Wie kann man als Christ glücklich leben?

„Diese Dinge“ (2)

Ein folgenschweres „Vergessen“

Mit dem Verlust des geistlichen Sehvermögens („der ist blind, kurzsichtig“) geht der Verlust des geistlichen Erinnerungsvermögens einher: „und hat die Reinigung von seinen früheren Sünden vergessen.“

Was ist damit gemeint? Sicher nicht, daß dieser Christ, wie vielfach angenommen wird, sich nicht mehr seiner Errettung sicher ist und die Heilsgewißheit, deren er sich bis dahin erfreute, verloren hat. Denn was hat er vergessen? Daß seine früheren Sünden weggetan, vergeben worden sind? Nein, er hat vergessen, daß er – weg von seinen früheren Sünden – gereinigt worden ist, weg von seinen alten Gewohnheiten, weg von der Lebensart in seinen unbekehrten Tagen. Weil sein Geist ganz durch die ihn umgebenden sichtbaren Dinge in Anspruch genommen ist, hat er das Bewußtsein darüber, daß das Christentum eine heilige, himmlische Sache ist, verloren. Und so hat er die wahre christliche Stellung der Reinheit aus den Augen verloren und sieht nicht mehr die grundlegenden Unterschiede zu dem Wesen und den Wegen der Welt. Sieht man diese Unterschiede nicht mehr, ist der nächste Schritt – der Schritt zurück zur Welt – nicht fern. Alles Abweichen von den Wegen Gottes endet in der einen oder anderen Form in der Welt. Nach und nach verringert man den Maßstab, bis man schließlich auf den Stand der Welt herabsinkt, auf ihre Wege und Grundsätze. Solch einem Christen ist praktisch die ganze Wahrheit entglitten.

Können wir hier nicht an Lot, den Neffen Abrahams, denken? Er ist das warnende Abbild eines verweltlichten Christen. Sein Herz zog ihn nicht nach Kanaan, sondern nach Sodom, wie böse die Stadt auch war. Und so trat auch bei ihm das Verhängnisvolle ein: Er sah nicht die Unterschiede zwischen Kanaan und Sodom, zwischen dem „Garten Jehovas“ und dem „Land Ägypten“ (I.Mo 13,10). Irgendwann folgt man dann seinem Herzen. Auch Lot tat es: Zuerst schlug er seine Zelte auf „bis nach Sodom“ (Vers 12). Daraufhin „wohnte“ er in dieser gottlosen Stadt (Kap. 14,12), um schließlich sogar als Richter in ihrem „Tor zu sitzen“ (Kap. 19,1). Diese drei Stufen markieren seinen unseligen Weg abwärts. Der letzte Blick, den uns der historische Bericht der Schrift von Lot bietet, zeigt ihn uns in einem entwürdigenden Zustand, der jeder Beschreibung spottet (Kap. 19,30//). Aber es begann damit, daß er „seine Augen aufhob und die ganze Ebene des Jordan sah, daß sie ganz bewässert war“ (Kap. 13,10). Auch sein Blick war – zu „kurz“.

Wird ein Christ von einer weltlichen Gesinnung geleitet und gibt er infolgedessen seine Stellung der Reinheit in praktischer Hinsicht auf, so verliert er die Freude an dem Frieden mit Gott. Sein eigenes Herz verurteilt ihn. -Da wir ja anhand des Abschnittes aus 2. Petrus l immer wieder eine Antwort auf die Frage suchen, wie man als Christ glücklich leben kann, müssen wir an dieser Stelle sagen: auf diese Weise nicht! Eine weltliche Gesinnung -das zeigt uns unser Vers – macht blind und raubt die Freude und den Frieden Gottes. Denken wir jedoch andererseits daran, was Gott für uns in der Erlösung getan und wie Er uns aus dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf für Sich herausgenommen hat, dann werden wir Ihm dankbar anhängen und Ihm unser Leben in Reinheit und Gottseligkeit widmen. Je mehr wir uns daran erinnern, von was für einem sittlichen Verderben Er uns errettet hat, desto dankbarer werden wir Ihm dafür sein, daß wir nun in >diesen Dingen< leben dürfen.

Was wir „fest machen“ sollen

Aber dann müssen wir noch etwas „fest machen“, wie der Apostel Petrus uns nun ermahnt. Mit dieser Ermahnung verbindet er in Vers 10 und 11 zwei weitere positive Ermutigungen. Die erste fanden wir in Vers 8: Wenn >diese Dinge< bei uns vorhanden sind, werden sie uns zu einer tieferen Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus führen. Doch nun fügt er hinzu:

„Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln“ (Vers 10).

Petrus gebraucht hier die Anrede >Brüder<. Das gibt den mahnenden Worten größeres Gewicht, und das um so mehr, als dies überhaupt das einzige Mal ist, daß er in seinen Briefen die Empfänger so anredet. Zudem verbindet er sich durch diese Anrede mit seinen Lesern; mehr als ein >Bruder< kann man nun einmal nicht sein: „Ihr alle aber seid Brüder“ (Mt 23,8). Glückliches Teil, /u den >Brüdern< zu gehören! Was immer wir nicht sind, zum Beispiel „Apostel Jesu Christi“ – Brüder sind wir.

Zum zweiten Mal spricht Petrus vom Fleiß. Wenn er seine erste Ermahnung in den Versen 5-7 und seine zweite Ermahnung in Vers 10 so einleitet, verwendet er nachfolgend stets nur abstrakte Begriffe. Das zeigt, daß er in erster Linie nicht an äußere Werke denkt. Wir sollen Fleiß anwenden, um sittliche Tugenden zu erstreben. Hier nun geht es darum, unsere Berufung und Erwählung fest zu machen. Diese Aussage hat schon manche Kinder Gottes verunsichert. Was können wir, so fragen sie, im Blick auf unsere Berufung und Erwählung tun, um sie sicherer zu machen? Was geschieht, wenn wir am Ende darin versagen? Können wir trotz allem verlorengehen?

Beginnen wir mit dem Ausdruck >fest zu machen<; denn die Antwort liegt zum Teil bereits darin begründet. Dieser Infinitiv (Nennform) steht im Griechischen in einer Form (Medium Präsens), die zweierlei ausdrückt: Die Leser sollen diese Sache für sich selbst und sie sollen sie beständig tun. Die anhaltende Bemühung, unsere Berufung und Erwählung fest zu machen, geschieht also im Blick auf uns selbst und – so können wir hinzufügen -auf andere. Es ist unsere, die menschliche Seite. Was Gott und Seine Berufung und Erwählung angeht, brauchen wir nichts fest zu machen. Vor Ihm und in sich selbst ist alles sicher, weil es Seinem eigenen Herzen der Liebe entspringt und weil Er Wege ersonnen hat, die Dinge auf eine ewig sichere Grundlage zu stellen.

Damit sind wir bereits bei einem zweiten Punkt. Es heißt: eure Berufung und Erwählung, nicht: Gottes Berufung und Erwählung. Nicht, daß das grundverschiedene Dinge sind, aber es sind zwei unterschiedliche Blickrichtungen von derselben Sache. Es ist wahr – und Sein Name sei dafür gepriesen! -, daß Gott uns berufen und auserwählt hat. Wir kommen sogleich noch einmal darauf zurück. Aber Petrus – oder sagen wir besser: Gott -gibt sich mit dieser Seite nicht zufrieden. Er möchte, daß wir uns dieser Tatsache bewußt sind und uns ihrer erfreuen. Auch Außenstehende sollen es an uns wahrnehmen, daß wir auf so wunderbare Weise von Gott berufen worden sind. Und wie kann das „Festmachen“ geschehen? Dadurch, daß wir >diese Dinge< tun und in dem Weg wandeln, den der Heilige Geist durch die Feder des Petrus so wunderbar beschrieben hat. So wird uns unsere Berufung und Hoffnung teurer und die Herrlichkeit anziehender. Und die entfernten, himmlischen Dinge rücken näher heran, werden klarer – im Gegensatz zu dem, der blind und kurzsichtig wurde und selbst das vergaß, was er bei seiner Bekehrung gelernt hatte.

Ein dritter Punkt bestätigt das Gesagte. Er betrifft die Reihenfolge der Begriffe: Berufung – Erwählung. Es ist augenfällig, daß dies unsere Seite ist, denn sie entspricht ganz unserer Erfahrung. Zuerst haben wir unsere Berufung durch Gott erlebt, und erst später erfuhren wir dann, daß Gott uns in Christus schon vor Grundlegung der Welt auserwählt hat (Eph 1,4). Deswegen ist die Reihenfolge, wenn es um die Seite Gottes geht, eine umgekehrte: Auserwählung (oder auch Zuvorbestimmung) -Berufung. Unsere Auserwählung ist ein Akt der souveränen Gnade Gottes. Sie fand statt, als die Welt noch nicht ins Dasein gerufen war. Unsere Berufung aus der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht jedoch geschah in dieser Zeit (1. Pet 2,9; Röm 8,29.30). So ist, wenn diese Seite vor uns ist, alles sicher – so sicher, daß die goldene Kette in Römer 8 mit den Worten endet: „diese hat er auch verherrlicht“.

Nun folgt die köstliche Zusicherung: „Denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln.“ Welch eine Ermutigung liegt hierin! Gott bewahrt uns (Jud 24), bewahrt uns auf diesem Weg und auf diese Weise. Laßt uns nur zusehen, daß wir in den Dingen leben, die uns in den Versen 5-7 vorgestellt wurden: daß wir Fortschritte in dem „Darreichen“ der einzelnen Charakterzüge machen! Dann werden auch wir das dreifache Behüten Gottes erfahren, von dem der Psalmist im 121. Psalm redet: das Behüten vor allem Übel, das Behüten unserer Seele und das Behüten unseres Ausgangs und Eingangs – „von nun an bis in Ewigkeit“.

Der Eingang in das ewige Reich

Tatsächlich wird unser Blick mit dem die Einleitung des Briefes abschließenden elften Vers in die Ewigkeit gelenkt:

„Denn so wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus“ (Vers 11).

Das Wort >darreichen< ist dasselbe wie in Vers 5: Wenn wir >diese Dinge< „darreichen“ und wenn sie reichlich oder zunehmend bei uns vorhanden sind, dann „reicht“ auch Gott etwas „reichlich dar“: den Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Das zeigt: Es wird einen entsprechenden Lohn dort geben für jeden treuen Schritt in den Wegen Gottes hier. Welch einen Wert erhält dadurch unser Leben auf diesem irdischen Schauplatz! Wie sollte es uns veranlassen, mehr für Gott zu leben zu Seinem Wohlgefallen! Die Antwort Gottes wird eine ewige sein.

Petrus spricht vom Reich, nicht von der Versammlung oder der Familie Gottes. In diesen hat Gott in Seiner Gnade jedem der Seinen einen gleichwertigen Platz gegeben, und Petrus könnte nicht in gleicher Weise von einem reichlichen Eingang in das Haus des Vaters reden. Im Haus des Vaters sind wir alle „nur“ Kinder. Man kann nicht weniger oder mehr Kind sein. Entweder man ist es, oder man ist es nicht.

Anders verhält es sich mit dem Reich. Dort wird es Unterschiede geben entsprechend der Treue, die hier gegen Seinen Namen bewiesen wurde. Und wie uns die Gnade Gottes einen gemeinsamen Platz in der himmlischen Herrlichkeit geben wird, so wird uns die Regierung Gottes einen unterschiedlichen, einen gerechten und infolgedessen einen ungleichen Platz im Reich des Herrn gewähren.

Insofern müssen wir unterscheiden zwischen dem, was allein die Frucht des Werkes Christi, und dem, was in gewisser Weise auch die Frucht unseres eigenen Werkes ist. Doch wie groß die Titel und Würden im Reich auch sein werden, in Verbindung mit dem Vater und unseren Beziehungen zu Ihm als solchem kommen sie nicht in Betracht. Daß wir Kinder der göttlichen Familie, daß wir Glieder des Leibes Christi sein und zur himmlischen Braut des Herrn Jesus gehören dürfen, ist reine Gnade und nicht in irgendeiner Weise das Ergebnis unseres Ringens, unserer Treue. Dies ist ohne Frage die höhere Seite.

Dennoch wird es sehr kostbare Dinge geben, die durchaus eine Antwort auf erwiesene Treue darstellen. Der weiße Stein mit dem neuen Namen darauf, den niemand kennt als nur der, der ihn empfängt (Off 2,17), ist das Zeugnis der Billigung des Herrn, und er redet von verborgener Gemeinschaft des Herzens mit Ihm. Aber dieser Stein hängt offensichtlich davon ab, daß Er etwas bei uns findet, was Er loben kann. So müssen die Kronen, die man dort trägt, hier erworben werden. Daher wird unsere Stellung im ewigen Reich unseres Herrn durch das Maß unserer Einsmachung mit Ihm und Seinen Interessen hier bestimmt werden.

Dieses ewige Reich hat nichts Vorübergehendes an sich, es ist nicht das Tausendjährige Reich, so gesegnet dies auch sein wird. Das Aufgeben des letzteren nach 1. Korinther 15, Vers 24, berührt in keiner Weise das ewige Reich, von dem hier gesprochen wird. Wir finden diese ewige Seite des Reiches auch in Offenbarung 22, wo von Seinen Knechten gesagt wird: „Und sie werden herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Vers 5). Es wird also ein unveränderliches Reich geben, worüber nichts Weiteres offenbart ist. Dies aber wissen wir: Unser Herr Jesus Christus wird auf ewig dessen Mittelpunkt sein, und – es gibt für uns einen Eingang in dieses Reich.

Unter >Eingang< müssen wir uns nicht nur eine Tür oder Pforte vorstellen, durch die man hindurchgeht. Es handelt sich vielmehr um die Handlung des Eingehens oder des Eintretens selbst. Und wann dürfen wir eingehen in das ewige Reich unseres Herrn? Wenn wir heimgehen, oder wenn Er kommt, um uns durch die Entrückung oder Auferstehung zu Sich zu nehmen?

Es scheint, daß mit dem Eingang (oder dem Eingehen) in das ewige Reich weder unser Heimgehen noch unsere Auferstehung direkt gemeint ist. Natürlich treten wir in dem einen wie dem anderen Fall in die unmittelbare Nähe des Herrn ein und damit auch in jenen Bereich, über den Er für ewig die Kontrolle hat und den wir auch nie wieder verlassen werden. Doch der Schreiber denkt offenbar an die jetzige Zeit und sagt: „Wenn ihr >diese Dinge< tut und darin lebt, dann wird euch auf diese Weise schon hier das Eingehen in das ewige Reich unseres Herrn reichlich gewährt werden.“ Das will sagen: Der Gläubige, der mit Gott wandelt, wird befähigt, in weitem Maß die zukünftige Herrlichkeit des Reiches vorwegzunehmen und sich schon heute daran zu erfreuen. Er weiß sich auf dem Weg dorthin, und sein Herz blickt in die Ferne und ist in Übereinstimmung mit dem, was es dort erwartet. Gott hat gegen solch einen Christen nichts einzuwenden, vielmehr öffnet Er ihm in Seinen Regierungswegen weit den Eingang, den Eintritt in diesen wunderbaren Bereich.

Welch ein gesegnetes Teil, liebe Freunde! Wollen wir es uns durch Weltliebe und Eigensinn rauben lassen? Seien wir versichert: Es kommt einmal der Augenblick, an dem wir es tief empfinden und sagen werden: „Ach, daß ich doch mehr für Christus, meinen Heiland, gelebt hätte, anstatt so weltförmig, so kalt, so oberflächlich, so halbherzig zu sein!“

Und noch einmal: Die Antwort Gottes auf jetzt erwiesene Treue wird eine ewige sein.

(Wird fortgesetzt) ChB

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 1999, Seite 311

Bibelstellen: 2Petr 1, 10.11

Stichwörter: Fleiß, Reich, Reinigung