Der König, der seinem Sohn Hochzeit machte

Im Gleichnis von den >bösen Weingärtnern< haben wir die Verwerfung Christi durch Sein irdisches Volk gesehen. Weiter konnte die menschliche Feindschaft gegen Gott nicht gehen, als daß man Seinen Sohn ermordete. War es Satan damit gelungen, die Pläne Gottes endgültig zu durchkreuzen? Nein, tausendmal nein! In einem weiteren Gleichnis, das sich unmittelbar an das vorhergehende anschließt, offenbart der Herr Jesus die unumschränkte Gnade Gottes. Im Gleichnis von dem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete, spricht Er nun nicht länger von dem, was der Mensch getan hat, sondern von dem, was Gott tut. Dabei wird jedoch eine noch weitergehende Entwicklung des Bösen sichtbar: Nicht nur weigert sich der Mensch, irgend etwas Gott zu bringen, sondern er lehnt es auch ab, etwas von Ihm anzunehmen. Das ist ein wahres Bild des menschlichen Herzens und eine sehr demütigende Wahrheit. Gäbe es nicht die Gnade Gottes, nicht ein einziger der Nachkommen Adams würde je in die Herrlichkeit Gottes kommen. Doch betrachten wir jetzt das Gleichnis im einzelnen.

Die Gedanken des Königs über seinen Sohn

„Und Jesus hob an und redete wiederum in Gleichnissen zu ihnen und sprach: Das Reich der Himmel ist einem König gleich geworden, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete“ (Mt 22,1.2).

Die meisten Menschen haben keine hohen Gedanken über Jesus Christus. Gott aber hat hohe Gedanken über Seinen Sohn, sehr hohe. Wenn die Menschen Seinen Sohn erniedrigen, ER erhöht Ihn. Wenn die Menschen Seinen Sohn verwerfen, ER nimmt Ihn an und setzt Ihn zu Seiner Rechten. Wenn die Menschen Seinen Sohn nicht ehren, ER ehrt und verherrlicht Ihn.

Das ist der tiefe Beweggrund für das Tun Gottes. Es ist der eigentliche Grund für den Wandel in Seinem Handeln mit den Menschen, für die überschwengliche Gnade, die Er nun den Menschen entgegenbringt. Es sind nicht in erster Linie die Bedürfnisse des sündigen Menschen, die Gott so handeln lassen. Natürlich sind sie vorhanden und muß ihnen entsprochen werden. Aber der erste Gedanke Gottes ist dies: Er verherrlicht Seinen Sohn. „Der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben“ (Joh 3,35).

Das wird uns in unserem Gleichnis gleich zu Anfang deutlich gemacht. Der König „machte seinem Sohn Hochzeit“, wie es wörtlich heißt. Der „König der Zeitalter“, der „unvergängliche, unsichtbare, alleinige Gott“ (1. Tim 1,17) handelt zu Ehren Seines Sohnes. Er will, daß Sein Sohn von Hochzeitsgästen umgeben werde, die Seiner würdig sind. Und sind diese nicht für Seine Gegenwart passend, dann will Er sie passend machen, damit Sein Sohn geehrt werde, „damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern“ (Röm 8,29). Das ist der große Gedanke Gottes, den Er in Seinem Evangelium über Seinen Sohn niedergelegt hat. Gepriesen sei Sein herrlicher Name!

Die Einladung des Königs

„Und er sandte seine Knechte aus, die Geladenen zur Hochzeit zu rufen; und sie wollten nicht kommen“ (V. 3).

Um seinen Vorsatz in die Tat umzusetzen, sendet nun der König seine Knechte aus, „um die Geladenen zur Hochzeit zu rufen“. Wer würde wohl solch eine hehre Einladung ausschlagen? Aber ach! – die Geladenen wollten nicht kommen. Hier wird eine weitere erschütternde Tatsache sichtbar, auf die ich eingangs schon hinwies: Nicht nur weigert sich der Mensch, Gott das zu geben, was Ihm gebührt, sondern er lehnt es auch ab, das anzunehmen, was ihm Gott in Seiner Güte anbietet. Wie verdorben ist doch das menschliche Herz!

Die Juden zu Lebzeiten des Herrn auf der Erde waren die >Geladenen<. An sie ließ Gott jetzt den Ruf „Kommt zur Hochzeit!“ ergehen. Wir sehen diese erste Sendung Seiner Knechte zum Beispiel in Matthäus 10 vorgestellt, wo der Herr die zwölf Apostel in die Städte Israels aussendet. Diese Sendung war vor dem Kreuz. Wie gnädig handelte doch Gott mit ihnen! Gerade sie, die sich in den vorausgegangenen Jahrhunderten immer wieder gegen Ihn empört hatten, bis Er sie schließlich in die Gefangenschaft nach Assyrien und Babel führen mußte, gerade sie waren die besonders >Geladenen<, gerade an sie erging die Einladung der Gnade Gottes, als Sein Sohn auf der Erde weilte.

In diesem Zusammenhang ist ein Vers aus dem zweiten Korintherbrief von Bedeutung: „Gott war in Christus, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend“ (Kap. 5,19). Christus war auf dieser Erde, und in Ihm war Gott hier. Aber Gott war nicht herabgekommen, um jetzt die Welt zu richten (Er wird das später tun), sondern um den Menschen mit Sich zu versöhnen. Christus war in Gnaden hier und ließ gerade dem abtrünnigen Volk der Juden die Botschaft verkündigen: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen“ (Mt 3,2; 10,7).

Aber die Geladenen wollten nicht kommen. Sie brachten den Christus Gottes um. „Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gebeten, daß euch ein Mann, der ein Mörder war, geschenkt würde; den Urheber des Lebens aber habt ihr getötet, den Gott aus den Toten auferweckt hat, wovon wir Zeugen sind“, sagte Petrus später zu diesem Volk (Apg 3,14.15).

Nach dem Kreuz

Aber selbst diese Niederträchtigkeit des Menschen kann Gott nicht davon abhalten, Seinen Vorsatz auszuführen. Er will Seinem Sohn „Hochzeit machen“. Davon kann Ihn auch die Bosheit des Menschen nicht abbringen. Und so sendet Er, wie uns der vierte Vers unseres Gleichnisses sagt, erneut Knechte aus, andere Knechte:

„Wiederum sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Geladenen: Siehe, mein Mahl habe ich bereitet, meine Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit“ (Vers 4).

Zwischen dem dritten und vierten Vers müssen wir uns die Kreuzigung und die Auferstehung Christi vorstellen. Sie werden zwar in dem Gleichnis nicht dargestellt, aber sie liegen zwischen den beiden Versen, wie wir sogleich sehen werden.

Diese zweite Sendung Seiner Knechte richtet sich – o welche Gnade! – wieder an die >Geladenen<, wieder an das jüdische Volk. Hatten sie das verdient? Hatten sie nicht eben erst Seinen Sohn getötet? In unfaßbarer Gnade ließ Er diesem widerspenstigen Volk, nachdem der Herr Jesus gekreuzigt, auferstanden und in den Himmel gegangen war, noch einmal die Botschaft der Gnade zukommen: „Kommt zur Hochzeit!“

Geschichtlich gesehen, wird uns diese zweite Einladung an Israel in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte gezeigt. Die erste Einladung, das heißt die Predigt des Reiches durch die Zwölf, endete mit dem 12. Kapitel des Matthäus-Evangeliums, wie ein genaueres Studium dieses Buches klarmacht. Aber nach dem Kreuz wurde für kurze Zeit die Predigt des Reiches noch einmal aufgenommen. Mit ihr verband Gott die Verheißung, Vergebung der Sünden und Zeiten der Erquickung zu geben: „So tut nun Buße und bekehrt euch, daß eure Sünden ausgetilgt werden, damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn“ (Apg 3,19.20).

Kein Heide hörte diese Predigt des Petrus. Sie war auch nicht für die Nationen bestimmt. An die >Geladenen< richtete sich diese zweite Einladung nach dem Kreuz, an die Juden in Jerusalem, wie der Zusammenhang deutlich macht Ich betone das ausdrücklich, weil viele falsche Lehren in dem Nicht-Verstehen dieser Tatsache ihre Ursache haben. Kornelius, der römische Hauptmann, war nach dem Zeugnis der Schrift „fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Haus“ (Apg 10,2), und „das Wort, das er den Söhnen Israels gesandt hat, Frieden verkündigend durch Jesus Christus“, kannte er (Verse 36.37). Er war also mit der Friedens-Botschaft Gottes an Israel durchaus vertraut, aber er wagte nicht – nach dem Stand der Dinge mit Recht! -, sie für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Sie war bislang nur an die „Söhne Israels“ gerichtet.

Was Gott bereitet hat

Wir haben bis jetzt ein wichtiges Wort in der zweiten Einladung noch nicht erwähnt, auf dessen Bedeutung ich kurz eingehen möchte „Siehe, mein Mahl habe ich bereitet, … und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit.“ Dieses >Alles ist bereit< fehlte bei der ersten Einladung. Das nötigt uns den schon erwähnten Schluß auf, daß zwischen der ersten Sendung der Knechte und der zweiten das Kreuz steht: Der Herr Jesus hatte das Werk der Erlösung vollbracht.

Ehe dieses Werk vollendet war, konnte Gott nicht sagen: „Alles ist bereit.“ Erst mußte Christus den Sühnungstod, die Strafe für unsere Sünden stellvertretend erdulden, erst mußte Er aus den Toten auferstehen und in den Himmel gehen, ehe Gott das Reich der Himmel in dem zuvor beschriebenen Charakter errichten und sagen konnte, daß alles bereit sei. Jetzt aber, geliebte Freunde, ist alles bereit; und was das wirklich bedeutet, für uns bedeutet, können wir hier nicht länger verfolgen. Im Augenblick sei jedoch nur an das kostbare Wort aus dem ersten Brief an die Korinther erinnert, wo der Apostel Paulus den Propheten Jesajas zitiert: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“ (Kap. 2,9).

Doch welche Antwort gaben die >Geladenen< auf des Königs zweite Einladung?

Die Verwerfung der Gnade

„Sie aber kümmerten sich nicht darum und gingen hin, der eine auf seinen Acker, der andere an seinen Handel. Die übrigen aber ergriffen seine Knechte, mißhandelten und töteten sie“ (M122,5.6).

Hier sehen wir die erschütternde Antwort der Juden in der Zeit nach dem Kreuz: Sie wollten die Gnade Gottes nicht. Sie schickten gleichsam noch die Gesandtschaft hinter dem Gekreuzigten (aber in den Himmel Aufgefahrenen) her und ließen Ihm sagen: „Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche“ (Lk 19,14). Sie „kümmerten sich nicht darum“ – um die Pläne des Königs, der Seinem Sohn die Hochzeit ausrichten wollte. Was bedeutete ihnen schon dieser Sohn! Sie haßten Ihn. Sie hatten Ihn gehaßt, als Er bei ihnen gewesen war; und sie haßten Ihn, da Er jetzt im Himmel war. Mehr kann in der Tat nicht gezeigt werden, was das menschliche Herz ist: Der Mensch haßt nicht nur die Heiligkeit Gottes, er haßt auch Seine Güte.

In den obigen Versen werden zwei verschiedene Charaktere nicht nur von Juden, sondern von Menschen allgemein sichtbar. Zwar verwerfen sie beide die Gnade Gottes. Aber der fünfte Vers zeigt uns die Gruppe derer, die ihre Interessen in der Welt haben, die sich überhaupt nicht um den Herrn Jesus kümmern. Es ist die Gruppe der Gleichgültigen, die hier ihren Acker und ihren Handel haben. Alles andere interessiert sie nicht. Erhalten solche eine Einladung zu einer Evangelisation, so haben sie grundsätzlich keine Zeit. Sie haben nie Zeit. Sie haben Wichtigeres zu tun, als sich Predigten anzuhören.

Lukas zeigt uns noch weit detaillierter, was die Menschen so alles an Entschuldigungen vorbringen, um nur nicht der Einladung Gottes folgen zu müssen (vgl. Lk 14,18ff). „Sie fingen alle ohne Ausnahme an, sich zu entschuldigen.“ Gehört vielleicht einer meiner geschätzten Leser noch zu dieser Gruppe? Laß dich warnen! Du wirst einmal Zeit genug haben, um über deine Torheit nachzudenken. Und beachte: Wenn du auch nur aus Gleichgültigkeit die Gnade Gottes verwerfen magst, du verwirfst sie aber. Das jedoch wird nie ungestraft bleiben, wie wir noch sehen werden.

In Vers 6 von Matthäus 22 haben wir die Gruppe der Gewalttätigen, die die Boten Gottes verfolgen. Es sind dies zumeist, so seltsam das auf den ersten Blick klingen mag, religiöse Menschen, religiöse Führer, die ihren religiösen Ruf und ihre religiöse Stellung durch Christus und durch die Botschaft der Gnade gefährdet sehen. Sie bekämpfen aktiv die Knechte Gottes. Die Apostelgeschichte, diese vom Heiligen Geist selbst verfaßte Geschichte der frühen christlichen Kirche, zeigt uns das ausführlich. Ob wir an die Verfolgung des Petrus, des Stephanus oder später des Paulus und seiner Mitarbeiter denken – stets richtete sich der Haß der religiösen Führer Israels gegen die Botschaft der Gnade, die einen verherrlichten Christus zum Ausgangspunkt und zum Inhalt hat.

So haben wir hier die große historische Tatsache, daß Jerusalem und die Juden als solche das Gnadenangebot Gottes ablehnten, das mit der Steinigung Stephanus‘ durch sie dann auch sein Ende fand. Seitdem wendet Sich Gott – allen schwärmerischen Israel-Fanatikern zum Trotz – nicht mehr an das jüdische Volk als solches.

Das Gericht über Jerusalem

Die Verwerfung der Gnade Gottes hat unweigerlich Gericht zur Folge – zeitliches Gericht und ewiges Gericht. Wenn schon die Verletzung des Gesetzes Gottes ernste Strafe nach sich zog, wieviel mehr die Verachtung Seiner Gnade!

„Der König aber wurde zornig und sandte seine Heere aus, brachte jene Mörder um und setzte ihre Stadt in Brand“ (Vers 7).

Ist es nicht bewundernswert, mit welch wenigen, treffenden Worten der Herr Jesus das Schicksal der jüdischen Nation und die Zerstörung ihrer Stadt skizziert? Er kennt das Ende vor dem Anfang. Er redet als Der, vor dem die Zukunft wie ein aufgeschlagenes Buch liegt.

Es ist Torheit anzunehmen, man könne die Gnade Gottes ungestraft ablehnen und mit Gleichgültigkeit oder Feindschaft beantworten. „Der König aber wurde zornig.“ Er benützte die Heere der Römer als „seine Heere“ und brachte jene um, die Er jetzt als „Mörder“ Seines Sohnes bezeichnet. Auch Sein treuer Zeuge Stephanus sagte am Ende seiner herzerforschenden Rede vor dem jüdischen Synedrium: „Dessen Mörder ihr jetzt geworden seid“ (Apg 7,52).

„Und er setzte ihre Stadt in Brand.“ Wie wörtlich ist diese Weissagung des Herrn in Erfüllung gegangen, als die Römer im Jahre 70 n.Chr. Jerusalem zerstörten! Es war auch für die gegenwärtige Zeit das Ende des Handelns Gottes mit Israel als Nation. Später wird Er wieder mit diesem Volk anknüpfen, wenn die wahre Kirche in den Himmel aufgenommen sein wird. In der gegenwärtigen Epoche jedoch, der Zeit der Gnade, ist Israel beiseitegesetzt und für Gott „Lo-Ammi“, das heißt „Nicht mein Volk“ (Hos 1,9).

Das bedeutet natürlich nicht, daß Er den einzelnen Juden heute nicht retten wolle. Er will, daß alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Tim 2,4). Auch der Jude heute kann und soll die Botschaft der Gnade annehmen; aber die Juden haben heute keine besonderen Vorrechte oder eine Vorrangstellung vor anderen. Das Gericht Gottes kam über sie und über ihre Stadt, und noch immer lastet es auf diesem Volk.

„Jerusalem, Jerusalem“, hatte einst der Herr Jesus gesagt, „die da tötet die Propheten und steinigt die, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen“ (Mt 23,37.38). Der Heiland, der das namenlose Elend ihrer Bewohner vorhersah, weinte über diese Stadt, als Er sie auf Seinem letzten Weg nach Jerusalem noch einmal sah: „Wenn du doch erkannt hättest – und wenigstens an diesem deinem Tag -, was zu deinem Frieden dient!“ (Lk 19,42).

Was zu deinem Frieden dient! Hast du es schon für dich erkannt, werter Leser? Oder willst auch du einmal aus Seinem Munde das Wort hören: „Du hast nicht gewollt!“ und für ewig die Folgen deiner Verwerfung der Gnade tragen?

(Schluß folgt) ChB

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1998, Seite 246

Bibelstellen: Mt 22, 1-7

Stichwörter: Hochzeit, Jerusalem, Reich der Himmel, Sohn, Verwerfung