Wie erkenne ich den Willen Gottes?

Viele Gläubige lassen sich allein durch die Umstände leiten. Aber dies ist nicht der Gott wohlgefällige Weg. Bei einem Kinde, das seinem Vater immer nahe ist und deshalb in der Lage ist, mit dessen Gedanken und Wünschen vertraut zu sein, bedarf es keiner äußeren Zwangsmittel, den Willen seines Vaters zu tun. Rosse und Maultiere werden durch Zaum und Zügel gelenkt, weil sie für den Willen und für die Gedanken und Wünsche ihres Herrn kein Verständnis haben. Die Kinder Gottes sollten ihrem Vater allezeit so nahe sein, um Seinen Willen zu erkennen und zu tun. Er sagt: „Ich will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten“ (Ps 32,8). Aber dennoch ist es besser, durch die Umstände geleitet zu werden, als zu straucheln und zu fallen. Von seilen Gottes ist das immer noch Erbarmen, obgleich es von unserer Seite aus von einem sehr schwachen Zustand und einem geringen Umgang mit Ihm zeugt.

Oft sind Gläubige in Verlegenheit, weil sie den Willen Gottes nicht klar erkennen. Sie stehen vor einer wichtigen Entscheidung und möchten klar ihren Weg wissen, um handeln zu können. Wenn man nun den Willen Gottes wie die Paragraphen eines Gesetzbuches ablesen könnte, so wäre die Sache leicht, und viele mögen dies in ihrem Herzen schon gewünscht haben. Aber Gott läßt die Seele absichtlich durch Übungen gehen, damit ihr moralischer Zustand offenbar werde. Sie muß mit Ihm über die vorliegende Entscheidung verkehren. Er läßt sie warten. Da kann es sein, daß man einige schlaflose Nächte hat. Nicht als ob dies nötig wäre zur Erforschung des Willens Gottes. Wer in der innigsten Gemeinschaft mit Ihm gelebt hat, wird über eine Entscheidung schneller klar als ein anderer, der es leicht genommen und den Umgang mit dem Herrn vernachlässigt oder weniger gepflegt hat. Die langen und tiefen Übungen bringen all die verkehrten Neigungen und Wünsche unseres Herzens ans Licht. Dies ist mit Demütigungen verbunden, denen das Fleisch gern entgeht. Der in Übungen treu erfundene Christ wird zur Klarheit geführt, in Gott wohlgefälliger Weise zu handeln. Er erkennt, wie notwendig und gesegnet für ihn die Wartezeit war, und er wird dem Herrn für all die Übungen danken.

Nicht selten kommt es vor, daß wir nach einem Ziel streben, wobei wir, ohne es vielleicht klar zu erkennen, unserer Persönlichkeit viel Wichtigkeit beilegen. Wir nehmen an, Gott wolle uns an dieses Ziel bringen, wo wir auf einem höheren Posten einen Dienst für Ihn ausüben sollten. Der Herr aber will uns an einen geringeren Platz stellen, der jedoch nicht den Wünschen unseres Fleisches entspricht. Unser Herz ist beunruhigt; wir wollen gern den Willen Gottes erkennen, geben aber unser gestecktes Ziel nicht auf, suchen womöglich noch Rat bei Brüdern, aber mit dem Hintergedanken: „Ratet mir nur nicht ab!“ Dies alles verrät, daß unsere eigene Person im Vordergrund steht und wir unsere Ehre suchen, während der Herr uns klein und demütig halten möchte.

Es kann sein, daß wir uns in Umständen bewegen, in die Gott uns nicht hineingestellt hat, daß wir einen Dienst tun, wozu Er uns nicht beauftragt hat. Wir möchten uns aber darin Seiner Leitung versichern. Wie verkehrt! Zunächst sollten wir zu erforschen suchen, ob der Dienst und die Umstände nicht dem Worte Gottes zuwiderlaufen. Statt dessen wollen wir, genau genommen, Seine Zustimmung zu all dem Verkehrten haben, in welchem wir uns bewegen, und bitten Ihn, uns den Trost Seiner Leitung genießen zu lassen. In einem solchen Fall kommt das Herz und Gewissen nur zur Ruhe, wenn man den selbsterwählten Weg verläßt und den verkehrten Dienst aufgibt.

Die Führungen des Herrn laufen alle darauf hinaus, den Gläubigen in Seine Abhängigkeit zu bringen oder darin zu halten. In Seiner heiligen Gegenwart, wo alles Licht ist, wird die Seele belehrt über Seinen Willen, und hier erhält sie Kraft, diesen auch zu tun. Die Hauptsache ist unser innerer moralischer Zustand. „Wenn nun dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“, d. h. man erkennt am Leibe alle Glieder und kann richtig mit ihnen hantieren, daß sie nirgends anstoßen oder fehlgreifen. Umgekehrt aber ist es wahr, daß unser Auge nicht einfältig ist, wenn nicht der ganze Leib licht ist. Der treue Christ findet darin, wenn er dies auf sein geistliches Leben anwendet, einen großen Trost, weil es sein einziger Wunsch ist, ein einfältiges Auge zu haben und mit Gott zu wandeln, während dieses Wort alle die verurteilt, die mühelos auf eine nur äußerliche Weise den Willen Gottes erkennen möchten. „Wenn jemand am Tage wandelt, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht wandelt, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist“ (Joh 11,9. 10). Und wiederum sagt der Herr: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Wie wichtig daher, mit der Erkenntnis Seines Willens erfüllt zu sein, „um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werke fruchtbringend, und wachsend durch die Erkenntnis Gottes“ (Kol 1,9.10).

Es gibt eine Erkenntnis in göttlichen Dingen, die nur der Kopf aufgenommen hat, und diese bläht auf. Wenn aber die Seele etwas in Gott entdeckt, was ihr köstlich ist und von ihr genossen wird, das ist dann die Segen bringende Erkenntnis. Sie ist notwendig. Denn wie kann ein Gläubiger den Willen des Herrn tun und Seiner würdig wandeln, wenn er diesen Willen nicht genau erkennt? Ist die Erkenntnis des Herrn und Seines Willens bei dem Gläubigen mit Vertrauen verknüpft, so bleibt er vor verkehrtem Wege bewahrt. Der treue Christ wächst beständig in dieser Erkenntnis. Der Apostel Paulus schrieb an die Philipper: „Und um dieses bete ich, daß eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, damit ihr prüfen möget, was das Vorzüglichere sei, auf daß ihr lauter und unanstößig seid auf den Tag Christi“ (Kap. 1,9. 10).

Wenn wir in schwierigen Umständen Entscheidungen treffen sollen, wobei uns der Gedanke naheliegt, später mit großen Schwierigkeiten rechnen zu müssen, dann werden wir finden, wie leicht das Fleisch einen Ausweg sucht. Nur der Glaube, der uns mit Gott in Verbindung bringt, kann uns dann allein helfen, um die Gott wohlgefällige Entscheidung zu treffen. Der Glaube sieht nicht auf die Schwierigkeiten, sondern er führt Gott ein, der Macht über alles hat und uns vollkommen liebt. So schwierig uns auch die zukünftigen Umstände erscheinen mögen, niemals sollten wir von der Wahrheit abweichen und gegen Gottes Wort handeln. Für Gott werden unsere vermeintlichen Schwierigkeiten nur ein Anlaß sein, mit Seiner Macht einzugreifen und Sich zu verherrlichen. Und der Gläubige wird Erfahrungen von Seiner Güte machen und von der Wahrheit des Wortes, daß Gott „kein Gutes vorenthalten wird denen, die in Lauterkeit wandeln“. Darum: „Glückselig der Mensch, der auf dich vertraut!“ (Ps 84,11.12).

Gott schaut auf das Herz und sieht darin die Hingabe an Ihn und den Wunsch, Ihn um jeden Preis zu verherrlichen. Aber Er entdeckt auch die Unlauterkeit, ob man seinen eigenen Vorteil, sei es Ehre und Ansehen oder Geld und Gut, sucht. Das kann Ihm nicht gefallen.

Gott kann uns Eindrücke geben und eine Sache aufs Herz legen. Dies wird Er um so mehr tun, als wir durch die Nähe zu Ihm, durch die innige Gemeinschaft mit Ihm empfänglich sind. Auch kann Er, wenn wir im Gebet vor Ihm sind, gewisse fleischliche Einflüsse, unter denen wir stehen, zerstören und in der Seele Raum machen für geistliche Einflüsse. Nicht selten benutzt Gott Personen, uns zu beeinflussen, weil wir nicht genug geistliche Unterscheidungskraft besitzen, um zu wissen, welches der rechte Weg ist, aber die Wahrheit erkennen, wenn sie uns von einem anderen vorgestellt wird.

Wenn man keine Klarheit hat zum Handeln, soll man warten, bis man sie bekommt. Die Wartezeit mag uns Übungen verursachen. Geht man aber in der Abhängigkeit von Gott voran, so bleibt man vor einem übereilten Schritt bewahrt. Die Ungeduld hat noch nie zu etwas Gutem geführt. Sie ist die Frucht des Eigenwillens, wovor uns Gott in jedem Falle bewahren möchte. Der Glaube wartet auf Gott und wird niemals beschämt.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1980, Seite 76

Bibelstellen: Ps 32, 8

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