Die Hoffnung der Gläubigen

Die Wiederkunft des Herrn ist die Hoffnung der Versammlung. An manchen Stellen der Schrift wird uns diese Erwartung durch den Geist Gottes vorgestellt. Nachdem durch Sein erstes Kommen der Grund dazu gelegt war, jedem Menschen Heil und Frieden zu bringen, blieb der wichtigste Teil der Unterweisung für die Gläubigen das zweite Kommen des Herrn. Ganz ohne Zweifel muß die Seele zunächst einmal ihre Errettung als Grundlage alles Heils erkannt haben. In dieser Erkenntnis wird die Person des Herrn dem Auge des Glaubens immer kostbarer, und solange die Versammlung ihrem Zustand nach gesund war, blieben auch die Herzen aller Gläubigen in der Erwartung Seiner Wiederkunft ausschließlich auf Ihn gerichtet.

Wir müssen zu einem inneren Verständnis dafür gelangen, wie es nach dem Zeugnis der Schrift in jenen Zeiten auch schon vorhanden war, daß es sich bei dem Kommen Christi nicht um eine willkürliche Spekulation oder das besondere Gedankengut nur einiger weniger handelte, sondern daß es der Versammlung als eine Wahrheit von grundlegender Bedeutung gegeben wurde, Bestandteil aller ihrer Gewohnheiten und ihrer Vorstellungen war und jeden einzelnen ihrer Gedanken beherrschte. Von jeher hat sich gerade diese Wahrheit mächtig erwiesen, um das Herz auf der Reise durch die Wüste auf dem Weg der Absonderung zu bewahren. Wenn unsere Herzen von der Liebe Gottes und von dem Wunsch, den Herrn Jesus zu schauen, erfüllt sind, können wir das Gebet des Apostels wohl verstehen: „Der Herr aber richte eure Herzen zu der Liebe Gottes und zu dem Ausharren des Christus!“ (2. Thes 3,5). Wir haben nicht mehr lange zu warten, und das Ausharren ist der Mühe wert!

Wir finden auch, daß die Unterweisung der Schrift über die Wiederkunft Christi zugleich die Bedeutung Seines ersten Kommens in ein klareres Licht stellt. Denn Sein zweites Kommen bringt für die Gläubigen das Ende ihrer Errettung, es bewirkt auch für ihre Leiber das Ergebnis der lebenspendenden Macht, das Christus bereits in ihren Seelen auf Grund der durch Ihn am Kreuz erworbenen völligen Gerechtigkeit zustande gebracht hat. Er kommt, um sie zu Sich in die Herrlichkeit zu nehmen, auf daß, wo Er ist, auch sie seien, um ihre Leiber der Niedrigkeit zu verwandeln und sie gleichförmig Seinem Leibe der Herrlichkeit zu gestalten. Die Auferstehung der Gläubigen ist eine Auferstehung zum Leben, nicht eine Auferstehung zum Gericht.

Für alle, die des Lebens teilhaftig und aus Glauben gerechtfertigt worden sind, ist es eine Auferstehung in Herrlichkeit, oder doch ein Verwandeltwerden dazu durch die Macht des Herrn. Wenn die Menschen, auch selbst viele Christen, an das Gericht denken und mit Martha sprechen: „Ich weiß, daß er auferstehen wird in der Auferstehung am letzten Tage“, lassen Sie das Gericht der Lebenden außer acht und vergessen, daß dann das Gericht der Welt sein wird, wenn mitten unter ihr Essen und Trinken „plötzliches Verderben über sie kommen wird, gleichwie die Geburtswehen über die Schwangere; und sie werden nicht entfliehen“ (1. Thes 5,3). Dieser Gedanke ist den Menschen natürlich unangenehm. Darum schieben sie das Gericht Gottes auf einen unbekannten und Ungewissen Zeitpunkt hinaus und hoffen im stillen, daß alles noch irgendwie zurechtkommen werde. Sie meinen, daß dann ihr endgültiges Los bestimmt werden, und daß es die ewige Seligkeit bedeuten wird.

Ganz gewiß kommt einmal das Gericht, aber alle diese menschlichen Gedanken sind ein furchtbarer Irrtum. Nach dem Worte Gottes steht das Urteil jetzt schon fest: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet.“ Wenn wir auf die Darlegungen der Schrift eingehen, ist alles so einfach wie nur möglich: das erste Kommen des Christus, um den Willen Seines Vaters zu tun, war in seiner Auswirkung so vollkommen, daß alle, die dem ersten Kommen angehören, die durch den Glauben Anteil haben, Vergebung empfangen haben, gereinigt und gerechtfertigt worden sind, und daß Er sie, wenn Er zum zweiten Male kommt, in die Herrlichkeit einführen wird. Wenn wir die Wahrheit erfassen, daß Sein Kommen dazu dient, die Seinen zu sich zu nehmen, und wenn wir erkennen, daß Seine Wiederkunft für uns die Herrlichkeit bedeutet und wir in Sein Bild verwandelt werden, um für immer bei Ihm zu sein, so wird dies auch unser Denken beherrschen und keine Sache von untergeordneter Bedeutung für uns sein.

Der Tod ist nicht der Gegenstand der Erwartung des Christen. Wir erwarten nur, Ihn zu sehen! Er kann morgen kommen oder heute, vielleicht sogar im nächsten Augenblick. Wenn Er nun käme, würde das nicht alle unsere Pläne über den Haufen werfen? Wenn wir ernstlich mit Seinem Kommen rechneten, würde das nicht in allen unseren Gedankengängen eine gewaltige Veränderung hervorrufen? Ganz sicherlich würde es das! Stellen wir uns vor, eine Frau würde ihren Mann von einer langen Reise zurückerwarten: würde sie nicht stets darauf bedacht sein, jederzeit alles für ihn bereit zu haben?

Eine weitere Segnung in dem Gedanken an das Kommen des Herrn ist, daß es uns Ihm so nahe bringt. Wir denken nicht nur daran, in den Himmel zu kommen und glücklich zu sein. In jeder Hinsicht werden dort von der Gegenwart Gottes unzählige reiche Segnungen ausgehen. Doch es ist etwas anderes, wenn ich weiß: Einer kommt, den ich kenne, der mich liebt, der Sich selbst für mich hingegeben hat, und den auch ich lieben gelernt habe. Ich werde auf ewig bei Ihm sein!

So lenkt der Herr unsere Blicke auf Sich und wird unser ausschließlicher Gegenstand für alle unsere Gedanken. Es gibt keine gewaltigere Umwälzung als diese, und nichts ist dabei gewaltiger als das in alle Einzelheiten gehende Zeugnis der Schrift. Sie erleuchtet die Seele mit der Klarheit des göttlichen Lichtes, sie offenbart uns den Herrn und läßt uns in Seiner Gegenwart die Überlegungen unserer Herzen erkennen. Sie beurteilt alle Gedanken und Gesinnungen unserer Herzen und zeigt uns, was sie in Wahrheit sind.

Auf dreierlei Weise wird uns der Herr in der Schrift vorgestellt: bei Seinem ersten Kommen am Kreuz; nach Seiner Auferstehung sitzend zur Rechten Gottes, und bei Seinem zweiten Kommen auf dem Weg, um uns heimzuholen. Er ist der Gekreuzigte, Er ist der Auferstandene, und Er ist der Kommende! Am Kreuz hat Er zunächst zu allem, was wir besitzen, den Grund gelegt. Jetzt sitzt Er zur Rechten Gottes, während Er uns den Heiligen Geist gesandt hat, der uns als Sachwalter gegeben ist, um in allen, in denen Er Wohnung gemacht hat, die volle Gewißheit des Glaubens an die Vollgültigkeit des Werkes Christi und unserer Errettung zu bewirken. Die Liebe Gottes und das eigene Heilsbewußtsein lassen uns also Sein Wiederkommen mit tiefster Sehnsucht herbeiwünschen.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1974, Seite 99

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