Des Dieners Wahlspruch

„Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“ (1. Kor 15,58).

Hier haben wir einen ausgezeichneten Wahlspruch für den christlichen Arbeiter (und jeder Christ sollte ein Arbeiter sein). Er stellt uns ein äußerst schätzenswertes Gleichgewicht für das Herz dar. Wir finden hier unerschütterliche Festigkeit mit unermüdlicher Aktivität verbunden.

Dies ist von überragender Wichtigkeit. Es gibt einige unter uns, die so eifrige Verfechter von Prinzipien sind, daß wir uns fast fürchten, uns in irgendeine Art weitherziger christlicher Tätigkeit einzulassen. Und andererseits sind manche von uns so ausschließlich auf das ausgerichtet, was wir Dienst nennen, daß wir, um das erwünschte Ziel zu erreichen und augenfällige Resultate zu erzielen, nicht zögern, die Grenzlinie gesunder Grundsätze zu überschreiten.

Nun, unser Wahlspruch vermittelt uns ein göttliches Gegenmittel gegen diese beiden Übel. Es gibt uns eine solide Basis, auf der wir mit festem Vorsatz und unbeweglichem Entschluß stehen sollen. Wir sollen nicht um Haaresbreite von dem schmalen Pfad göttlicher Wahrheit abbewegt werden, obwohl wir durch das einleuchtende Argument der Zweckmäßigkeit dazu gedrängt werden mögen. „Gehorchen ist besser als Schlachtopfer, Aufmerken besser als das Fett der Widder.“

Vortreffliche Worte! Mögen sie tief in jedes Arbeiters Herz eingraviert sein! Sie sind tatsächlich von unschätzbarem Wert, und dies besonders m unseren Tagen, wo es eine derartige Eigenwilligkeit in der Art und Weise des Arbeitens gibt, so unberechenbare Pläne für den Dienst, solche Selbstgefälligkeit, eine so starke Neigung zu tun, was recht ist in unseren eigenen Augen, und ein praktisches Ignorieren der alles überragenden Autorität der Heiligen Schrift.

Es erfüllt den nachdenklichen Betrachter des gegenwärtigen Zustandes der Dinge mit ernstester Besorgnis, wenn er das positive und bewußte Beiseitesetzen des Wortes Gottes selbst durch jene bemerkt, die es dem Bekenntnis nach als das Wort Gottes anerkennen. Wir reden jetzt nicht von der Unverschämtheit offener und unausgesprochener Untreue, sondern von der herzlosen Gleichgültigkeit der achtbaren Orthodoxie (Rechtgläubigkeit). Es gibt Tausende, ja, Millionen, die zu glauben bekennen, daß die Bibel Gottes Wort ist, die aber dennoch nicht im geringsten daran denken, sich selbst seiner Autorität völlig zu unterwerfen. Der menschliche Wille ist vorherrschend, der menschliche Verstand beherrscht alles. Zweckmäßigkeit regiert das Herz. Die heiligen Grundsätze göttlicher Offenbarung werden wie spätherbstliche Blätter oder wie der Staub der Tenne von dem ungestümen Windstoß populärer Meinung davongeblasen.

Wie äußerst wichtig und wertvoll ist angesichts all dessen der erste Teil unseres Wahlspruchs! „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest und unbeweglich.“ Das „Daher“ führt die Seele auf die solide Grundlage zurück, die in dem vorhergehenden Teil des Kapitels gelegt wurde, in welchem der Apostel die höchste und kostbarste Wahrheit entfaltet, die das Herz eines Christen beschäftigen kann -eine Wahrheit, die die Seele vollständig über die dunklen und kalten Nebel der alten Schöpfung erhebt und sie auf den unbeweglichen Felsen der Auferstehung gründet. Auf diesem Felsen, so werden wir hier ermahnt, sollen wir fest und unbeweglich stehen. Es geht nicht um ein halsstarriges Festhalten an unseren eigenen Ansichten, an irgendeiner bevorzugten Lehre oder Theorie, die wir angenommen haben, nicht um das Festhalten an irgendeiner besonderen Lehrmeinung, ob hoch oder niedrig. Um nichts dergleichen handelt es sich, sondern um ein festes Ergreifen und treues Bekennen der ganzen Wahrheit Gottes, die in dem auferstandenen Christus ihren ewigen Mittelpunkt hat.

Aber dann haben wir uns auch an die andere Seite unseres Wahlspruchs zu erinnern. Der christliche Arbeiter hat etwas mehr zu tun, als fest auf dem Boden der Wahrheit zu stehen. Er soll auch die lieblichen Tätigkeiten der Gnade pflegen. Er ist berufen, „allezeit überströmend in dem Werke des Herrn“ zu sein. Die Grundlage gesunder Grundsätze darf nie aufgegeben werden, aber das Werk des Herrn muß mit Sorgfalt weiterbetrieben werden. Manche haben eine solche Furcht, etwas Falsches zu tun, daß sie nichts tun; und andere wieder tun eher etwas Falsches, als daß sie nichts tun. Unser Leitspruch korrigiert beide. Er lehrt uns, unser Angesicht wie einen Kieselstein zu machen, wo in irgendeiner Weise die Wahrheit auf dem Spiele steht, während er uns auf der anderen Seite dahin führt, mit weitem Herzen auszugehen und all unsere Kräfte in den Dienst des Herrn zu stellen.

Beachten wir noch den besonderen Ausdruck „Werk des Herrn“! Wir sollten nicht einen Augenblick annehmen, daß alle Wirksamkeiten der bekennenden Christenheit die Bezeichnung „Werk des Herrn“ verdienen. Ach, leider, leider nicht! Wir sehen eine Menge von Dingen, als Dienst für den Herrn unternommen, mit denen ein geistlicher Mensch unmöglich den heiligen Namen Christi verbinden kann. Wir wollen hier nicht auf Einzelheiten einzugehen versuchen, aber wir wünschen, daß die Gewissen geübt werden bezüglich der Arbeit, auf die wir uns einlassen. Wir empfinden tief, wie notwendig es in diesen Tagen des Eigenwillens, der Laschheit und der ungezügelten Toleranz ist, die Autorität Christi anzuerkennen in allem, was wir im Dienst oder in der Arbeit in unsere Hände nehmen. Gepriesen sei Sein Name! Er gestattet uns, Ihn mit den einfachsten und gewöhnlichsten Tätigkeiten des täglichen Lebens zu verbinden. Wir können selbst essen und trinken in Seinem heiligen Namen und zu Seiner Verherrlichung. Der Bereich des Dienstes ist ganz gewiß weit genug, er ist nur eingegrenzt durch diese wichtige Bezeichnung „Werk des Herrn“. Der christliche Arbeiter sollte sich nicht mit irgendeiner Arbeit abgeben, die nicht unter diese heilige und überaus wichtige Überschrift fällt. Er sollte sich, ehe er in irgendeinen Dienst eintritt, diese große praktische Frage vorlegen: Kann diese Arbeit in Wahrheit „das Werk des Herrn“ genannt werden?

C.H.M.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1982, Seite 176

Bibelstellen: 1Kor 15, 58