Gott / Jesus Christus

Ein Tag in Psalm 22

Psalm 22 beschreibt die drei Phasen eines symbolischen Tages, der durch die Person und das Werk unseres geliebten Erlösers ausgefüllt ist. Dieser Tag teilt sich in drei Zeitabschnitte: die Nacht (V. 1-21), die Morgenröte (V. 22-25) und der Mittag (V. 26-32).

Im ersten Teil, der Nacht, sehen wir Christus, den „Frommen“ (Ps 16) und „Gerechten“ (Ps 17), verlassen von seinem Gott, dem heiligen Gott[1], in den Er sein ganzes Vertrauen gesetzt hatte. Die tiefste Nacht hatte sich über das ganze Land ausgebreitet (Mt 27,45). Dieser Mann, dieser vollkommene Mensch, befindet sich in der äußersten Finsternis des Gerichts Gottes. Ohne Verteidigung ist er von den schlimmsten Leiden überwältigt. Die Schwere der Leiden lässt sein Herz wie Wachs werden, das in seinem Inneren zu schmelzen scheint. Seine Erniedrigung geht hin bis zum Staub des Todes. – Und doch verlässt Ihn nicht für einen Augenblick sein Vertrauen. „Errette mich!“, ruft Er inmitten der Not. Dreimal ruft seine heilige Seele nach Rettung:

• „Errette vom Schwert meine Seele“, vom Schwert des Gerichts, das gegen Ihn von der Hand Gottes selbst erhoben wird (vgl. Sach. 13,7).

• „Errette vom Schwert meine Seele, meine einzige von der Gewalt des Hundes“, von der Menge der brutalen und gewalttätigen Menschen, die kein Erbarmen und keine Skrupel diesem „Mann der Schmerzen“ gegenüber kennen.

• Und wieder ruft der Gekreuzigte: „Rette mich aus dem Rachen des Löwen.“ Er ruft nach Rettung von Satan selbst, der danach strebt, Ihn zu verschlingen.

Hier sehen wir die Sühnung in ihrem ganzen Ausmaß. Nur Er allein konnte diesen Abgrund in seiner ganzen Schrecklichkeit und Härte begreifen und ergründen.

So stirbt Er, der Heilige und Gerechte.

Sein Gott antwortet Ihm, nicht um ihn „vor“ dem Tod zu retten, sondern „vom“ Tod zu erretten, um Ihn in der Auferstehung aus dem Tod herauszuführen. Die Erlösung ist vollbracht, die Nacht ist vorbei und die Morgenröte geht am Horizont auf (V. 22-25).

Welch ein Gegensatz! Vor unseren Augen öffnet sich eine wunderbare Aussicht! Dort ist kein Wort mehr von Finsternis, von Dunkelheit und von Gericht zu hören. Das Bild gleicht einem wolkenlosen Himmel, der einen Neuanfang bedeutet und von absoluter Reinheit ist. Die ganze Erde scheint in seiner Auferweckung vom Glanz der Morgenröte erleuchtet zu sein. „Verkündigen will ich deinen Namen meinen Brüdern.“ – Das ist der Himmel! Mit diesem Satz tritt der Erstgeborene einer himmlischen Familie mit ihr „im Himmel“ vor seinen Gott, der auch ihr Gott ist. Er tritt mit ihnen vor seinen Vater, der auch ihr Vater ist (Joh 20,17). Aber Er verbindet sich auch mit seiner irdischen Familie, indem Er ausruft: „Inmitten der Versammlung will ich dich loben.“ Er ist es, der das Loblied der Erlösung anstimmt, das nur Er in seiner vollen Tiefe ergründen kann: Er, der Auferstandene aus den Toten! Seine Freude findet ihr Echo im Herzen und im Mund seiner Geliebten.

Und dann erhebt sich die Sonne (V. 26-32), ein wolkenloser Tag, an dem die Sonne der Gerechtigkeit aufgeht mit Heilung in ihren Flügeln! Die Herrlichkeit der Erlösung scheint auf die Erde. Der Tag bricht an, an dem sein irdisches Volk seinen Erlöser erkennen wird. Und auch die Nationen verneigen sich vor Ihm. Sein Lob erhebt sich von Zeitalter zu Zeitalter und von der Erde bis zum Himmel! „Alle Enden der Erde werden sich erinnern und zu dem Herrn umkehren; und vor dir werden niederfallen alle Geschlechter der Nationen“ (V. 28). Das wird die Zeit sein, an dem das Tausendjährige Reich die Herrlichkeit des Herrn auf der Erde verkünden wird: Es wird der Triumph der Gerechtigkeit sein. Doch die Herrlichkeit dieses Reichs wird schon vorher übertroffen werden durch den strahlenden Morgenstern, der den Triumph der Gnade einläuten und uns in die himmlische Herrlichkeit einführen wird.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bist fern von meiner Rettung, den Worten meines Gestöhns?

Psalm 22,2



Fußnoten:

  1. Das Wort „El“, das für Gott in seiner Heiligkeit und Macht steht (im Gegensatz zu „Elohim“, dem Schöpfer-Gott), wird häufig in den Psalmen gebraucht und oft von dem Herrn Jesus als Mensch ausgesprochen (V. 2.11).

Henri Rossier

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2025, Heft 11, Seite 21

Bibelstellen: Psalm 22; 16; 17; Matthäus 27,45; Johannes 20,17; Sacharja 13,7;

Stichwörter: Christus, Gerechte, Heilige, Herrlichkeit, Nacht, Psalm 22, Reich, Tag