Umgürtet

Sowohl der Herr selbst als auch die Apostel legten Nachdruck auf die Tatsache, daß Er wiederkommen würde, um die Seinen, die an Seinen Namen glauben und in Seinem kostbaren Blute von allen Sünden gewaschen sind, heimzuholen ins Vaterhaus. Dies ist die Lehre der Heiligen Schrift, und alle Gläubigen sollten sie beachten. Wenn wir Christus lieben, kann es nicht anders sein, als daß wir Ihn täglich erwarten. Das ist es, was die Gläubigen charakterisieren soll. Nicht ein bloß äußerliches Bekennen zu dieser Wahrheit, sondern ein tiefes innerliches Sehnen, ein wahres, tägliches Warten auf Ihn, den kommenden Bräutigam. Die wichtigste Frage ist nicht die, ob wir, wenn Er kommt, in Seinem Dienste gefunden werden – obwohl es sicher wohlgefällig vor Ihm ist, wenn wir das, was Er uns zu tun aufgetragen hat, mit Eifer und Hingabe erfüllen -, sondern: Warten wir auf Ihn? Täglich? Stündlich? Allezeit? Befinden sich unsere Seelen in dem Zustand steter Erwartung, in der Hoffnung, Ihn zu sehen, bei Ihm zu sein, Ihm gleich zu sein?

Wohl wird diese Welt, die uns feindlich gegenübersteht, gerichtet werden. Christus wird alle Gottlosen hinwegtun, wenn Er die Seinigen in Sicherheit gebracht haben wird. Doch dies ist es nicht, was unsere Herzen Ihn erwarten läßt. Wir haben Gnade empfangen und warten auf Ihn, weil Er uns errettet hat und weil wir Ihn dann völlig erkennen werden und sehen, was Er in Seiner kostbaren und herrlichen Person für uns ist. Das ist es, was uns Ihn erwarten läßt. Das kommende Gericht, das Er nach unserer Heimführung ausüben wird, ist weder der Gegenstand unserer Hoffnung noch unserer Freude. Diese Gefühle werden vielmehr den gläubigen Überrest aus Israel kennzeichnen, der in den Tagen der großen Drangsalszeit auf seinen Messias und König harren wird. Bei diesem wird sich das Wort aus dem Propheten Jesaja erfüllen: „Jeder Streich der verhängten Rute, die Jehova auf ihn“ (den Feind Gottes) „herabfahren läßt, ergeht unter Tamburin-und Lautenspiel“ (Jes 30,32). Jeder einsichtige Bibelleser wird erkennen, daß wir eine ganz andere Stellung besitzen. Unser Teil ist es, in Einfalt und innigster Herzenszuneigung auf den geliebten Bräutigam zu warten.

Charakter und Wandel des Christen werden dadurch gekennzeichnet, ob und wie er auf den Herrn wartet. Wir Kinder Gottes sollten allezeit durch unser Leben und Verhalten Zeugnis davon ablegen, daß wir nichts in dieser Welt suchen, weder Reichtum noch Ehre, sondern solche sind, die als Fremdlinge hindurchgehen, weil wir kein Teil in ihr besitzen. Den gläubigen Thessalonichern schreibt der Apostel Paulus: „Wie ihr euch zu Gott bekehrt habt, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“ (1. Thes 1,9. 10). Diese lebendige Hoffnung kennzeichnete die Thessalonicher. Sie hatten einer Welt angehört, die Gottes Sohn verworfen hat, hatten sich von den Götzenbildern abgewandt. Diese hatten ihren Wert für sie verloren. Sie kannten nun den wahren Gott, dienten Ihm mit Freuden und erwarteten in lebendigem Glauben Seinen Sohn aus den Himmeln, um sie heimzuführen.

Der Apostel erwähnt dann die Erscheinung des Herrn Jesus Christus auch in den weiteren Kapiteln seines Briefes an die Thessalonicher. Im zweiten Kapitel verbindet er die Ankunft des Christus mit dem Dienst: „Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft?“ Paulus wird den Lohn für seinen getreuen, hingebenden Dienst an den Heiligen empfangen, wie auch jeder, dem das Werk des Herrn am Herzen liegt. Im dritten Kapitel wird die Hoffnung mit dem Wandel verbunden, wie es denn auch nicht anders sein kann, als daß die Erscheinung des Herrn ein Ansporn zur Heiligkeit ist: „… um eure Herzen tadellos in Heiligkeit zu befestigen vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen“ (V. 13). Im vierten Kapitel endlich wird die Art und Weise geschildert, wie sich die Wiederkunft oder die Entrückung für die Gläubigen erfüllen wird: „Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein“ (V. 16 u. 17). Zum Schluß berührt der Apostel im fünften Kapitel dann noch die Dinge, wie sie sich nach der Entrückung abspielen werden; kurz gesagt „der Tag des Herrn“ oder der Tag des Gerichtes: „Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit! dann kommt ein plötzliches Verderben über sie … und sie werden nicht entfliehen!“

Wie lebendig stand die Ankunft des Herrn sowohl Paulus als auch den Gläubigen der damaligen Zeit vor Augen! Der Apostel sagt: „Wir, die Lebenden, die übrigbleiben“. Warum „wir“? Weil sie die Ankunft des Herrn damals erwarteten. Das war die Einstellung und der Charakterzug eines jeden Gläubigen in der Zeit der Apostel.

Sollte es nicht auch heute gleicherweise bei jedem Christen zum Ausdruck kommen, daß er auf das Kommen des Herrn harrt? Petrus schreibt den Fremdlingen von der Zerstreuung: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung“ (1. Pet 1,3) und: „Wir besitzen das prophetische Wort befestigt, auf welches zu achten ihr wohl tut, als auf eine Lampe, welche an einem dunklen Orte leuchtet, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen“ (2. Pet 1,19). Wie deutlich ruft uns dies alles zu: „Und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten“!

Die Apostel und die Gläubigen der damaligen Zeit waren Knechten gleich, die gewissermaßen an der Haustür stehen, damit sie, sobald der Herr kommt, sogleich bereit sind, Ihm zu öffnen. Obwohl dies ja nur ein Bild ist, zeigt sich doch darin die Kraft der Erwartung. Warum ist der Verfall, die Verflachung, das Verderben so schnell in die Kirche, in die Versammlung Gottes, eingedrungen? Nicht deswegen, weil sie schon sehr früh anfing zu sagen: „Mein Herr verzieht zu kommen“? Darum preist der Herr die Knechte glückselig, „die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird“ (Lk 12,37).

„Es seien eure Lenden umgürtet und die Lampen brennend“ (Lk 12,35). Bei den wallenden Gewändern der damaligen Zeit, die bei den Orientalen teilweise heute noch üblich sind, war es nötig, sich aufzuschürzen und die Lenden zu umgürten, wenn man dienen wollte. Das will sagen, daß wir unser ganzes Sinnen und Trachten auf die Wiederkunft des Herrn richten sollen und unsere Gedanken, Gefühle und Zuneigungen nicht überall herumflattern lassen, sondern stets zum Dienst bereit seien, mit aufgeschürzten Kleidern und brennenden Lampen. Das ist selbstverständlich kein Zustand des „Sich-gehen-Lassens“, der Ruhe oder gar der Trägheit und Schläfrigkeit. Ganz im Gegenteil, es ist eine aufreibende Sache, eine lange, finstere Nacht hindurch zu wachen und zu kämpfen, zu beten und zu harren. Es erfordert eine wirkliche Anstrengung, dem Fleische nie zu erlauben, seinen eigenen Weg zu gehen. Geben wir nur im geringsten nach, so werden wir bald, wie die zehn Jungfrauen, einschlafen. Laßt uns daher mit brennenden Lampen, in lebendigem Glauben, unserem wiederkommenden Herrn entgegengehen! Mag die Nacht, die wir zu durchschreiten haben, auch dunkel sein, nur noch wenige Augenblicke, und der Morgenstern wird in seinem herrlichen, lieblichen Glänze erscheinen und jeden Kampf und jede Versuchung beenden. Ja, glückselig alle Knechte, die der Herr, wenn Er kommt, wachend finden wird! Der Herr ruft uns gleichsam zu: Jetzt ist es an euch, umgürtet zu sein und in Liebe zu dienen und zu wachen. Aber wenn Ich wiederkomme, dann werde Ich mich umgürten und hinzutreten und euch bedienen.

Jetzt gilt es inmitten einer bösen und gottfeindlichen Welt, umgürtet zu sein und zu wachen. Wenn aber der Herr Jesus uns zu Sich erhöht haben wird, dann werden wir von Kampf, Arbeit und Mühe für ewig ausruhen dürfen. Sind wir im Hause des Vaters angekommen, können wir uns zu Tische setzen, und Christus wird uns bedienen. An jenem gesegneten Ort der Reinheit und Heiligkeit können unsere Kleider herabwallen, jede Arbeit und jeder Dienst ist getan; allen unseren Gefühlen, Gedanken und Zuneigungen können wir dann freien Lauf lassen, ohne befürchten zu müssen, sie je zu besudeln.

Möge nichts in unseren Herzen die lebendige Erwartung des Kommens des Herrn trüben, damit wir inniger und sehnlicher denn je rufen: „Herr Jesus, komm!“

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1983, Seite 360

Bibelstellen: Lk 12, 35

Stichwörter: Wandel, Zustand