Die Bergpredigt: Perlen vor die Schweine werfen

Matthäus 7,6
„Gebet nicht das Heilige den Hunden; werfet auch nicht eure Perlen vor die Schweine, damit sie dieselben nicht etwa mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.“

Dieser Vers bildet das Gegenstück zu den ersten fünf Versen des Kapitels. Dort warnt der Herr Jesus Seine Jünger vor einem falschen Urteilen und vor dem Richtgeist, hier dagegen vor einem Mangel an geistlichem Urteilsvermögen in bestimmten Situationen, in die sie bei ihrem Dienst in der Nachfolge ihres Meisters kommen können.

Göttliche Segnungen

Der Herr Jesus erwähnt in diesem Vers zunächst das „Heilige“ und die „Perlen“. Heiligkeit ist in erster Linie ein Attribut Gottes, ein Kennzeichen Seines reinen, herrlichen, ewigen Wesens (Jes 6,3; Off 4,8). Alles, was von Ihm kommt, ist daher heilig. Deshalb nennt Judas den christlichen Glauben auch „euren allerheiligsten Glauben“ (Jud 20).

Neben dem „Heiligen“ spricht der Herr dann von den „Perlen“. Diese sind in der Heiligen Schrift ein Bild von Kostbarkeit und Schönheit. Wir werden dabei an die „eine sehr kostbare Perle“ in dem fünften Gleichnis vom Reich der Himmel in Matthäus 13,45.46 erinnert, in der wir die Versammlung des lebendigen Gottes in ihrem Wert für den Herrn Jesus sehen. In Offenbarung 21,21 bestehen die zwölf Tore des neuen Jerusalem, der heiligen Stadt, die vorher „die Braut, das Weib des Lammes“ genannt wird, aus zwölf Perlen.

Das „Heilige“ und die „Perlen“ sind also auch in dem vorliegenden Zusammenhang des Reiches Gottes als Ausdrücke für göttliche, kostbare Wahrheiten und Segnungen zu sehen. Wohl war damals die Zeit für die Offenbarung der besonderen geistlichen Segnungen des Christentums noch nicht reif. Aber der Herr deutete in Seinen Reden doch schon manches davon an. Denken wir nur an die Erwähnungen des Vaternamens in der Bergpredigt und der kostbaren Perle in Matthäus 13. Somit sind in dem „Heiligen“ und in den „Perlen“ auch die einzigartigen Segnungen und Vorrechte der Gläubigen in der jetzigen Gnadenzeit Inbegriffen.

In Christus, der sich für verlorene Menschen und zur Verherrlichung Gottes am Kreuz geopfert hat, hat der Vater den Erlösten alle geistlichen und himmlischen Segnungen sowie die größten und kostbaren Verheißungen geschenkt (Eph 1,3; 2. Pet 1,4).

– Er hat uns neues, ewiges Leben gegeben und uns dadurch zu Seinen eigenen geliebten Kindern gemacht und uns in Christus in die erhabene Stellung von Söhnen versetzt.

– Auch hat Er uns Seinen Heiligen Geist als Leiter und als Unterpfand und Siegel dafür gegeben, daß Er alle Seine Verheißungen wahrmachen wird.

– Durch den Heiligen Geist sind darüber hinaus alle Gläubigen zu der Versammlung Gottes zusammengefügt worden und bilden jetzt den Leib Christi, den Tempel Gottes und die Braut des Lammes.

Das sind einige der wunderbaren geistlichen Segnungen, die uns der Vater in Christus geschenkt hat. Alle diese Reichtümer und die damit verbundenen Vorrechte sind heilige und kostbare Schätze, die wir treu bewahren und verwalten sollen, damit wir uns daran freuen können und sie uns nicht verlorengehen.

Was bedeuten die Ausdrücke „Hunde“ und „Schweine“?

Nach dem Gesetz vom Sinai galten Hunde und Schweine als unreine Tiere. Den Israeliten war es ausdrücklich verboten, Schweinefleisch zu essen, und der Preis eines Hundes durfte nicht in das Haus Jehovas gebracht werden (3. Mo 11,7; 5. Mo 23,18). Auch die Griechen, die doch nicht die heiligen Maßstäbe Gottes kannten, betrachteten beide Tiere als Symbole der Unreinheit und Gier. Zudem waren Hunde und Schweine im Altertum nicht die zahmen Haustiere, wie wir sie heute kennen, sondern mehr oder weniger frei lebende, halbwilde Tiere.

Besonders das Bild des Hundes beschreibt in Gottes Wort unreine, böse und verabscheuungswürdige Menschen (vgl. Ps 22,16; Phil 3,2; Off 22,15). Petrus zitiert im Blick auf solche, die das Christentum kennengelernt und sich wieder davon abgewandt haben, das Sprichwort: „Der Hund kehrte um zu seinem eigenen Gespei, und die gewaschene Sau zum Wälzen im Kot“ (2. Pet 2,22). Hund und Schwein stellen hier den natürlichen Menschen dar, der sich nicht ändert, auch wenn er eine gewisse äußerliche Bekanntschaft mit der Gnade Gottes gemacht hat. Wie anders dagegen das zahme, stille und auf die Fürsorge des Hirten angewiesene Schaf, das in Gottes Wort so oft als Bild des Gläubigen benutzt wird (vgl. Ps 23; Joh 10)!

Wer ist gemeint?

Die Juden betrachteten aufgrund ihrer Auslegung des Gesetzes nicht nur die Angehörigen der heidnischen Nationen, sondern auch die jüdischen Zöllner, die sich im Dienst der römischen Besatzungsmacht befanden, generell als unreine, fern von Gott stehende Menschen (vgl. Mt 11,19; Apg 10,28). Sie mieden daher jeden Kontakt zu ihnen. Aber handelte der Sohn Gottes auch so?

Einmal flehte eine kanaanäische, d.h. heidnische Frau den Herrn Jesus um Erbarmen für ihre besessene Tochter an. Zunächst sagte Er zwar zu Seinen Jüngern: „Ich bin nicht gesandt, als nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“, und zu der Frau: „Es ist nicht schön, das Brot der Kinder zu nehmen und den Hündlein hinzuwerfen.“ Als Er jedoch den großen Glauben dieser armen Frau sah, erfüllte Er gnädig ihren Wunsch (Mt 15,21-28). Er kehrte auch bei Zachäus, dem Zöllner, ein, um mit ihm zu essen. Darüber waren viele sehr empört (Lk 19,7).

Als der verheißene König Israels sandte der Herr Jesus Seine zwölf Jünger zuerst nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel und verbot ihnen, zu den Nationen und zu den Samaritern zu gehen (Mt 10,5.6). Bei ihrer Aussendung sagte Er: „Und wenn nun das Haus würdig ist, so komme euer Friede auf dasselbe; wenn es aber nicht würdig ist, so wende sich euer Friede zu euch zurück. Und wer irgend euch nicht aufnehmen noch eure Worte hören wird – gehet hinaus aus jenem Hause oder jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen“ (V. 13.14). Später schickte Er siebzig andere Jünger mit den Worten hinaus: „Siehe, ich sende euch wie Lämmer inmitten von Wölfen.“ Auch diesen gibt Er ähnliche Verhaltensregeln mit auf den Weg (Lk 10,3.8-11).

Der Herr Jesus meint also mit den Bezeichnungen „Hunde“ und „Schweine“ nicht bestimmte, äußerlich erkennbare Menschengruppen, wie es die Juden und zunächst vielleicht auch Seine Jünger denken mochten. Das Evangelium des Reiches richtet sich an alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft. So war es damals, und so wird es auch in der Zukunft sein (Mt 24,14). Das gleiche gilt für das Evangelium der Gnade in der jetzigen Zeit. Mochten unter den Gläubigen in Korinth auch ehemalige Hurer, Ehebrecher und Trunkenbolde sein, so konnte Paulus ihnen dennoch schreiben: „Und solches sind euer etliche gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes“ (1. Kor 6,11)- Nicht die Herkunft oder Vergangenheit eines Menschen, sondern seine Herzenshaltung gegenüber Gott ist also das Kriterium, nach dem er von Ihm beurteilt wird.

Gilt das Evangelium nicht für alle?

Wer das Urteil Gottes über die Sünde und Seine Botschaft aufrichtig im Glauben annimmt, wird auch von Ihm angenommen, ganz gleich, wer er ist. Wer aber sich dieser Botschaft verschließt und sie sogar in den Schmutz zieht, auf den sollen die Boten Christi nicht eindringen. Für solche sind das Heilige und die Perlen Gottes nicht bestimmt.

Wenn der Herr Jesus sagt: „Gebet nicht das Heilige den Hunden …“, dann heißt das also durchaus nicht, daß das Evangelium nicht allen Menschen gepredigt werden dürfte. Nein, der Auftrag des Auferstandenen lautet auch heute noch: „Gehet hin in die ganze Welt und prediget das Evangelium der ganzen Schöpfung“ (Mk 16,15).

Aber was der Herr bei der Aussendung der Zwölf und der Siebzig voraussah, das erlebten auch die Apostel später auf ihren Reisen. In Antiochien lästerten die Juden, so daß Paulus und seine Begleiter die Stadt verließen, und dasselbe passierte ihnen in Korinth (Apg 13,45-51; 18,6). Sie schüttelten den Staub von ihren Schuhen und aus ihren Kleidern. Das sollte bedeuten, daß es hier keinerlei Gemeinschaft des Geistes geben konnte. Hätten sie trotz dieser schroffen Ablehnung dort weiterhin die kostbare Botschaft des Heils verkündigt, dann hätten sie das Heilige den Hunden gegeben und ihre Perlen vor die Schweine geworfen.

Wo das Evangelium verspottet und gelästert wird, da werden die Perlen zertreten. Die Verfolgungen, die die Apostel erlitten und die manche Diener des Herrn bis heute zu erdulden haben, zeigen, was die Worte des Herrn bedeuten: „… damit sie dieselben nicht etwa mit ihren Füßen zertreten und euch zerreißen.“

Heißt das nun, daß wir da kein Zeugnis für unseren Herrn sein können oder sollen, wo es Spott gibt? Durchaus nicht. Gerade dann brauchen wir jedoch geistliches Unterscheidungsvermögen, um zu erkennen, was in einer solchen Situation das Rechte ist. Wir können in solch einer Lage unseren Herrn anrufen und um Weisheit und Hilfe flehen. Dann kann es sein, daß Er uns beauftragt, den Spöttern ein ernstes „Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten!“ zuzurufen. Es kann aber auch sein, daß wir schweigend den Spott über uns ergehen lassen müssen. Schließlich kann es so sein, daß wir uns traurig abwenden müssen, weil der Herr uns an Seine Worte erinnert: „Gebet nicht das Heilige den Hunden; werfet auch nicht eure Perlen vor die Schweine, damit sie dieselben nicht etwa mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.“

Eine Anwendung auf die Christenheit

Es ist gewiß nicht von ungefähr, daß Petrus gerade auf solche Menschen, die den Weg des Heils erkannt und sich davon abgewandt haben, das gleiche Bild von den Hunden und Schweinen anwendet. Im Lauf der Zeit wurden nämlich in der Christenheit die heiligen Dinge, die nur für die Kinder Gottes bestimmt sind, an ungläubige Menschen ausgeteilt, die sich nur äußerlich zum Glauben bekannten, denn viele sind getauft, ohne von neuem geboren zu sein, und wie viele nehmen teil am Mahl des Herrn, ohne Glieder Seines Leibes zu sein! Was ist z.B. in der Christenheit aus dem Priestertum der Gläubigen gemacht worden!

Auch in dieser Hinsicht wurden heilige Dinge den Hunden gegeben und Perlen vor die Schweine geworfen. Das hat dazu geführt, daß Gottes Wahrheit mißbraucht und der Herr verachtet wird. Gerade in Deutschland, wo das Christentum seit über einem Jahrtausend verbreitet ist und wo Gott vor fast fünfhundert Jahren durch die Reformation so viel Segen hervorgerufen hat, zertreten Theologen durch ihre heute weltweit verbreiteten falschen Lehren die kostbaren Perlen der Wahrheit und verspotten diejenigen, die daran in Einfalt des Glaubens festhalten möchten. So hat die Warnung unseres Herrn auch in dieser Hinsicht noch immer aktuelle Bedeutung. A.R.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1993, Seite 262

Bibelstellen: Mt 7, 6

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