Ittai, der Gathiter

In dieser Begebenheit, als sich Absalom gegen den König erhob, wurden die Herzen offenbar.

In David sehen wir hier vorbildlich einen verworfenen Christus, und in solchen Umständen zeigt es sich, ob die Seinigen an Ihn gefesselt sind oder nicht. Es gab in jenen Tagen in Jerusalem solche, die sich sehr leicht der gottlosen Herrschaft Absaloms anpaßten. Doch, Gott sei Dank, es gab auch ergebene Herzen, die nicht an David irre wurden und trotz allem wußten, daß Jehova mit ihm war, die ihr Los mit dem des Königs verbanden und nicht fürchteten, sich bloßzustellen, wenn sie offen erklärten, daß sie zu ihm gehörten.

0 diese Furcht, sich bloßzustellen! Man braucht sich nicht zu wundern, wenn man sie bei Christen findet, die von Christus nur den Namen haben und im Grunde der Welt angehören und sich von ihr nicht trennen wollen. Aber bei den Kindern Gottes – welche Schande! Was, du wagst es nicht, den Namen deines Heilandes vor den Menschen zu bekennen? Die Meinung der Welt hat also einen solchen Einfluß auf dich? Von ihr geschmäht zu werden ist nicht deine höchste Ehre? Willst du dich so den Feinden des Kreuzes Christi gleichstellen? Hat nicht das den Apostel Paulus zum Weinen gebracht, als er sah, daß Menschen, die Christi Namen tragen, die irdischen Dinge der Schmach des Kreuzes vorzogen? (vgl. Phil 3,18).

Ittai, der Gathiter, war ein ganz anderer Mann. Alles traf zusammen, um ihn zu entschuldigen, wenn er sein Los nicht mit David teilte. Er war ein Fremder, ein Eingewanderter, der noch kein Bürgerrecht in Israel besaß, gestern erst gekommen. Er war, moralisch betrachtet, wie ein kleines Kind, das seine ersten Schritte versucht. David erwartete nicht, daß er sich der Beschwerde, ihm zu folgen, unterziehen würde (oder wollte er seine Herzenshingabe prüfen?). „Kehre um“, sagte er zu ihm, „und führe deine Brüder zurück; Güte und Wahrheit seien mit dir!“ Er segnete ihn sogar, um ihn verstehen zu lassen, daß unter solchen Umständen ein Mangel an Entschiedenheit ihm nicht als böse angerechnet werden würde.

Nun, dieser Fremde gibt den Beweis eines großen Glaubens. Zu einem großen Glauben ist weder viel Verständnis noch ein langes christliches Leben nötig. Es genügt, eine hohe Wertschätzung von dem Herrn zu haben, zu wissen, daß nichts Ihm an die Seite gestellt, nichts mit Ihm verglichen werden kann, daß Er allein imstande ist, alle Bedürfnisse völlig zu befriedigen. Vergebens entschuldigt David Ittai, vergebens fordert er ihn auf, zurückzukehren. Nichts überwindet ihn, er bleibt; er kennt keinen anderen Platz, keinen anderen Herrn. Wem könnte er dienen, außer David? Ist nicht Absalom der Feind seines Herrn? Wer und was könnte ihn zurückhalten, David zu folgen? Der Tod? Nein, wenn David sterben sollte, so ist der Tod auch Ittai willkommen. Er wartet darauf und nennt ihn an erster Stelle: „Sei es zum Tode, sei es zum Leben.“ Das Leben kommt für ihn nach dem Tode. Wie und an welchem Ort es auch sei, da wo David ist, „daselbst wird auch dein Knecht sein“. Wie müssen solche Gefühle das Herz des flüchtenden Königs, das Herz unseres Heilandes gleicherweise erquicken! Was Ittai wünscht, verheißt uns der Herr Jesus: „Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn mir jemand dient, so wird der Vater ihn ehren“ (Joh 12,26). Der Herr sagt uns gewissermaßen: Vielleicht im Tode, aber sicher in der Herrlichkeit. Indem wir Ihm dienen, sind wir der Herrlichkeit sicher; denn dort befindet Er sich auf immer.

Beachten wir auch, daß das Herz des Vaters durch eine solche Hingebung an Seinen Sohn befriedigt wird. Haben wir Ihm in Seiner Erniedrigung gedient, haben wir uns nicht gefürchtet, vor der Welt Seine Schmach zu tragen, so können wir gewiß sein, daß der Vater uns einen Ehrenplatz geben wird. Ein unwissender Gathiter wird diesen Platz haben. Eine arme Moabitin wird ihn ebenfalls einnehmen, sie, die nicht gezögert hatte, Noomi zu folgen:

„Dringe nicht in mich, dich zu verlassen, hinter dir weg umzukehren; denn wohin du gehst, will ich gehen, und wo du weilst, will ich weilen; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott“ (Rt 1,16).

„Komm und ziehe hinüber!“ sagt der König zu Ittai. Und er ging über den Bach Kidron, indem er dem triumphierenden Feinde den Rücken wandte und den Weg zur Wüste vor sich sah. Aber was macht das? David ist sein Hirte, es wird ihm nichts mangeln. Welch ein Gegensatz zwischen diesem Fremdling und Petrus, der dem Herrn von Anfang an nachgefolgt war. Ach, wie eilig sagte er, ohne daß der Herr Jesus ihn dazu aufgefordert hatte: „Herr, mit dir bin ich bereit, auch ins Gefängnis und in den Tod zu gehen“ (Lk 22,33)! Petrus dachte an das, was er vermeintlich war, Ittai an das, was sein Herr für ihn war. Armer Petrus! Sein Glaube war, ohne daß er es nur ahnte, klein und arm, denn er hatte eine hohe Meinung von sich selbst. H.R.
Dir zur Verfügung, mein Gott und mein Herr!
Dir zur Verfügung, je länger, je mehr!
Dir zur Verfügung, in Freud und in Leid,
täglich und stündlich für Jesum bereit.

Dir zur Verfügung! Es bleibe dabei,
das ist ein Stand, der macht selig und frei;
das schafft ein sieghaft und friedevoll Geh’n.
Jesu, Dir ganz zur Verfügung zu steh’n!

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1984, Seite 163

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