Was haben sie in deinem Hause gesehen?

Jesaja 39,4

Es ist eine äußerst ernste Feststellung in Gottes Wort, wenn gesagt wird, daß das Herz des Menschen arglistig ist, mehr als alles, und daß es verderbt ist (Jer 17,9). So zeigt es sich unter den gottlosen und weltlichen Menschen, und man gibt sich wenig Mühe, dies zu verbergen. Geoffenbarte Wahrheiten werden abgelehnt und Offenbarungen der Gnade verachtet. Aber dort, wo man sich äußerlich zu Gottes Wort bekennt, ist das anders, hier schleicht sich Heuchelei ein. Nach den Worten des Herrn ist es eine Tatsache, daß das Haus, nachdem es „gekehrt und geschmückt“ (Lk. 11,25) wurde, besser denn je als Wohnort Satans geeignet ist. Es ist eher bereit, ihn aufzunehmen, als vorher. Dies gilt natürlich nur für solche, die lediglich äußere Bekenner sind.

Aber auch diejenigen, an denen ein echtes Werk Gottes geschehen ist, tragen das Fleisch noch unverändert in sich. An einigen Stellen sowohl des Alten wie auch des Neuen Testaments wird gezeigt, wie das Wort Gottes das Gewissen erforscht und erleuchtet. Es deckt Böses auf, das bis dahin nicht erkannt worden ist, sondern unter einem nach außen hin einwandfreien Verhalten verborgen war. Die Ergebnisse, die sich zeigen, wenn Gott in dieser Weise das Herz erforscht, werden uns in Seinem Wort vorgestellt. Er möchte uns dadurch unterweisen, damit wir in dem Bewußtsein, daß das Fleisch noch in uns ist, demütig unseren Weg gehen – obwohl wir nicht mehr im Fleisch, sondern im Geist sind. Daß wir uns doch daran gewöhnten, das Wort Gottes so auf uns anzuwenden, daß wir uns selbst erkennen, damit der Herr keinen Anlaß mehr hat, uns in Seinen Regierungswegen zur Einsicht bringen oder gar richten zu müssen!

Die Sünde, die Hiskia bei der in Jesaja 39 geschilderten Begebenheit beging, war nur Gott bekannt. Es war kein moralisches Vergehen, sondern eine Sünde des Herzens, die Gott allein sehen und richten konnte. Vielleicht würde er nicht in dieser ernsten Weise angeklagt worden sein, wenn er nicht ein solcher Mann des Glaubens gewesen wäre; denn Gottes Gericht muß notwendigerweise besonders diejenigen treffen, die Ihm nahegebracht sind und von Ihm geliebt werden. Außerdem war Hiskia nur aufgrund der ihm persönlich erwiesenen Gunst und Güte genesen und im Besitz von großem Reichtum. Das jedoch hatte zur Folge, daß er nun in trauriger Weise versagte. Durch die Anteilnahme der Feinde wurde er verleitet, sich in fleischlicher Weise der Segnungen zu rühmen, die dazu dienen sollten, ihn näher zu Gott zu bringen.

Wie oft kommt es vor, daß jemand sich zu einem bestimmten Verhalten oder Dienst verpflichtet und gerade in dieser Sache versagt. Gott muß uns dann zum Ausgangspunkt unseres Weges zurückbringen. Das ist beschämend, aber nur für das Fleisch; das Herz des Gläubigen freut sich an allem, was die Natur demütigt, und findet in dem, was dem Fleisch Unbehagen bereitet, einen Weg, zu Gott zurückzukehren. Er ist es, der in uns wirkt, „sowohl das Wollen als auch das Wirken nach seinem Wohlgefallen“ (Phil 2,13). Die Handlungsweise des Herrn mit Petrus in Joh 21,15-19 veranschaulicht das.

Einige Tage vor dem Besuch der babylonischen Fürsten war Hiskia in das Haus Jehovas hinaufgegangen, um Ihm für die erwiesene Gnade Dank darzubringen. Dort hatte er gesagt: „Ich will sachte wallen alle meine Jahre wegen der Betrübnis meiner Seele.“ Ohne Zweifel war dieser Vorsatz aufrichtig gemeint; als Gott ihn jedoch diesbezüglich prüfte, verhielt er sich nicht entsprechend der Wohltat, die ihm erwiesen worden war. Anstatt „sachte zu wallen“ überhob sich sein Herz. „Und es kam ein Zorn über ihn und über Juda und Jerusalem“ (2. Chr 32,25). „Gott verließ ihn …, um ihn zu versuchen, damit er alles erkennte, was in seinem Herzen war“ (2. Chr 32,31). Ebenso war es immer wieder bei Israel in der Wüste (5. Mo 8,2). Gott wußte alles. Aber das Ziel Seiner Wege ist es, alles aufzudecken, damit wir uns selbst in sittlicher Hinsicht reinigen und uns in Seiner Gegenwart demütigen. Es mag viel äußere Aktivität vorhanden sein und nach dem Urteil der Menschen auch Erfolg. Aber der die Herzen erforscht, sieht die geheimen Regungen, die, wenn sie nicht jetzt erkannt und gerichtet werden, am Richterstuhl Christi den endgültigen Verlust und die Zerstörung alles dessen zur Folge haben werden, was darauf aufgebaut worden war.

Hiskia offenbarte hier einen Geist, der charakteristisch für Babylon ist. Davon mußte er befreit werden. „Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele“ (Hab 2,4). Diese Worte benutzte Gott in den Tagen Habakuks in bezug auf die Chaldäer, die im Begriff standen, Jerusalem zu erobern. Aber wie genau treffen sie hier auf den versagenden Gläubigen zu, der einen Augenblick nicht durch seinen Glauben wandelte! Der Geist Babylons war in Jerusalem eingedrungen, ist im Hause des Königs von Juda angenommen worden und hatte das Herz des Knechtes Jehovas umgarnt.

Beachte, wie schnell das stolze Herz aufhört, aufrichtig zu sein. Der Mensch ist von Natur aus ein schwaches, abhängiges Geschöpf, das seine Stärke nur in dem ununterbrochenen Vertrauen auf Gott findet. „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“, so hat er nichts, dessen er sich rühmen kann. „Was aber hast du, das du nicht empfangen hast?“ Sich den Ruhm eines anderen anzueignen ist Sünde. Gott gab dem König von Babylon Macht, dieser jedoch mißbrauchte sie, indem er die Knechte Gottes in einen brennenden Feuerofen warf. Gott aber benutzte diese Tat dazu, als Befreier zu den Seinen zu kommen. Der Geist Babylons ist weit mehr zu fürchten als seine Macht. Er ist gekennzeichnet durch Stolz und Ungerechtigkeit; er schmeichelt dem Herzen und umgarnt es und ist bestrebt, es in sittliche Verwirrung zu stürzen, denn dann sind seine Ziele nicht leicht zu entdecken.

Der Geist Babylons wurde in die Versammlung zu Korinth durch solche hineingetragen, die wie Könige herrschen wollten, und zwar ohne die Apostel. Derselbe Geist wurde in die Mitte der Heiligen gebracht durch Hymenäus und Philetus, die von der Wahrheit abgeirrt waren, indem sie sagten, daß die Auferstehung schon geschehen sei, und den Glauben etlicher zerstörten. Aber gerade der Glaube ist das einzige, das vor der gegenwärtigen bösen Welt bewahrt; denn er verbindet uns mit Gott und Seinem geliebten Sohn und läßt uns in dieser betrügerischen und verunreinigten Welt Überwinder sein. In einer Hinsicht ist es tatsächlich so, daß die Auferstehung schon geschehen ist, und zwar in bezug auf unsere Stellung vor Gott und unsere Annahme bei Ihm. Er sieht uns als eine neue Schöpfung in Christus Jesus. Als Heilige sind wir schon jetzt in die himmlischen Örter versetzt und mit jeder geistlichen Segnung in Christus gesegnet. Aber als Knechte und gute Kriegsleute Jesu Christi müssen wir das Urteil des Todes in uns selbst haben und uns durch Leiden für die herrliche Stellung, die uns dann in unserer Auferstehung zuteil wird, bewähren.

Wir müssen unseren Anspruch auf die Krone dadurch untermauern, daß wir unser Kreuz aufnehmen und Schwierigkeiten ertragen. Ohne das Auferstehungsleben Christi wären weder unser Ursprung noch unser Ziel in der himmlischen Herrlichkeit; aber in dieser Welt ist es das Kreuz Christi und nicht Sein Auferstehungsleben, das unsere Stellung und Umstände bestimmt und charakterisiert. Laßt uns mit dem hingebungsvollen Apostel sagen: „Von mir aber sei es ferne, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“ Der Geist Babylons kann keinen Einfluß über ein Herz gewinnen, das durch Christus befriedigt ist und das das Kreuz als eine unüberwindliche Schranke zwischen sich und die Welt hält.

Gott hat Hiskia auf großartige Weise benutzt, um Sein Haus zu reinigen und den Dienst des Hauses Jehovas wieder einzurichten. Durch Gnade bewies er außerordentliche Energie, da er die engen Grenzen seines eigenen Königtums Juda überschritt und die zerstreuten Teile des größeren Königreiches Israel aufsuchte. Er wirkte auf ihre Seelen ein, damit sie nach Jerusalem kommen und als Gottes erlöstes Volk das Passah feiern sollten. Gott erkannte sein Werk des Glaubens und die Bemühung der Liebe dadurch an, daß Er ihn reichlich segnete.

All das war Gott wohlgefällig; aber Gott achtete auch darauf, daß derselbe Charakter der Heiligkeit, durch den das Haus Gottes wiederhergestellt worden war, das Haus, die Familie und das Herz Seines Knechtes erfüllten. Im Tempel war Hiskia als einer aufgetreten, der die Sünden bereute und bekannte, der zu Gott flehte und Ihn anbetete. Aber die Frage, der er sich jetzt gegenübergestellt sah, lautete: „Was haben sie in deinem Hause gesehen?“ Leider war die Antwort enttäuschend; denn er hatte ihnen alles gezeigt, und zwar nicht um der Ehre Gottes willen, sondern zu seiner eigenen Ehre.

Die weisen Männer Babylons hatten von dem Wunder, das in diesem Land geschehen war, gehört und waren gekommen, weil sie es mit dem Volk Gottes und dem Sohn Davids in Verbindung brachten. Hier war sicherlich eine Gelegenheit, ein Zeugnis für Jehova abzulegen. Wie groß waren Seine Macht und Seine Güte, die Er Seinem bedrängten Knecht zugewandt hatte!

Aber der König von Babylon sah nur das Irdische; und andererseits war Hiskia glücklich, es zeigen zu können. Leider ist das auch bei uns oft so. Wie leicht reagieren wir auf Schmeichelei! Als der Schatten des Todes auf ihm lag, war er ganz auf Gott geworfen. Sein Glaube strahlte hell hervor und er bezeugte: „In jeder Hinsicht ist darin“ (in den Schwierigkeiten, der Not und der Krankheit) „das Leben meines Geistes.“ Nachdem er aber vor dem sicheren Grab gerettet worden war, vergaß er völlig, Gott die Ehre zu geben, die Ihm gebührte. Durch sein Verhalten gab er den Anlaß, daß ihm ein Gericht durch die Chaldäer angekündigt werden mußte, und zwar so ernst und genau, wie noch keinem König von Juda zuvor. Gott wollte ihn dadurch demütigen.

Hat das alles nicht auch uns heutzutage etwas zu sagen? Äußerliche Verbesserungen mögen vorhanden sein. Viele Jahre hatten die Gläubigen das Vorrecht und die Segnung, daß ihnen durch die Wirksamkeit des Geistes Wahrheiten wiedergeschenkt oder geoffenbart wurden. Die Wahrheiten, die durch „jedes Gelenk der Darreichung“ übermittelt werden, beschäftigen sich mit dem Leib Christi, der Versammlung, dem Haus Gottes, usw. Doch Gott möchte, daß sich Fragen erheben, die, wenn sie aufrichtig und wahrheitsgemäß in Seiner Gegenwart beantwortet werden, die Dinge aufdecken, die in unserem Privatleben, unserem Leben in der Familie oder im Beruf nicht mit Seinen Gedanken übereinstimmen. „Was haben sie in deinem Hause gesehen?“ B.T.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1987, Seite 173

Bibelstellen: Jes 39, 4

Stichwörter: Hiskia