Die Gnade

O, wann wird das Herz des Menschen sich erheben, selbst in Gedanken, zu der Höhe der Gnade und der Geduld Gottes?

Die Art und Weise, wie der natürliche Mensch die Barmherzigkeit versteht, ist nicht, daß Gott die Sünde tilgt durch das Blut Jesu, sondern, daß Er die Sünde mit einer gewissen Gleichgültigkeit behandelt: Das ist nicht die Gnade!

Nichts gibt es umsonst in dem „fernen Land“, selbst nicht die Träber der Schweine, Satan verkauft alles sehr teuer: unsere Seelen sind der Preis. Man muß alles kaufen. Das Prinzip der Welt ist: Nichts umsonst. Um jemand zu finden, der gibt, muß man zu Gott kommen.

Die Gnade hat weder Grenzen noch Schranken. So schuldig wir auch sind (und wir könnten nicht schlimmer sein), trotzdem ist Gott uns gegenüber Liebe.

Das Gesetz kann unser Gewissen foltern, aber die Gnade demütigt uns.

Christus ist, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben (Röm 5,8), Wir finden zwei Wahrheiten in dieser Stelle; erstens, daß der Sünder ohne Kraft und ohne Hilfe ist. Wie der verlorene Sohn hat er sein ganzes Gut vergeudet; auch als er zu sich selber kommt und sich vorbereitet, zu seinem Vater zurückzukehren, hat er nichts ihm zu bringen. Sein ganzes Vermögen wird über Bord geworfen, wie das eines schiffbrüchigen Matrosen. Alles geht mit den Wellen fort; er selbst, mit den dunkeln Fluten kämpfend, wird an den Strand geworfen, abgemagert, beraubt und nichts besitzend. Aber gepriesen sei Gott! In unserem Elend finden wir Ihn an diesem Strand, Er ist da, und Er ist da für uns! Wir wissen ferner, daß Er uns nicht verstoßen wird, und daß mir auf alle Segnungen zählen können, welche Gott geben kann. „Er, der doch seines eignen Sohnes nicht verschonet, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat, wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken?“ (Röm 8,32.)

Was mir das Gefühl der Schrecklichkeit der Sünde gibt, ist die Unermeßlichkeit der Gnade, welche sie wegnimmt.

J. N. D.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1948