Die Zukunft der Nationen

Die Heiden oder Nationen in ihrer Gesamtheit werden nicht durch die Anstrengungen der ausgesandten Missionare oder Evangelisten bekehrt. Das ist nicht die gegenwärtige Absicht des Herrn; Er ist vielmehr beschäftigt, „aus ihnen ein Volk zu nehmen für seinen Namen“ (Apg 15,14). Nachdem dies geschehen ist, wird Er „die Nationen versammeln“ und die „Königreiche zusammenbringen“, um Seinen Grimm über sie auszugießen, die ganze Glut Seines Zornes; denn durch das Feuer Seines Eifers wird die ganze Erde verzehrt werden (Zeph 3,8). Die Sammlung der Kirche in Gnade findet jetzt statt, die Sammlung der Nationen im Gericht ist zukünftig. Werden die mächtigen christlichen Reiche Europas versammelt sein, um „den Herrn der Könige der Erde“ zu bewillkommnen? Nein, wir lesen in Offenbarung 19,19: „Und ich sah das Tier“ (das wiederhergestellte römische Reich) „und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt, Krieg zu führen mit dem, der auf dem Pferde saß, und mit seinem Heere.“ Welches ist das Resultat? Ein Engel steht in der Sonne und lädt die Vögel des Himmels zu dem großen Mahl Gottes ein.

Ach, daß die Christen mit der Bibel in der Hand und dem 19. Kapitel der Offenbarung vor ihren Augen träumen können von einer allgemeinen Bekehrungsperiode durch die Predigt der Gnade! Nein, ein Wort, ein einziger kurzer Vers, erweist alle diese Gedanken als irrig. „Wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner des Erdkreises“ (Jes 26,9). Das mitternächtliche Geschrei erhebt sich nicht, um die Evangelisation der Welt zu bewirken, sondern um die Kirche aus ihrem Schlaf aufzuwecken (Mt 25,6. 7). Die Aufweckung der Kirche und nicht die Bekehrung der Welt ist das große Werk, das der zweiten Ankunft Christi vorangeht. Statt bekehrt zu werden, wird die Welt sich wider Ihn erheben. Deutet nicht der Herr in bestimmter Weise auf den Mangel des Glaubens bei Seinem Kommen hin, wenn Er sagt: „Doch wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt, den Glauben finden auf der Erde?“ (Lk 18,8). Schreckliche Gerichte werden daher über die Nationen kommen, besonders über die so sehr bevorzugten christlichen Völker, weil sie die Gnade und die ihnen verliehenen Vorrechte mißbraucht haben. Schwere Gerichte werden die zweite Ankunft des Herrn Jesus begleiten, wenn Er kommen wird, umgeben von allen Seinen himmlischen Heiligen.

Danach wird die gesegnete Zeit kommen, von der die Propheten, die Apostel und der Herr selbst vorher geredet haben. Die Bekehrung der Nationen, die durch den Herrn übriggelassen sind, und ihre Tätigkeit als Verkündiger seiner Herrlichkeit unter den entfernt wohnenden Heiden (Jes 66,19), ihre gesegnete Mission, den unter allen Nationen zerstreuten Überrest Israels zu sammeln und „als Opfergabe für Jehova“ nach Israel zu bringen (V. 20) – diese und andere Segnungen der tausendjährigen Herrschaft über die Erde zeigen eine gesegnete Zukunft für die Nationen an. Christus wird „als König über die ganze Erde“ herrschen und die Segnungen Seiner glorreichen Regierung bis zu den entferntesten Inseln der Nationen (Jes 51,5), sowie zu den bis dahin unbekehrten Stämmen der Wüste (Ps 72,9) ausdehnen. Auf Ihn werden daher die Nationen hoffen. „Und wiederum: Lobet den Herrn alle Nationen, und alle Völker sollen ihn preisen!“ (Röm 15,10-12).

Israel wird in den kommenden Tagen der irdischen Herrlichkeit den Hauptplatz einnehmen (5. Mo 28,12. 13). Die Nationen sind ihm unterworfen (vgl. Mt 12,18; Jes. 60; PS 100; Mal. 1,11 u.a.). Jehova wird Seinen Geist auf alles Fleisch ausgießen (Joel 2,28), und die Masse der dann lebenden Menschen wird den Herrn kennen, nachdem die Gerichte ihren Lauf genommen haben und die Bosheit auf der Erde bestraft worden ist. Christus muß notwendigerweise zuerst kommen und den Willen der Nationen mit eiserner Rute zerbrechen, um dann die von ihnen Übriggebliebenen und Verschonten in den vollen Genuß Seiner herrlichen Regierung einzuführen. Das scheint uns die klare und deutliche Meinung dieser und anderer zahlreicher Erklärungen des Wortes Gottes bezüglich der Zukunft der Nationen zu sein.

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Die gegenwärtige Predigt des Evangeliums hat den Zweck, die Glieder der Kirche Christi, die Versammlung Gottes, aus der Welt herauszuholen; sie wird aber keineswegs die Bekehrung der Welt und die Errichtung des Reiches zur Folge haben. Im Gegenteil, statt daß die Welt, wie man erwartet, immer mehr einen christlichen Charakter annimmt, verhärtet sie sich unter der Predigt des Evangeliums, und der Geist des Antichristen offenbart sich immer mehr. Aber so verkehrt es wäre, das Evangelium nicht zu verkündigen, weil man weiß, daß doch nicht alle bekehrt werden, ebenso verkehrt ist es, danach zu trachten, ein Reich des Evangeliums aufzurichten, welches nach der ausdrücklichen Erklärung Gottes erst kommen wird, nachdem die himmlische Braut Christi von dieser Erde weggenommen und die Welt durch furchtbare Gerichte gereinigt sein wird.

Es ist dem Herrn wohlgefällig, daß wir für Ihn arbeiten und Seelen für Ihn zu gewinnen trachten; es ist Ihm aber nicht wohlgefällig, daß wir Dinge zu erreichen suchen, von denen Er bestimmt gesagt hat, daß sie nicht eintreten werden. Alle Anstrengungen, die Welt zu verchristlichen, werden sich einmal als Torheit erweisen, und die damit ausgefüllte Zeit wird man als verloren betrachten müssen.

Möge darum unser aller Streben dahin gerichtet sein, den einzig wahren, durch Gott vorgezeichneten Weg zu gehen und keine Erwartungen zu hegen, die nach Seinen Erklärungen unmöglich in Erfüllung gehen können!

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1982, Seite 172

Bibelstellen: Jes 26, 9