Er lehrte sie vieles in Gleichnissen

(Schluß)

Dem Juden zuerst als auch dem Griechen

„Dann sagt er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Geladenen waren nicht würdig; so geht nun hin auf die Kreuzwege der Landstraßen, und so viele irgend ihr findet, ladet zur Hochzeit. Und jene Knechte gingen hinaus auf die Landstraßen und brachten alle zusammen, die sie fanden, sowohl Böse als Gute. Und der Hochzeitssaal füllte sich mit Gästen“ (Matthäus 22, Verse 8-10).

Gott hatte das Evangelium der Gnade den Juden zuerst und ihnen allein angeboten. Aber wenn sie es ablehnten, war dann Seine Gnade erschöpft? Tausendmal nein! Und tausendmal Dank! Wenn die >Geladenen< nicht kommen wollten, dann sendet Er Seine Knechte noch einmal, zum dritten Mal, aus. Aber jetzt sollten sie nicht zu einer bestimmten Personengruppe, nur zu einem besonderen Volk gehen, sondern auf die Kreuzwege der Landstraßen sollten sie gehen und so viele, sie irgend fanden, zur Hochzeit laden. Jetzt sollte der Ruf Seiner Gnade unterschiedslos an alle ergehen, sollte auch „die Griechen“, das heißt, die aus den Nationen, erreichen. Das Evangelium sollte Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden werden, „sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen“ (Röm 1,16).

Wunderbarer Ratschluß Gottes, der auch uns mit einschloß! Anbetungswürdige Gnade, die auch bis zu uns kam! Gott will Sein Haus zur Ehre Seines Sohnes voll von Gästen haben, und wenn die besonders Begünstigten nicht kommen wollen, dann läßt Er Sein Evangelium auf die Landstraßen zu jenen bringen, die keine Bündnisse der Verheißung besaßen, die ohne Christus waren, die keine Hoffnung hatten und ohne Gott in der Welt lebten (Eph 2,12). Es geht jetzt nicht länger darum, was der Mensch ist, sondern darum, was Gott ist.

Das Evangelium richtet sich an den Menschen, wie er ist. Alle sind willkommen – sowohl Böse als Gute. Eine betende Lydia brauchte das Heil ebenso wie ein in Sünden versunkener Kerkermeister, ein frommer Kornelius ebenso wie ein sterbender Räuber. Sie alle hatten das Evangelium zum Heil nötig, und sie alle nahmen es im Glauben an.

„Und der Hochzeitssaal füllte sich mit Gästen.“ Zu Anfang unseres Gleichnisses hörten wir davon, daß der König seinem Sohn die Hochzeit ausrichten wollte, und nun hören wir, daß sich der Hochzeitssaal mit Gästen füllte. Beglückender Gedanke! Gott kommt zum Ziel, und selbst die Halsstarrigkeit des Menschen kann Seinen Vorsatz nicht durchkreuzen. Was auch immer dazwischenkommen mag, was für ein Abgrund von Bosheit auch dazwischenliegen mag – „der Hochzeitssaal füllte sich mit Gästen“.

Aber noch etwas anderes ist notwendig. Darauf kommt der Herr Jesus nun zu sprechen.

Das Hochzeitskleid

„Als aber der König hereinkam, um sich die Gäste anzusehen, sah er dort einen Menschen, der nicht mit einem Hochzeitskleid bekleidet war. Und er spricht zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen, da du kein Hochzeitskleid anhast? Er aber verstummte. Da sprach der König zu den Dienern: Bindet ihm Füße und Hände, und werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis: Dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein“ (Verse 11-13).

Die Herrlichkeit des Königs und die Ehre des Königssohnes erforderten, daß man nicht nur die Einladung des Königs annahm, sondern daß man für die Gegenwart des Königs auch passend war. Deswegen war ein Hochzeitskleid notwendig. Die Gäste benötigten es, und der König beschaffte es. Der König lud nicht nur in seiner großartigen Freizügigkeit die Gäste ein, sondern in seiner königlichen Freigebigkeit versorgte er sie auch mit dem Hochzeitsgewand, in dem sie vor ihm, seiner Herrlichkeit angemessen, erscheinen konnten. So war es Sitte im Orient. Jeder Gast war gehalten, dieses Gewand zu tragen. Wer würde es nicht anlegen, wenn er den König und seinen Sohn ehren wollte? Der König hatte nicht auf den Landstraßen nach solchen Ausschau halten lassen, die ein geeignetes Hochzeitskleid besaßen, um sie dann einzuladen. Auch war es nicht Sache der einzelnen Gäste, mit dem Kleid zu erscheinen, das sie gerade für passend hielten. Nein, es war ganz eine Frage der Großherzigkeit des Königs, der seinem Sohn Hochzeit machen und alles so bereiten wollte, wie es dessen Herrlichkeit angemessen war.

Wenn wir nun zu der Anwendung dieser Verse auf uns kommen wollen, so müssen wir zuerst beachten, daß wir diese Szene nicht in den Himmel verlegen dürfen. Leider ist das oft geschehen, und das hat schreckliche Irrlehren nach sich gezogen. Wir müssen beachten, daß wir hier nicht ein Gleichnis vom Himmel vor uns haben, sondern vom Reich der Himmel, dem Bereich des bekennenden Christentums auf der Erde also. Wenn nun der König hereinkommt, um die Gäste zu besehen, so bedeutet das eben, daß Gott prüft, inwieweit das Bekenntnis des einzelnen, zum Christentum zu gehören, der Wahrheit entspricht. Du bekennst, daß du ein Christ bist? Nun gut, Gott wird dein Bekenntnis prüfen, wird feststellen, ob du wirklich ein Christ bist. Dabei geht es in unserem Gleichnis nicht darum, wann Er das tut, sondern darum, daß. Er es tut.

Was ist nun das Merkmal, woran man jemand als einen wahren Christen erkennt? Daß er „Christus angezogen“ hat. Das ist das Hochzeitskleid – Christus. Es ist auch das „beste Kleid“, das der Vater dem verlorenen Sohn in Lukas 15 anzog.

Als Christus auf der Erde war, verherrlichte Er auf vollkommene Weise Seinen Gott und Vater bis zum Tod am Kreuz, den Er als Sühnung für unsere Sünden erlitt. Als Antwort darauf tut nun Gott zu Ehren Seines Sohnes etwas Wunderbares mit den Menschenkindern, die an Seinen Sohn glauben: Er sucht nicht nach etwas Gutem in ihnen; nein, Er gibt ihnen etwas Gutes, etwas sehr Gutes, das Beste, was Er geben kann – Er gibt ihnen Christus. Er bekleidet sie mit Christus. Er rechtfertigt sie auf der Grundlage einer vollbrachten Erlösung. Er sieht die Gläubigen „in Christus“, in Seiner ganzen Wohlannehmlichkeit. Das ist es, was der Apostel Paulus meint, wenn er sagt: ,.Aus ihm (das heißt aus Gott) aber seid ihr in Christus Jesus“; und dann fährt er fort zu beschreiben, was wir in Ihm erlangt haben: „der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ (1. Kor 1,30).

Da Sein Sohn Ihn in Seinem Leben und Sterben so wunderbar verherrlicht hat, überschüttet Er nun selbst den Geringsten und Schwächsten, der an den Namen Seines Sohnes glaubt, mit den höchsten Segnungen, die Er überhaupt zu geben vermag. Seines Sohnes wegen tut Er das alles. Gewiß, wir brauchten die Erlösung, dringend brauchten wir sie. Sonst gingen wir ewig verloren. Aber das ist hier nicht der Punkt. Gott handelt zu Ehren Seines Sohnes, und Er liebt es, auf den Namen Seines Sohnes Ehre zu bringen. Er vergibt uns die Sünden um Seines (das heißt um Christi) Namens willen (1. Joh 2,12). Stützt sich jemand auf den Namen und das Werk Seines Sohnes, so wird es – mit aller Ehrfurcht sei es gesagt – eine Frage der Gerechtigkeit Gottes, ihn aus freier Gnade zu rechtfertigen – aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus ist.

Gott wird nie Seinem Charakter untreu werden, wird nie im Widerspruch zu Seiner Gerechtigkeit und Seiner Gnade handeln. Und wenn Er uns von den Kreuzwegen der Landstraßen holte, als nichts Liebenswertes an uns war, und uns zur Hochzeit Seines Sohnes brachte, dann werden wir, was immer auch noch geschehen mag, dort bleiben, bleiben in Ewigkeit.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf zwei besondere Umstände im Gleichnis unseres Herrn hinweisen, die gewiß nicht ohne Bedeutung sind.

Wir hören von den Gästen der Hochzeit nicht, von einer Ausnahme abgesehen, die wir sogleich betrachten werden, daß sie die Hochzeit und die Gegenwart des Königs je wieder verlassen haben. So sehen wir es auch im Gleichnis vom >verlorenen Sohn<. Er betrat wohl das Haus des Vaters, aber er verließ es nie wieder. Andere Stellen der Schrift sagen klar, was hier nur angedeutet wird: Sind wir erst einmal zu Ihm gebracht, so bleiben wir für immer bei Ihm.

Zweitens ist zu bemerken, daß das Geschehen des Gleichnisses fast unmerklich aus der Zeit in die Ewigkeit hinübergleitet. Es werden ewige Folgen sichtbar. Das wird sogleich noch verständlicher werden, wenn wir das Teil jenes Gastes betrachten, der kein Hochzeitskleid anhatte.

Ohne Hochzeitskleid

„Als aber der König hereinkam, um sich die Gäste anzusehen …“ Ich verweile immer gern bei dem Gedanken, daß der König hereinkam, um die Gäste zu betrachten. Was zog die Aufmerksamkeit des Königs auf sich? Die prunkvollen Möbelstücke, die kunstvollen Vorhänge und Säulen, wie sie etwa der König Ahasveros zur Zeit Esthers für sein Gartenfest bereitstellte (Est 1,4-9)? Nein, die Gäste waren es und ihre Hochzeitskleider, die seine Aufmerksamkeit anzogen. Jeder Gast, der dort weilte und das verliehene Hochzeitskleid trug, redete zum Herzen des Königs von der Vortrefflichkeit seines Sohnes. So ist es auch, wenn Gott uns „ansieht“: Er freut Sich, Christus, Seinen geliebten Sohn, an uns zu sehen. Es erregt Sein Wohlgefallen, wenn wir in des >Königs< Gedanken und Wünsche eingehen und den Sohn ehren, wie wir den Vater ehren (Joh 5,23).

Aber da war einer, der war ohne Hochzeitskleid hereingekommen. Diesen einen benutzt der Herr Jesus, um uns einen entscheidenden Grundsatz darzustellen: Für das Hochzeitsfest braucht man ein Hochzeitskleid. Man muß Christus angezogen haben, um an Seiner Freude teilnehmen zu können. Man muß Christus auf dieser Erde im Glauben angezogen haben, im Jenseits kann man das nicht mehr nachholen.

Dieser eine Mann aber kümmerte sich nicht um die Gedanken und Vorstellungen des Königs. Er kam in seinem eigenen Kleid. Was interessierte ihn das Gewand, das der König für jeden Geladenen bereithielt! Sein eigenes, mochte es gut oder schlecht sein, schien ihm ausreichend. Vielleicht war dieser Mann von allen Gästen, die da kamen, sogar der am besten Angezogene gewesen.

Vielleicht war sein Gewand von feinstem menschlichem Tuch gewirkt, hohe Moral und tiefe Religiosität mochten ihn ausgezeichnet haben. Genügte das etwa nicht für die Gegenwart des Königs?

Dieser Mann kannte weder sich selbst noch die Gnade und Majestät des Königs! Er kam ohne Christus vor den König, er hatte nicht Christus angezogen. Er zog es vor, in seiner eigenen Gerechtigkeit vor den König zu kommen, und das war sein ewiger Ruin.

Ach, es gibt so viele wertvolle, christliche Menschen, die, so meinen sie, durchaus Grund haben, mit sich selbst zufrieden zu sein. Äußerlich gesehen führen sie auch ein ehrbares Leben und sind von vielen geachtet. Sie dienen der menschlichen Gesellschaft oder ihrer Kirche. Sie haben genügend Ansehen und Religiosität – und das ist das Verhängnisvolle -, um sich und andere zu täuschen. Denn sie verstehen nicht, daß sie noch nicht Christus als ihre Gerechtigkeit haben. Weil diese Gruppe von Menschen so groß ist (weit größer, scheint mir, als die der ausgesprochenen „Sünder“) und weil diese Menschen so schwer davon zu überzeugen sind, daß sie sich bekehren müssen, möchte ich ein besonderes Wort der Warnung an sie richten.

Willst du wirklich auf deine Anständigkeit und Redlichkeit, auf deine Nächstenliebe und Freundlichkeit vertrauen? Ich sage nicht, daß du diese Dinge nicht hast oder daß sie gar nichts wert sind. Aber meinst du, du könntest damit deine Sünden „aufwiegen“? Sieh, der >König< bietet dir Seine wunderbare Gnade, bietet dir Seinen eingeborenen Sohn an, den Er auch für dich in den Tod gab. Wenn Er es nicht für nötig hielte, hätte Er das nicht getan. Mit Ihm will Er dich bekleiden. Er will dich glücklich in der Freude Seines Sohnes sehen. Willst du das alles ausschlagen? Willst du statt dessen mit dem dünnen Kleid deiner Ehrbarkeit vor Ihm erscheinen? „Ich rate dir, Gold von mir zu kaufen … und weiße Kleider, damit du bekleidet wirst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar wird“ (Off 3,18). Oder willst du einmal aus Seinem Mund die ernsten Worte hören: „Freund, wie bist du hier hereingekommen, da du kein Hochzeitskleid anhast?“ Dann wird auch dein Mund verstummen, der so viel zu sagen wußte, du wirst Ihm „auf tausend nicht eins antworten“ (Hiob 9,3). Es wird für dich auf ewig zu spät sein!

Ewiges Gericht

Die Weigerung, den Sohn des Königs zu ehren und die Güte des Königs anzunehmen, zieht unweigerlich Gericht nach sich. Es gibt keine Entschuldigung für den, der sein Eigenes dem vorzieht, was der König in Seiner Gnade schenken will. So läßt der König die Füße und Hände des Mannes binden und ihn in die äußerste Finsternis werfen, „da wird sein das Weinen und das Zähneknirschen“. Wie ernst ist das! Das Gericht wirft ihn aus jener Szene hinaus, für die er kein Herz hatte.

Durch die Form des Gleichnisses und die benutzten Worte macht der Herr Jesus anhand des Mannes ohne Hochzeitskleid einen weiteren Grundsatz deutlich: Das Gericht, um das es hier geht, ist ein persönliches Gericht, und es ist ein ewiges Gericht. Im ersten Teil des Gleichnisses sprach Er von einem zeitlichen Gericht, das Er in Seiner Regierung über das Volk der Juden bringen würde oder gebracht hat. In gleicher Weise wird einmal auch das Christentum, weil es ebenfalls untreu ist, wie das Judentum „ausgeschnitten“ werden (Röm 11). In dem jetzt betrachteten zweiten Teil des Gleichnisses aber handelt es sich nicht um die äußere Zerstörung von Städten, um das Umbringen von Mördern oder um das Beenden von Haushaltungen, sondern um ein ewiges Gericht an einzelnen Personen.

Gott wird jeden einzelnen beurteilen und feststellen, ob er seinem Bekenntnis entspricht, ob er persönlich in dem Zustand ist, um an dem Fest zu Ehren Seines Sohnes teilzunehmen. Wenn nicht, wird er, während die Hochzeit ihren weiteren Verlauf nimmt, hinausgeworfen in die äußerste Finsternis, wo das Weinen und das – Zähneknirschen ist. Es ist ein endgültiges, absolutes, ewiges Gericht: für immer von Dem getrennt, der Licht und Liebe ist, dessen Gnade so vollkommen verworfen wurde.

Der Weg zu Gott bringt den Menschen aus der Finsternis in das Licht Seiner Gegenwart. Aber der Weg weg von Gott, der Weg ohne Gott und Seinen Christus, führt in die äußerste Finsternis, in die ewige Nacht. Welchen Weg gehst du?

Viele Berufene

Das letzte, das Gleichnis abschließende Wort des Herrn Jesus faßt das ganze Gleichnis und dessen Belehrung zusammen:

„Denn viele sind Berufene, wenige aber Auserwählte“ (Vers 14).

Viele haben dieses Wort benutzt, um sich einreden zu lassen, sie könnten nicht errettet werden, weil sie nicht Auserwählte seien. Das ist eine betrügerische Lehre, von Satan erfunden, um die Menschen ins Unglück zu stürzen. Nein, Gott will, „daß alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Tim 2,4). Auch gerade in unserem Gleichnis macht der Herr Jesus ja deutlich, daß der Ruf der Gnade Gottes sich unterschiedslos an alle richtete und noch richtet: „Und so viele irgend ihr findet, ladet zur Hochzeit.“ „So viele irgend ihr findet“ – das sind die vielen Berufenen.

Leider aber nehmen nur wenige das Gnadenangebot Gottes an. Durch die Ablehnung Christi offenbaren sie nur, daß sie nicht zu den Auserwählten gehören. So sind sie denn tatsächlich eine vergleichsweise „kleine Herde“, denen der Vater das Reich gibt (Lk 12,32). Wohl denen, die zu ihr gehören! ChB

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1998, Seite 278

Bibelstellen: Mt 22, 8-14

Stichwörter: Hochzeit, Hochzeitskleid, Juden, Nationen, Reich der Himmel, Sohn