Gott möchte deinen Namen nennen!

„Und es waren unter ihnen, von den Kindern Juda: Daniel, Hananja, Misael und Asarja“ (Dan 1,6).

Es ist schon merkwürdig: Das war eine ganze Reihe junger Leute, zwar zwangsverschleppt aus dem fernen Jerusalem, aber nach einem anspruchsvollen Ausleseverfahren für würdig befunden, am Hofleben des heidnischen Königs Nebukadnezar teilzunehmen – und die Schrift redet lediglich ganz allgemein und unpersönlich von „ihnen“. Doch dann nennt Gott plötzlich Namen, zählt Einzelpersonen auf. Auch Er trifft eine Auslese: „Und es waren unter ihnen …: Daniel, Hananja, Misael und Asarja.“

Wenn wir ein Gespür für die Feinheiten göttlicher Mitteilungen haben, so erkennen wir hier in aller Deutlichkeit, daß Gott uns durch diese namentliche Hervorhebung zeigen möchte, wer Seine ganze Wertschätzung und Anerkennung besitzt. Gott liebt die Treuen. Er schätzt diejenigen, die sich in aller Entschiedenheit in ihren Herzen vorgenommen haben, sich nicht mit der „Tafelkost des Königs“ zu verunreinigen, die selbst in Verhältnissen gottloser Herausforderung und Versuchung die Standfestigkeit wahren Glaubens zeigen. Alle Halbherzigen, Kompromißbereiten, die den Zickzack-Kurs auf dem Weg des geringsten Widerstandes steuern, die in der Welt ihres Glaubens wegen nicht anecken möchten, bleiben zurück in der Schar der Anonymen und Zeugnislosen – ihnen bleibt die besondere Anerkennung Gottes versagt.

Wir brauchen nicht lange zu suchen, um eine zeitgemäße Belehrung für uns darin zu finden. Wenn uns auch heute fast 2600 Jahre von Daniel und seinen Freunden trennen und uns die speziellen geschichtlichen Bedingungen ihrer Zeit und Erprobung fremd sind, so sehen wir uns doch ebenfalls den breit gestreuten Bemühungen gottfeindlicher Machtansprüche und Verführungen dieser Welt gegenüber. Satan will als Fürst dieser Welt uns, und vor allem unsere jungen Leute, in das System seines weltlichen Machtbereiches integrieren, um „im Palaste des Königs zu stehen“. Er will uns interessieren für die Weltweisheit, „die Sprache und Schriften der Chaldäer“, will uns Geschmack finden lassen an der zweifelhaften „Tafelkost“ dieser Welt, will uns andere Namen geben, d.h. eine Bewußtseinsänderung bei uns bewirken, damit wir unsere Herkunft aus „königlichem Samen“, den Adel des „königlichen Priestertums“ vergessen und vereinnahmt werden durch die Anschauungen und Gesinnungen dieser Welt.

Ihr lieben jungen Freunde, Brüder oder Schwestern, ihr werdet nicht gleich heute oder morgen in den Bereich der politischen Führung unseres Landes aufsteigen – um Daniels Lage einmal zeitgemäß zu umschreiben -, ihr werdet wahrscheinlich auch nicht in Kürze zu einer geistigen Elitetruppe zählen, die die besondere Gunst staatlicher Förderung genießt, euch auch wohl kaum auf dem gesellschaftlichen Parkett der „oberen Zehntausend“ zu bewegen haben – dieses Ausnahmeniveau Daniels und seiner Freunde brauchen wir gar nicht mal in den Blick zu nehmen. Aber werden wir einmal realistischer und schauen auf üblichere, z. T. unumgängliche Gegebenheiten eures Lebens: Ihr seid vielleicht – wie Daniel – knapp 20 Jahre alt; die einen von euch müssen zur Bundeswehr, das heißt 18 Monate nicht immer problemfreies Kasernenleben, andere absolvieren ggf. unter vergleichbaren Bedingungen ihren Ersatzdienst, die nächsten gehen weg zum Studium oder zur beruflichen Ausbildung und wohnen dann im eigenen Zimmer/Appartement.

Da haben euch nun staatliche Verordnungen oder gewisse berufliche bzw. ausbildungsbezogene Notwendigkeiten aus der geschützten Atmosphäre eures Elternhauses und den bislang gewohnten Lebensverhältnissen geholt. Ihr steht jetzt in einem erweiterten Maß auf eigenen Füßen und müßt in einem für euch weitgehend neuen Bereich Eigenständigkeit beweisen. Das werdet ihr sicherlich, zwar in unterschiedlicher Form und Ausprägung, als Erprobungssituation erleben. Ihr werdet unter veränderten Bedingungen oder in verstärkter Weise Welt erfahren, euch mit den Herausforderungen, den offenen oder versteckten Einflußnahmen und Anpassungszwängen dieser Welt auseinanderzusetzen haben. Da mag sich Welt zum einen recht derb, lautstark und aufdringlich gebärden. Zum anderen wird sie sich aber auch zeigen in seriöser, geistig geschliffener Universitätsatmosphäre, wo ein gerüttelt Maß an „Weltweisheit“ vermittelt wird, vor der die Schrift warnt. Manche Geschwister wissen aus ihrer studentischen Erfahrung zu berichten, wie erheblich – vor allem in bestimmten Studienbereichen – oft die Gefahr geistiger Beeinflussung bzw. Verführung ist, wie leicht trotz vorhandener Wachsamkeit etwas „hängenbleibt“ von den Einflüssen fragwürdiger philosophischer/ideologischer Strömungen, welche Standfestigkeit es mitunter erfordert, sich freizuhalten von solchen Inhalten und Methoden der Wissenschaft, die ihrer Natur nach in Widerspruch stehen zu Gottes Wort. Das unbedarfte Gefühl, vor diesen Gefahren gewappnet zu sein, hat schon bei manchem Studienanfänger dazu geführt, unmerklich aufs falsche Geleise geschoben zu werden. Wirkliche Sicherheit liegt allein in der Abhängigkeit, der bewußten Bindung an Gott und die souveräne Autorität Seines heiligen Wortes.

Weiterhin wird dir die Welt vielleicht auch mit harmlos wirkender Geschäftigkeit Zerstreuung und Abwechslung bieten wollen, wenn du dich in der fremden Stadt allein oder einsam fühlst. Es mag sogar sein, daß sie moralische Hemmschwellen abbauen möchte nach dem Motto: „Hier kennt und sieht dich ja keiner!“ Die Welt kann wie ein Chamäleon die Farben ihrer Verlockung wechseln -aber bedenke, sie bleibt immer Welt! Sie mag wirken wollen wie eine allmähliche, schleichende Lähmung oder wie ein unwiderstehlicher Strudel, ihre Zielsetzung bleibt gleich. Auch das muß dir bewußt sein und dir die Dringlichkeit des „Wachet und betet …“ aufs Herz legen.

Nun stehst du ja nicht allein in diesem Bereich deiner Bewährung, viele gläubige Altersgenossen stecken in der gleichen Situation, vielleicht bist du mit einzelnen sogar am selben Ort. Genau wie damals in Babel die vier Freunde von „königlichem Samen“ waren, so gehört ihr auch zu einem „königlichen Priestertum“ (1. Pet 2,9). Was allerdings für unsere Überlegungen besonders wichtig ist, liegt in der bemerkenswerten Tatsache begründet, daß Gott uns das nicht nur als eine wissenswerte Feststellung sagt, sondern eine eindeutige Zweckbestimmung daran anknüpft: „… damit ihr die Tugenden dessen verkündet (in Wort und Verhalten!), der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (V. 9). Lebst du im vollem Bewußtsein der hohen Würde dieses „königlichen“ Geblüts und seiner „standesgemäßen“ Verpflichtung? Das brauchst du, wenn du wie Daniel und seine Freunde zu den Standhaften und Treuen im Babel dieser Welt gehören möchtest! Daß es leider nicht von allen praktiziert wird und manche Gleichgültigkeit vorliegt, zeigt die Erfahrung, wenngleich wir das nicht anklagend sagen wollen, weil wir nur zu gut unser eigenes Herz kennen. Aber wenn Gott noch einmal aufzählen würde: „Und es waren unter ihnen …“ – könnte Er dann auch deinen Namen nennen, dir die Anerkennung eines Treuen geben und dich damit aus der Zahl der Anonymen und Zeugnislosen herausheben? Die Gefahr des Nachgebens und der Anpassung liegt nahe, wenn die Welt uns in ihr System einfügen will, uns zu „Höflingen“ des Fürsten dieser Welt machen möchte. Satan weiß, wo ggf. unser schwacher Punkt, unsere besondere Anfälligkeit liegt, wo er uns etwas schmackhaft machen kann. Da kann rasch der gute Vorsatz einem Zweckmäßigkeitsdenken weichen, das möglicher Vorteile oder vermeidbarer Unannehmlichkeiten wegen das Fähnlein nach dem Wind hängt. Da bleibt dann auch keine Standhaftigkeit, wenn die Welt ihren „Wein“, mit dem sie sich berauscht, anbietet und ihre „Tafelkost“ vorsetzt, von der sie lebt und die ihren „Götzen“ geweiht ist: der Geistes- und Sinnenfreude, der Selbstliebe, Macht und Anerkennung sowie dem Wohlleben und Genußstreben.

Doch Gott möchte deinen Namen als Treuer nennen, vielleicht sogar mit deinen gläubigen Kameraden oder Kommilitonen, die sich ebenfalls „in ihrem Herzen“ vorgenommen haben, „sich nicht mit der Tafelkost des Königs und mit dem Wein, den er trank, zu verunreinigen“. Du bist dir ja deiner Abstammung bewußt, daß du „nicht von der Welt“ bist, gleichwie auch dein Heiland und Herr „nicht von der Welt“ war (Joh 17,16), daß du im geistlichen Sinne „von den Kindern Juda“ stammst, diesem königlichen Geschlecht angehörst! Ist dir dein Name – „Er wird gepriesen werden“ (das heißt Juda) – ein überzeugendes und glaubwürdiges Bekenntnis auch in deinem neuen Lebens- und Verantwortungsbereich? Wenn dein Herz ausgefüllt ist mit tiefer Liebe zu deinem Herrn und Seinem heiligen Wort, wird es dir ebenfalls Bedürfnis sein, „mit Herzensentschluß bei dem Herrn zu verharren“ (Apg 11,23) in Verhältnissen einer bislang wenig oder nicht gekannten Erprobung. Du wirst vielleicht auch merken, wie wichtig es ist, daß all das, worin dich deine Eltern in ihrer Erziehung bisher unterwiesen haben, was sie dir als geistliche Einsichten nahegebracht haben, wirklich eigener, innerer Besitz sein muß! Ein halbherziges oder nur äußeres, formales Annehmen schriftgemäßer Grundsätze und Verhaltensweisen reicht nicht. Allein wahre Herzensbildung führt zu tragfähigen Herzensentschlüssen. Und der Herr sucht „unter ihnen“ solche, die Er mit Namen nennen kann, mit denen Er sich anerkennend verbinden möchte, weil sie zu Seiner Ehre diesen festen Vorsatz des Herzens kennen. Dann wird Er auch die Erfahrung schenken, daß Er den Glauben der Seinen niemals beschämt: „Und Gott gab Daniel Gnade und Barmherzigkeit…“ (V. 9) – und das möchte Er dir auch schenken! In welcher Form Er das tut, wollen wir Ihm gerne überlassen – „Weg‘ hat er allerwegen, an Mitteln fehlt’s ihm nicht…“ Sicher dürfen wir sein, daß der „Weg der Treue“ (Ps 119,30) nie zu einer Verkürzung führt, sondern unser Leben innerlich reich macht – und das ist, was zählt! H.W.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1988, Seite 261

Bibelstellen: Dan 1, 6

Stichwörter: Jugend, Wandel