Freude

Fortsetzung von Seite 104

Bedingungen

Gottes Wort zeigt Bedingungen oder Voraussetzungen, die bei uns erfüllt sein müssen, damit wir die Freude im Herrn wirklich in unseren Herzen haben. Die Tatsache, dass Paulus die Gläubigen zur Freude auffordern musste (Phil 4,4), macht deutlich, dass wir diese Freude leider nicht immer in uns haben – offenbar deshalb, weil wir die Voraussetzungen nicht immer erfüllen.

Eigentlich ist es ja merkwürdig, dass wir überhaupt zur Freude aufgefordert werden, und wir könnten vielleicht fragen: Ist es denn möglich, sich in allen Lebenslagen zu freuen? Sind die Lebensumstände nicht häufig derart, dass sie uns jede Freude rauben? Doch wenn Gottes Wort uns zur Freude auffordert, können es nicht die Umstände sein, die uns daran hindern. Ist es nicht so, dass die wahren Hinderungsgründe in uns selbst liegen? Sicher gibt es auch schwere Prüfungen, die mit großer Trauer einhergehen. Aber liegt ein Mangel an Freude nicht häufig daran, dass wir eine irdische oder selbstbezogene Ausrichtung haben? Auch Paulus im Gefängnis hätte viele Gründe gehabt, Trübsal zu blasen. Aber er hatte eine andere Ausrichtung. Bei ihm sehen wir die Voraussetzung für diese Freude im Herrn erfüllt. Und diese Voraussetzung besteht darin, Christus vor den Herzensaugen zu haben. „Sie blickten auf ihn und wurden erheitert“, war schon Davids Erfahrung (Ps 34,6). So hatte es offenbar auch der Liederdichter für sich beschlossen: „Drum blick ich nur auf Ihn, oh seliger Gewinn!“ Es ist allerdings nicht nur mit einem kurzen Blick getan, vielleicht in einer Notsituation, sondern wir müssen beständig auf Ihn ausgerichtet sein. Je mehr ich in Seiner Gemeinschaft und Nähe lebe, desto besser lerne ich Ihn kennen, umso mehr erfüllt mich das glückliche Bewusstsein, wer Er wirklich ist und wen ich in Ihm besitze, meinem Erlöser und Hirten, meinem Sachwalter und Hohenpriester, meinem Herrn, der für mich starb und jetzt lebt, der erhöht zur Rechten Gottes ist und sich so innig mit mir verbunden hat. Wenn das mehr vor unseren Herzensaugen steht, bekommen wir Auftrieb, und die Freude in Ihm wird mehr und mehr angefacht.

Freude als Frucht des Heiligen Geistes

Können wir aus Gottes Wort noch weitere Voraussetzungen für die Freude im Herrn ableiten? Wenn wir das Neue Testament untersuchen, stellen wir fest, dass die Freude im Herrn, die wahre christliche Freude, da gefunden wird, wo der Heilige Geist wirksam ist (vgl. Apg 13,52; Röm 14,17). Wenn wir im Geist wandeln und der Geist Gottes sich in unserem Leben entfalten kann, wird Er unsere Herzen auf Christus hinlenken. Das ist das Hauptziel Seiner Tätigkeit – Er möchte uns mit der Person des Herrn Jesus beschäftigen, möchte Ihn groß machen in unseren Herzen und uns ganz auf Ihn hin ausrichten. Wenn Ihm das gelingt, dann wird auch die Freude im Heiligen Geist nicht ausbleiben. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Paulus die Freude als wesentlichen Bestandteil der Frucht des Heiligen Geistes erwähnt (Gal 5,22). Diese Freude des Geistes hat verschiedene Aspekte, die wir uns anschauen möchten, verschiedene Bereiche, wo sie zutage tritt. Der größte und übergeordnete Aspekt ist zweifellos die Freude im Herrn.

Freude der Gemeinschaft

Nicht weniger charakteristisch für jemand, der neues Leben besitzt, ist die Freude, die uns Johannes in seinem ersten Brief vorstellt. Johannes spricht in seinem Brief von den Merkmalen und Vorrechten derer, die ewiges, göttliches Leben empfangen haben. Dieses Leben zeichnet sich nach den Worten des Herrn Jesus dadurch aus, dass wir „den allein wahren Gott und den Er gesandt hat, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3). Und wenn der Herr Jesus von „erkennen“ spricht, dann beinhaltet das, dass wir in eine Beziehung zu Gott gebracht sind, den Er uns offenbart hat, und dass wir diese Beziehung wahrnehmen, dass wir sie genießen und darin leben. Durch das göttliche Leben sind wir in die Gemeinschaft mit göttlichen Personen gebracht und befähigt, uns an dem Vater und mit Ihm zu erfreuen und Seine Gedanken zu teilen. Wir kennen den Vater des Herrn Jesus als unseren Vater. Und so haben wir Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohn. Mit dem Vater haben wir Gemeinschaft, indem wir Seine Gedanken, Seine Freude an Seinem Sohn teilen, uns mit Ihm an dessen Vortrefflichkeiten erfreuen, die dem Vater unendlich viel bedeuten. Die Gemeinschaft mit dem Sohn haben wir in Bezug auf den Vater. Der Sohn teilt gewissermaßen seine Beziehung mit uns: „mein Vater, euer Vater, mein Gott und euer Gott“ (vgl. Joh 20,17). Dieses erhabene Vorrecht bringt – sofern wir es im Glauben verwirklichen – unsere Freude auf ein Vollmaß. Ein größeres Privileg, eine größere Freude kann es selbst im Himmel nicht geben (1. Joh 1,3.4).

Freude des Heils

Die Freude als Frucht des Heiligen Geistes hat allerdings noch weitere Aspekte. So möchte der Geist Gottes denen, die durch Gottes Gnade erlöst und befreit sind, die Freude des Heils schenken, die Freude der Errettung. Von dieser Freude kannte auch David etwas. Allerdings war ihm diese Freude verloren gegangen, nachdem er in Sünde gefallen war, und es war ihm ein dringendes Anliegen, dass die „Freude deines Heils“ wiederkehrte (Ps 51,14).

Auch in dem Lied, das die Kinder Israel nach dem Durchzug durch das Rote Meer anstimmten, zeigte sich Freude über die Rettung, die Gott ihnen geschenkt hatte.

Viel größer und umfassender als diese zeitliche Befreiung, die Israel erlebte, ist die Errettung, die Gott uns geschenkt hat. Von diesem gemeinsamen Heil war Judas so erfüllt, dass er die Absicht hatte, den Gläubigen einen Brief darüber zu schreiben (Jud 1,3). Doch Gott hatte sich ein anderes Werkzeug erwählt: Er benutzt den Apostel Paulus, um das große Heil Gottes darzustellen. Durch ihn zeigt Er uns, was dieses Heil, das im Evangelium offenbart wird, beinhaltet: Menschen, die von Natur unter dem Verdammungsurteil des göttlichen Richters standen, sind nun gerechtfertigt durch Seine Gnade. Gott selbst hat uns auf der Grundlage des Sühnungswerkes für gerecht erklärt, Er hat uns freigesprochen von aller Schuld und Sünde, so dass wir jetzt Frieden mit Gott haben. Auch von der Knechtschaft der Sünde hat Gott uns befreit durch den Tod Seines Sohnes. Je mehr wir uns bewusst machen, wer wir als Sünder waren und was wir in Gottes Augen verdient hatten, umso dankbarer sind wir für das, was Gott uns in Seiner Gnade geschenkt hat aufgrund des Werkes von Golgatha, und desto mehr wird uns auch die Freude des Heils erfüllen.

Freude der Hoffnung

Eine weitere Freude, die wir als Christen unabhängig von allen Lebensumständen genießen dürfen, ist die Freude der Hoffnung. Schon Salomo sagt in den Sprüchen, dass das Harren der Gerechten Freude wird, weil sich ihre Hoffnung in einer herrlichen Weise erfüllen wird (vgl. Spr 10,28). Dabei hat Salomo die Segnungen Israels im Tausendjährigen Reich vor Augen. Weit großartiger ist die Hoffnung des himmlischen Volkes Gottes. Wir erwarten den Herrn Jesus, der uns in den Wolken entgegenkommt, um uns zu sich ins Vaterhaus zu holen. Als Heiland unseres Leibes wird Er unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leib der Herrlichkeit (Phil 3,21). Das wird der große Augenblick sein, wenn wir Ihm gleich sein werden und Ihn sehen, wie Er ist. Ist das nicht eine glückselige Hoffnung (vgl. Tit 2,13)?

Leider ist es so, dass wir die Freude der Hoffnung nicht immer lebendig in unseren Herzen haben. Deshalb fordert uns Paulus in Römer 12,12 auf: „In Hoffnung freut euch“. Wir müssen als Helm die „Hoffnung der Errettung“ tragen (vgl. 1. Thes 5,8), damit uns diese Hoffnung mehr vor Augen steht. Letztendlich ist auch die Freude der Hoffnung eine Frucht des Heiligen Geistes, die wir erleben, wenn wir uns Seiner Leitung überlassen. Genau das wünscht Paulus den Gläubigen in Rom: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, damit ihr überreich seid in der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm 15,13). Wenn der Heilige Geist in uns wirkt und unsere Herzen auf Christus hinlenkt, wird Er auch auf Ihn als den Kommenden hinweisen, auf Christus als den großen Gegenstand unserer Hoffnung (vgl. 1. Tim 1,1; Off 22,17).

Freude über Gottes Wort

Menschen, die in der Kraft des Heiligen Geistes leben, werden auch Freude an Gottes Wort empfinden. Diese Freude kannte auch der Dichter des 119. Psalms. Er liebte Gottes Gesetz und freute sich darüber wie jemand, der große Beute findet (vgl. V. 47.97.162). Wenn Gottes Wort schon bei einem Gläubigen des Alten Testaments solche Freude auslöste, wie viel mehr müsste es bei denen der Fall sein, die den Geist Gottes in sich wohnend haben? Durch Ihn haben wir ein viel tieferes Verständnis dieses Wortes. Die Propheten des Alten Testaments verstanden manches nicht, was sie unter der Leitung des Geistes niederschrieben und mussten nachsuchen und forschen, auf welche oder welcherart Zeit der Geist Christi in ihnen hindeutete (1. Pet 1,10.11). Wir aber dürfen die volle Offenbarung Gottes in Christus haben. Dadurch erkennen wir auch in den Bildern des Alten Testaments Hinweise und Vorbilder auf den Herrn Jesus. Diese großartige Person, die der Mittelpunkt der Gedanken und des Ratschlusses Gottes ist, die als Mensch auf die Erde gekommen ist, um das große Werk zu vollbringen, möchte uns der Geist Gottes durch das Wort vor die Herzen stellen. Aber auch Gottes Gedanken in Bezug auf diese Erde und auf Sein irdisches Volk hat Er uns mitgeteilt. Er teilt uns Seine Absichten und Gedanken mit – darin dürfen wir mit Ihm Gemeinschaft haben. Sind wir begierig wie neugeborene Kinder nach der unverfälschten Milch des Wortes Gottes (1. Pet 2,2) und löst dieses Wort bei uns Freude aus?

(Wird fortgesetzt) Ch. Mohncke

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2015, Heft 5