Beten

I. Das persönliche Gebet der Kinder Gottes

Auf welche Beziehungen kann der wiedergeborene, fröhliche Christ den Frieden seines Herzens zurückführen, der für das geistliche Leben eine so wertvolle Bedeutung hat? Auf seine Kindesbeziehungen zu dem großen, ewigen Gott! Wo sind die Quellen zu suchen, aus denen die innige Zuneigung zum Vater und zum Sohne hervorgeht? Wo findet der Pilger auf dem Wege zur himmlischen Heimat Glaubensmut und Glaubenskraft? Wir antworten: Im gewissenhaften Lesen und Erforschen des teuren Wortes Gottes. Wer wollte dem nicht freudig zustimmen? Doch wir müssen hinzufügen, daß dieses heilige Wort zu inbrünstigem und anhaltendem Gebet aufweckt und anleitet.

Der Herr Jesus stellt sich selbst im Gebet vor unsere Seelen. Er hat gesagt: „Ich bin stets Gebet.“ In Matthäus 6 gibt Er uns außergewöhnlich wertvolle Belehrungen über das rechte Beten. Er sagt deutlich, wie wir nicht beten sollen, und wie Er will, daß wir beten. In der Kammer soll es geschehen, im Verborgenen, „und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten“. Wir dürfen unserem Gott und Vater im Gebet alles darlegen, sowohl die allerkleinsten, als auch die allerschwersten Anliegen, die größten und die geringsten Sorgen. Manche Nöte bereiten uns weniger Kummer, andere wollen anhaltende und kaum tragbare Lasten auf unsere schwachen Schultern legen. Aber alle Sorgen und alle Anliegen und Nöte werfen wir auf Ihn, „denn er ist besorgt für euch“. Wie ermunternd und tröstlich ist diese Zusicherung, die uns in Seiner Liebe ruhen läßt, wenn Stürme toben und Trübsalswellen uns ängstigen und niederbeugen wollen!

II. Das Gebet der Mutter

Jede gläubige Mutter, die vom christlichen Leben geformt ist, weiß von der Notwendigkeit des anhaltenden Gebets, und zwar, so weit es tunlich ist, mit ihren Kindern gemeinsam. Ihr Hauptaugenmerk ist auf die Kinder gerichtet, ihnen widmet sie sich vor allen sonstigen Aufgaben. Sie sollen frühe den Herrn Jesus kennenlernen, frühe Ihn als ihren Heiland finden. Die eigenen Schwachheiten erkennend, klammert sich die Mutter an Den, von dem allein Hilfe zu erwarten ist. Alle Vorgänge um die Kinder und die Erfordernisse des Haushaltes mit den mancherlei Aufgaben und ununterbrochenen Mühen sind die Gegenstände ihrer Gebete. Sie betet allein, sie betet mit den Kindern. Auf den Knien findet sie neue Kraft, weiteres Ausharren und Vertrauen.

Ein betagter Bruder im Herrn empfiehlt der jungen Mutter: Gewöhne deine Kinder beizeiten an unbedingten Gehorsam! Wenn du mit ihnen abends betest, bete knieend und bete nicht zu lange! Beschränke die Gebetsanliegen auf das, was die Kinder verstehen können! Wenn es im Raum nicht genügend warm ist, entkleide die Kinder nicht vorher! Beachtest du dies, so wird in den meisten Fällen solch ein gottwohlgefälliges Familienleben mit den Kindern durchs Leben gehen, es wird sie begleiten und beeinflussen. Wie wertvoll sind die Kinder in Gottes Augen: „Sehet zu, daß ihr nicht eines dieser Kleinen verachtet; denn ich sage euch, daß ihre Engel in den Himmeln allezeit das Angesicht meines Vaters schauen, der in den Himmeln ist. Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, das Verlorene zu erretten.“

III. Das Gebet des Vaters

bewegt sich zwar auf höherer Ebene, es darf jedoch von dem der Mutter und der Familie nicht getrennt werden, sondern ist aufs engste damit verknüpft. Den Vater beschäftigen die Aufgaben seines Berufes, Fragen, die das Wort Gottes und Sein Werk betreffen, dazu Besuche, die ihn zu kranken und alten Geschwistern führen. Er möchte seinen Kindern nicht nur ein im Wort gereifter Lehrer, sondern auch in seinem praktischen Verhalten, im Reden, im Schweigen ein klar leuchtendes Vorbild sein. Er fühlt seine Schwächen, wie die Mutter die ihren, die ihn immer wieder zum Gebet veranlassen, dem der Feind hindernd im Wege stehen will.

Von Gott wird der Vater als der Ihm Verantwortliche im Blick auf die Erziehung der Kinder angesehen. Hält er dahingehende Rückblicke, so werden sich nicht aufzuholende Mängel zeigen, die ihn demütigen und zu anhaltendem Gebet zwingen. Die Mutter wartet auf das Gebet und Flehen des Vaters mit der Familie. Wenn sie niederknien, finden alle neues Aufleben, empfangen eine geistliche Erfrischung und zugleich eine Ermahnung, indem die Gegenwart Gottes empfunden wird, die ihr Siegel den Eltern und den Kindern aufdrückt.

Auf den Versammlungsbesuch muß besonders geachtet werden, ebenso auf eine Beteiligung am Dienst in der Versammlung. Das Lesen des Wortes und der alten bewährten Schriften darf nicht übersehen werden. Alles dieses umfaßt eine Fülle von wichtigen Gebetsgegenständen.

Für den Vater sollte es ein besonderes Gebetsanliegen sein, nicht Veranlassung zu geben, daß die Kinder mißmutig oder gar zornig werden. Es ist leicht der Fall, wenn der Vater allzu strenge Befehle gibt und ihm nicht zusagendes Verhalten der Kinder überspitzt tadelt. Die Kinder müssen aus dem Reden und Tun des Vaters erkennen: ich bin ein Gegenstand seiner Liebe. Es darf nicht geschehen wie bei einer sterbenskranken Tochter, deren Vater nun eine innige Zuneigung und Liebe offenbarte. Sie sagte: „Vater, ich wußte bisher nicht, daß du mich lieb hast.“ Wieviel gibt das den Eltern, besonders dem Vater, zu bedenken! Sind die Herzen der Eltern von der Liebe und Gesinnung Christi erfüllt, weihen sie Ihm ihre Zeit und ihre Kräfte, erwidern sie spürbar Seine Liebe, so wird den Kindern der Weg geebnet, um in gleicher Weise dem Herrn Jesus zu leben und zu dienen, selbstverständlich unter der Voraussetzung, daß sie errettet sind.

Das Ringen um die Errettung aller Kinder nimmt naturgemäß einen besonderen Platz in den Gebeten der Eltern ein. Der so schwerwiegende Gedanke, daß die unbekehrten Kinder dem zeitlichen und ewigen Gericht verfallen, wenn sie bis zum Kommen des Herrn nicht Frieden gefunden hätten, muß sie ununterbrochen begleiten.

IV. Das Gebet in der Versammlung

Am Tische des Herrn beten wir an. Der Heilige Geist stellt die ewige Liebe des Vaters und des Sohnes, die am Kreuze geoffenbart wurde, vor die Herzen, wodurch die Versammlung zur Anbetung angestimmt wird, die durch Lied und Gebet ausgedrückt wird. Die wahre Anbetung hat nicht die Singenden und Betenden selbst zum Inhalt; die Versammlung kann hier also nicht mit der Errettung oder Erlösung beschäftigt sein, für die wir in den sonstigen Zusammenkünften Dank darbringen. Wir betrachten beim Brotbrechen doch eigentlich nur das große Liebeswerk, das auf Golgatha seinen bemerkenswerten Höhepunkt gefunden hat, während wir das Danken, das sich auf die Gläubigen bezieht, auf die Gebetsversammlung oder auch auf die Wortbetrachtung verlegen.

In 1. Korinther 14 behandelt der Apostel Paulus in beachtenswerter Darstellung den Dienst in der Versammlung und berührt dabei auch das Beten und Singen. Beides soll durch den Geist Gottes in Verbindung mit dem Verstand bewirkt werden. Das Vorschlagen jedes Liedes muß unter der Leitung des Heiligen Geistes geschehen. Der betende Bruder muß auf den Charakter der betreffenden Versammlung, aber auch auf den Sinn des vorangegangenen Liedes achten und sich sowohl durch den Geist als auch durch seinen Verstand leiten lassen. Wie wichtig ist es, das zu beachten, sowohl für den Anfang als auch für den Schluß der Versammlung, die durch Singen und Gebet umrahmt wird.

Für die Gebetsversammlung finden wir in Apostelgeschichte 12 ein recht wertvolles Vorbild. Nicht einige sind versammelt, um zu beten, viele sind es. Sie hatten wohl nur einen Gegenstand des Gebets: den gefangen gesetzten Petrus. Welche Belehrung finden wir in den kurzen Worten für uns heute! Manche versäumen das Zusammenkommen zum Gebet, „wie es bei etlichen Sitte ist“. Es ist ein Versäumnis für ewig, das jeder einst vor dem Richterstuhl des Christus einsehen muß. Wie ernst!

Wenn auch ein Gebetsgegenstand hinreichend sein kann, so können es natürlich auch mehrere sein, alles, was Gott dem einzelnen Bruder aufs Herz legt. Es besteht die Gefahr, daß wir nicht genügend aufeinander, noch auf die Leitung des Geistes achten. Ebenso können die Brüder den Geist dämpfen, indem sie das Anliegen, das ihnen der Herr aufs Herz legte, nicht im Gebet vorbringen. Ein kurzes Gebet ist im allgemeinen der Versammlung angenehmer als ein ausgedehntes. „Herr, lehre uns beten“, sagen die Jünger, und der Herr gibt ihnen unter anderem zu verstehen, daß ein Gebet in der Öffentlichkeit nur wenige Bitten umfassen sollte, die der Herr aufs Herz gelegt hat. Würde diese Belehrung des Herrn in den Gebetsversammlungen mehr beachtet, würde sich manches lebendiger und wohltuender gestalten.

Noch kurz das Gebet „im Namen Jesu“. Das will nicht sagen, daß wir nach jedem Gebet die Schlußformel gebrauchen sollen: im Namen Jesu. Es kommen vielmehr Gebete in Frage, die dem Herzen und den Gebeten des Herrn Jesus selbst entsprechen und die sich somit auf einer Höhe bewegen, die in besonderer Weise den Ratschlüssen und den Belangen Gottes gerecht werden. „Und was irgend ihr bitten werdet in meinem Namen, das werde ich tun, auf daß der Vater verherrlicht werde in dem Sohne.“

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1968, Seite 26

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