Treue Fürsorge

Gottes Sorge für uns in den alltäglichen Dingen des Lebens erscheint uns oft überraschend, obwohl sie doch unaufhörlich da ist. Haben wir nicht manchmal besorgt und ängstlich gefragt, was wohl der morgige Tag uns bringen mag? Aber während wir noch schliefen, hatte Er uns in der Wüste schon einen Tisch bereitet. Wie bewirkte dann der Anblick einer kostbaren Versorgung durch himmlische Hände Beschämung und Selbstvorwurf bei uns! Wir hatten vergessen, daß unser Vater unsere Bedürfnisse für die Seele und auch für den Leib kannte. Wahrlich, wir sind oft schwach im Glauben, aber unser Gott ist treu.

Gott macht aber auch den Unvermögenden fähig und stark. So legte Elia eine große Energie an den Tag, als er vor dem Wagen Ahabs vom Karmel bis nach Jisreel herlief. Aber er vermochte nur so zu laufen, weil er den verborgenen Platz der Kraft kannte. Der Mann Gottes, der ein Mann des Gebetes war, wollte sich nicht eher von seinen Knien erheben, bis die kleine schwarze Regenwolke erschien. Dann erhob er sich gleich einem Adler und lief nach drei Jahren der Hungersnot und wurde nicht müde.

Aber selbst das feine Gold kann verdunkelt werden. Isebels scharfe Zunge flößte dem Propheten, der auf dem Berge Karmel allein den vierhundert Propheten des Baal gegenübergestanden hatte, Furcht ein. Den Zorn der Königin fürchtend, floh er in die Wüste und setzte sich unter einen Ginsterstrauch. In seiner Verzagtheit betete er, „daß seine Seele stürbe“, und er legte sich nieder und schlief ein. Der Prophet befand sich hungernd in einem dürren Lande. Doch bei seinem Erwachen war für Elia eine Überraschung bereit. Es waren keine Raben da mit einer Portion Brot und Fleisch; die Berührung, die ihn aufweckte, kam nicht von einer Witwe mit ihrem unerschöpflichen Mehltopf und einigen Stücken Holz zu einem Feuer; ein Engel des Herrn rührte ihn an und hatte für seine Bedürfnisse gesorgt. „Ein Kuchen, auf heißen Steinen gebacken, und ein Krug Wasser“, die Gaben seines Gottes, waren zu seinen Häupten. Er sollte nicht sterben, sondern leben.

Auf Elias Gebet war Feuer vom Himmel herabgefallen und hatte das Brandopfer verzehrt, samt dem Holz, den Steinen und der Erde. Ein starker Regen war auf das ausgetrocknete Land gefallen, als sich gleichsam die Fenster des Himmels auf das Gebet des gerechten Mannes geöffnet hatten. Aber ein Kuchen, auf heißen Steinen gebacken, und der Krug Wasser wurden ihm unerbeten von Gott gegeben. Wie treu war und ist unser Gott! Jehova kannte den langen und mühsamen Weg, der vor Seinem Knechte lag. Ein zweites Mal ermunterte ihn der Engel zu essen, nachdem er sich wieder hingelegt hatte, um weiterzuschlafen. In der Kraft der Speise, die nicht von Menschenhänden bereitet war, ging Elia vierzig Tage und vierzig Nächte, bis er an den Berg Gottes, den Horeb, kam. Wie David sang, so hätte auch Elia singen können: „Der Gott, der mich mit Kraft umgürtet und vollkommen macht meinen Weg; der meine Füße denen der Hindinnen gleich macht und mich hinstellt auf meine Höhen“ (Ps 18,32. 33). Wahrlich, unser Gott bereitet immer den Weg für uns, wie Er auch uns für den Weg zubereitet. Warum sollten wir an Ihm zweifeln? Uns selbst dagegen sollten wir nicht nur gelegentlich, sondern immer mißtrauen.

Die Szene am See von Tiberias in Johannes 21 ist ebenfalls von bewundernswerter Schönheit. Der Herr hatte zu Seinen Jüngern in der Nacht, in der Er verraten wurde, gesagt: „Nachdem ich aber auferweckt sein werde, werde ich vor euch hingehen nach Galiläa“ (Mk 14,28). Zu den Frauen an der leeren Gruft sagte der Engel: „Aber gehet hin, saget seinen Jüngern und Petrus, daß er vor euch hingeht nach Galiläa; daselbst werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat“ (Kap. 16,7). Aber das schwache Fleisch wird bei Verzug ungeduldig. Es war ihnen wohl zu langwierig, ruhig auf das Erscheinen des Herrn zu warten, damit Er ihre Schritte lenke. „Ich gehe hin fischen“, sagte einer von ihnen, Petrus. „Auch wir gehen mit dir“, erklären sechs übrige Jünger. Dachten die Nachfolger des auferstandenen Christus nicht an den ungestümen Saul, den ungehorsamen König, der sich weigerte auf Samuel zu warten, um das Brandopfer darzubringen (1. Sam 13,8-14)? Seine fleischliche Eile kostete ihn sein Königreich. Hatten sie nicht die Geduld, auf den großen Hirten zu warten, der für sie gekreuzigt worden war?

Die sieben Jünger, denen die Worte des Herrn wohl bewußt sein mußten, stiegen in das Schiff und fuhren hinaus, um zu fischen. War denn keiner unter ihnen, der sich jener Worte aus den Abschiedsreden des Herrn erinnerte: „Außer mir könnt ihr nichts tun“? Jedenfalls erfuhren sie alle die Wahrheit dieser Worte in der Nacht am See von Tiberias. Alle ihre Kraft, ihre Geschicklichkeit, ihre Seemannskunst, all ihr Scharfsinn waren unnütz. Sie fingen in jener Nacht nichts. Und das frühe Morgenlicht fand sie als eine müde, entmutigte, teilnahmslose und hungrige Mannschaft, überwältigt von der Schande eines fruchtlosen Beginnens. Wessen Gestalt erscheint da in der Dämmerung am Ufer? Wessen Stimme erhebt sich über die Brandung der Wasser, die sich am Ufer brechen? Eine Frage ergeht an sie. Lautet sie etwa so: „Was für eine Nacht hattet ihr? Welchen Fang? Habt ihr Fische?“ Nein! So waren nicht die Worte des Herrn. Solche Erkundigungen wären den enttäuschten Männern als ein Stachel des Vorwurfs im Blick auf ihre selbsterwählte und fruchtlose Ausfahrt erschienen. Wohl wäre ein solcher Tadel berechtigt gewesen; aber Der, der sprach, wußte den Müden durch ein Wort aufzurichten. Mitleid war das erste; Tadel mochte folgen.

„Kindlein, habt ihr wohl etwas zu essen?“ Wie dies Wort dem Zustand der ausgehungerten Männer entgegenkam! Es kam von Ihm, der während der vergangenen drei Jahre Sein Auge auf sie gerichtet hatte, damit ihnen nichts mangelte. Diese Stimme, die sie über die Wellen hin grüßte, war die Stimme Dessen, der innerlich bewegt worden war über die ermüdete Volksmenge auf dem benachbarten Hügel (Joh 6), weil sie nichts zu essen hatten und sicherlich auf dem Heimwege verschmachtet wären. „Gebt ihr ihnen zu essen“, hatte Er Seinen Jüngern gesagt, und dann hatte Er selbst „die Hungrigen mit Gütern erfüllt“ (Lk 1,53).

Der Gnadenreiche wußte, daß Menschen ohne Nahrung wie Menschen ohne Geist sind, bereit, umzukommen. Ehe der Herr ihnen nun Seine Barmherzigkeit kundtut, läßt Er sie durch Seine milde Frage die Torheit und den Fehlschlag ihres Abenteuers fühlen. Um so mehr würden sie dann die Erfrischung wertschätzen, die Er für sie bereit hatte.

Aber vorher weist der Herr die Stelle an, wo sie jetzt die Fische in Menge finden würden, die sie durch die ganzen Nachtwachen hindurch vergeblich gesucht hatten. Dann war das Netz schnell gefüllt. Die großen Fische waren auf der rechten Seite des Schiffes, wohl ganz nahe bei ihrem Herrn und Meister. Weit draußen auf dem Wasser, wo der Meister nicht war, konnten sie nicht einen Fisch fangen. Als sie ans Land kamen und ausgestiegen waren, empfingen sie weitere Zeichen der Aufmerksamkeit und liebevollen Fürsorge des Herrn. Sie sahen ein Kohlenfeuer, und es war auch Nahrung dort – „ein Kohlenfeuer… und Fisch darauf liegen und Brot“. Die kleine Gesellschaft befand sich nun in der Gegenwart des Herrn über Land und Meer. Er brachte sie gleichsam in Sein Haus des Weines. Er sagte nicht zu ihnen: „Gehet hin in Frieden, wärmet und sättiget euch.“ In der Fülle Seiner Liebe und Macht bereitete Er das Feuer und die Nahrung für die Notdurft des Leibes und zur Erfrischung der Seele.

„Kommet her, frühstücket“, sagte der Herr, dessen Freude es ist, den Seinen zu dienen, nachdem Er gesagt hatte: „Bringet her von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt.“ Aber Er war der Gastgeber. Sie waren an des Herrn Tisch. Er nahm das Brot und gab es ihnen und gleicherweise den Fisch. Die Wahrheit war, daß sie sich die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen hatten. Die Fische aber, die sie jetzt ans Land zogen, waren Seine Fische. Auf Sein Wort hatten sie das Netz ausgeworfen und diese Fische sofort gefunden. Sie konnten nun zu dem Morgenfrühstück herzubringen, was Er selbst ihnen aus dem See gegeben hatte. Aus Seiner Hand nahmen sie die liebende Gnade an. Ohne eine Bemerkung über ihre langen Stunden des nutzlosen Abmühens ohne Ihn, schrieb Er ihnen die kurzen, aber fruchtbaren Augenblicke ihrer Arbeit gut, die sie in und mit dem Herrn getan hatten.

In Gemeinschaft mit ihrem auferstandenen Herrn aßen die sieben Jünger von der Speise, die Er ihnen aus Seinem geheimen Vorratshaus darreichte. Welche Sorge hat der Herr um uns als Menschen „im Fleische“! Er kennt unser Gebilde und dessen Bedürfnis nach regelmäßiger Nahrung und Ruhe. Er ist eingedenk, daß wir Staub sind. – Wenn Er auf die sieben Jünger sah, war Er bewegt im Gefühl ihrer Schwachheiten. Sie waren kalt, naß, müde und hungrig. Ohne ihr Dazutun oder ihre Fragen versorgte Er sie mit Nahrung und Wärme, um ihre erschöpften Kräfte wieder zu beleben.

Der Herr trug jedoch auch Sorge für ihre Seelen, zuerst aber aßen sie zusammen. Sie waren zu schwach, zu ermüdet und enttäuscht, um von Seinen Worten vollen Nutzen zu haben, bis sie sich gewärmt und gesättigt hatten. Dann nahm der Herr sozusagen wiederum ein leinenes Tuch und umgürtete sich damit zu weiterem Dienst. Mit dem Waschbecken Seines Wortes wandte Er sich zu Petrus, indem Er ihn fragte: „Simon, Sohn Jonas‘, liebst du mich mehr als diese?“ – „Simon, Sohn Jonas‘, liebst du mich?“ -und zum dritten Male: „Simon, Sohn Jonas‘, hast du mich lieb?“ Er tadelte bei Petrus nicht die Sünde der Verleugnung, sondern richtet die Wurzel: Das schlimme Übel des Selbstvertrauens. Und Petrus bekannte dann vor allen: „Herr du weißt alles; du erkennst, daß ich dich lieb habe.“ So war er auch öffentlich wiederhergestellt und eingeführt in seinen Dienst.

Es gibt heute viele entmutigte Seelen, die der liebenden Fürsorge und des persönlichen Dienstes des Herrn bedürfen. Viele Jünger Christi sind in einen Kriegsdienst gegangen auf eigenen Sold. Mancher begeisterte Bruder hat gesagt: „Ich gehe hin fischen.“ Andere lassen sich beeinflussen und ziehen mit ihm. Sie vergessen, daß der erste wesentliche Glaubenszug ist, auf den Herrn zu warten, daß Seine unsichtbare Gegenwart nahe ist, daß Er gesucht werden muß, um gefunden zu werden, daß sie ohne Ihn nichts tun können. Nichtsdestoweniger ziehen sie ohne Sein Wort der Billigung aus, wenn sie auch eine allgemeine Hoffnung nähren, daß Er ihre Pläne segnen werde. Sie werfen ihre Netze aus und ziehen sie leer zurück, wieder und wieder, bis es ihnen endlich selbst klar wird, daß das Unternehmen ein Fehlschlag war. Dann sind sie traurig und entmutigt. Sie bedürfen der Belebung in des Meisters Gegenwart.

Er vergißt uns niemals, selbst die nicht, die kalt und hungrig geworden sind durch ihre gedankenlose Geringschätzung Seiner Person und Seines Wortes. Für sie zündet Er in besonderer Weise das Feuer an und bereitet die Speise. Seine Freude ist es, die Zuneigungen wieder zu erwärmen und den inneren Menschen zu stärken. Er will die Seinen auf grünen Auen lagern und sie zu stillen Wassern führen, um ihre Seelen wiederherzustellen durch Seine treue Hirtenpflege.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1980, Seite 134

Stichwörter: Elia, Fürsorge, Tiberias