nicht austreiben. Weil die Jünger darin versagten, glaubte der Vater, dass auch ihr Meister wenig Macht hätte, seinem Kind zu helfen. Daher kam er mit schwachem und erschüttertem Glauben zu dem Herrn. Er wusste sehr wohl, wie bösartig und hartnäckig der Dämon war, der seinen Sohn knechtete, und bat den Herrn: „Wenn du etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!“ (Mk 9,22). Dies gab dem Herrn die Gelegenheit, zwei Dinge zu demonstrieren. Erstens zeigte Er Seine Ihm eigene überwältigende Macht, die viel zu groß ist, als dass sie von dem Feind herausgefordert werden könnte. Der Dämon tat sein Schlimmstes, als ob er das arme irdene Gefäß zugrunde richten wollte, wenn er es schon verlassen müsste. Doch der Herr richtete den Jungen auf und übergab ihn völlig gesund seinem Vater. Zweitens: Das einzige „Wenn“, das in diesem Fall vielleicht geäußert werden könnte, betraf den Glauben des Vaters, der sich an die Gnade und Macht des Herrn wandte: „Jesus aber sprach zu ihm: Was das ‚wenn du kannst‘ betrifft – dem Glaubenden ist alles möglich“ (Mk 9,23). Dieses wunderbare Wort voller Ermutigung sprach Jesus, als ein Vater Ihn bat, sein Kind zu befreien und zu segnen.

4. Die kleinen Kinder, die zu Ihm gebracht wurden, damit Er ihnen die Hände auflege und bete (Mt 19, Mk 10, Lk 18). Auch dieser Fall ist von besonderem Interesse. Die Kinder waren offenbar noch sehr jung, denn im Grundtext wird an dieser Stelle die Verkleinerungsform für „Kinder“ gebraucht. Es wird uns nicht genau gesagt, wer sie brachte. In keinem Evangelium werden die Personen genannt. Vermutlich brachten die Eltern sie, und wenn es andere Personen waren, dann ist es nur umso bemerkenswerter, dass der Herr sie annahm. Die Jünger lehnten die Bitte energisch ab, doch Er „nahm sie in die Arme, legte die Hände auf sie und segnete sie“ (Mk 10,16).

5. Die Mutter der Söhne des Zebedäus mit ihren Söhnen (Mt 20). Hier waren es keine kleinen „Kinder“ mehr, sondern erwachsene Männer. Sie waren dem Herrn Jesus nicht unbekannt, sondern sie waren anerkannte Jünger und Seine auserwählten Apostel, die viel Belehrung von Ihm empfangen hatten. Die Mutter bat nicht darum, dass ihre Söhne – körperlich oder geistlich – befreit oder gesegnet würden, sondern dass sie in dem kommenden Reich der sichtbaren Herrlichkeit einen hohen Platz einnehmen und zu Ehre kommen sollten. Der Herr sollte den natürlichen Stolz einer Mutter erfüllen – und diese Bitte wurde abgewiesen!

6. Der Sohn der Witwe von Nain (Lk 7). Auch hier gibt es Besonderheiten. Der verstorbene Sohn war ein junger erwachsener Mann und der einzige Sohn seiner Mutter; sie selbst war eine Witwe. Es wird nicht berichtet, dass die arme, verwitwete und weinende Frau irgendeine Bitte geäußert hätte, als die zwei Volksmengen aufeinandertrafen – die eine Volksmenge mit einem Toten in der Mitte, die andere Volksmenge mit Christus, dem Fürst des Lebens, in ihrer Mitte. Und obwohl sie nicht um Hilfe schrie und sich vielleicht überhaupt nicht bewusst war, dass Er der „Lebendige“ war, sah Er sie doch und wurde Er innerlich bewegt über sie und sagte zu ihr: „Weine nicht!“ Er „rührte die Bahre an; die Träger aber blieben stehen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! Und der Tote setzte sich auf und fing an zu reden; und er gab ihn seiner Mutter“ (Lk 7,13-15). Er handelt, ohne dass die Mutter Ihn gebeten hätte; in seinem unendlichen Erbarmen ist Er berührt von der Klage einer Mutter, die das Leid einer Witwe noch vermehrt hatte. Und die Macht, die immer im Dienst Seines Mitgefühls stand, bewirkte eine Befreiung, die sie niemals erwartet hatte, und trocknete ihre Tränen.

7. Ein gewisser königlicher Beamter in Kapernaum, dessen Sohn krank war (Joh 4). Hier begegnet uns noch einmal ein Gebet des Glaubens. Der Vater ging persönlich zu dem Herrn Jesus und bat Ihn, zu kommen und seinen Sohn zu heilen. Echter Glaube musste erprobt werden. Die ungläubige Menge war nur mit Zeichen und Wundern zufrieden, und ein Glaube, der sich nur auf sichtbare Dinge stützt, ist kein echter Glaube. Der königliche Beamte wiederholte seine Bitte und durfte dann das Wort hören: „Geh hin, dein Sohn lebt!“ (Joh 4,50). Hier triumphierte sein Glaube, denn der Mann nahm den Herrn ohne das geringste sichtbare Anzeichen beim Wort und ging nach Hause. Bereits unterwegs kamen ihm seine Knechte mit der freudigen Nachricht über die Genesung seines Sohnes entgegen. Diese Genesung fand wunderbarerweise genau in dem Augenblick statt, als Jesus die Worte der Macht aussprach. Kein Wunder, dass der königliche Beamte daraufhin mit seinem ganzen Haus glaubte! Das Bemerkenswerte ist, dass er schon vorher glaubte, denn der Glaube nimmt Ihn bei Seinem Wort und glaubt, was Er sagt, weil Er es sagt.

Wir haben diese sieben Beispiele aus den Evangelien kurz betrachtet, um eine sichere und gesunde – weil schriftgemäße – Antwort auf unsere Frage zu bekommen. Die Frage lautete: Haben christliche Eltern Grund, Gottes Eingreifen zum Segen ihrer Kinder zu erwarten?

Die freudige Antwort lautet: Ja, sie haben allen Grund, das zu erwarten. Ist das Kind ein Kleinkind, ein Säugling? Der Herr Jesus nahm Kleinkinder auf Seine Arme und segnete sie. Geht es um Kinder, die unter der Macht des Teufels leiden, dem Tod nahe sind oder schon gestorben sind? Oder geht es sogar um einen erwachsenen Sohn, der dem Tod zur Beute geworden ist und regungslos daliegt? In jedem Fall erhörte Er und wirkte Er Befreiung. Ja, in einem Fall gab es wohl eine Verzögerung, die Umstände verhinderten die sofortige Hilfe. In einem anderen Fall musste im Herzen der geplagten heidnischen Mutter erst die angemessene Selbstbeurteilung stattfinden, und wieder in einem anderen Fall wurde der verzweifelte Vater wegen seines schwachen und erschütterten Glaubens sanft getadelt. Und noch in einem anderen Fall wurde der aufrichtige Glaube erprobt, damit er umso deutlicher sichtbar würde. All das weise Handeln mit diesen Eltern erforderte etwas Zeit. Doch in jedem Fall wurde ihr Schreien gehört und über die Maßen erhört.

Es gab nur eine einzige Ausnahme, die aber umso bemerkenswerter war, weil die Bittenden schon bekannte Nachfolger und Diener des Herrn waren, bevor sie ihre Bitte vorbrachten. Sie waren die Einzigen der sieben, von denen wir das getrost sagen können, und sie waren die Einzigen, die abgewiesen wurden! Aber sie baten auch nicht um Segen oder Heilung oder Befreiung, sondern um Ehre und Bevorzugung! Darin liegt die „Absage“ des Herrn begründet. Es ist die eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Wir dürfen als christliche Eltern also im Vertrauen auf unsere Knie gehen, um unsere Kinder vor den Herrn zu bringen. Wenn wir sie zu Ihm bringen mit dem Wunsch, dass sie Ruhm und Ehre erlangen, so dass unser natürlicher Stolz auf sie noch vermehrt wird, wenn sie in der jetzigen oder in der zukünftigen Welt ausgezeichnet werden, dann brauchen wir nicht damit zu rechnen, dass der Herr handelt. Wenn wir sie bringen, damit der Herr ihrer tiefen Not begegnet und sie segnet, wird Er uns erhören.

Die unterschiedlichen Umstände auf unserer Seite werden kein Hindernis sein. Wir mögen jüdische Wurzeln haben oder aus den Nationen kommen, wir mögen einen kleinen oder unvollkommenen oder einen starken Glauben haben, oder wir sind vielleicht so von Trauer überwältigt, dass wir überhaupt keine hörbare Bitte mehr äußern – all das spielt keine Rolle. Unsere Kinder mögen jung oder alt sein, seelisch oder körperlich leiden oder sie leiden vielleicht überhaupt nicht – auch das spielt keine Rolle. Er wird befreien. Er wird segnen. Er wird das zu Seiner Zeit tun, um vielleicht sowohl Eltern als auch Kinder in „geistliche Übungen“ zu bringen und zu segnen, und das mag bedeuten, dass wir warten müssen. Aber Er wird es tun, Er wird es liebevoll und zartfühlend tun, indem Er sie sogar auf die Arme Seiner Liebe nimmt, um sie zu segnen.

Der Herr ist nicht mehr auf der Erde, so dass verzweifelte Eltern vor Ihm ausrufen könnten: „Lehrer, ich bitte dich, blicke hin auf meinen Sohn“ – oder „meine Tochter“, wie der Fall auch sein mag. Er ist im Himmel erhöht und Ihm steht alle Macht zur Verfügung. Doch Sein Mitgefühl ist noch genau dasselbe wie damals, als Er auf der Erde war: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8). Deshalb wird Er auch dein Schreien auf dieselbe unveränderte Weise beantworten – Er, der sich nicht geändert hat und sich nie ändern wird. Ist das nicht genug?

F.B. Hole

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2015, Heft 4