David – ein Leben zwischen Gesetz und Gnade
(Schluss von Seite 86)
Die Lade – zurückgelassen in Jerusalem
Und noch einmal kommt David wegen der Lade Gottes in einen gewissen „Entscheidungszwang“. Absalom, sein Sohn, erhob sich gegen ihn (2. Sam 15). Damals verspürte er wohl deutlich die züchtigende Hand Gottes, der ihn in seinen Regierungswegen die Folgen seiner Schandtat gegen Urija, den Hethiter, fühlen ließ (s. 2. Sam 11 u. 12). Nach einer langen Zeit segensreicher Herrschaft muss er erneut fliehen, aber weil er sich der Vergebung Gottes für seine Sünde bewusst ist, nimmt er diese Wendung der Ereignisse als von Gott kommend an und ist bereit, sich der Hand Gottes zu beugen. Auch wollte er wohl eine direkte Konfrontation mit seinem Sohn in Jerusalem, mit allen schlimmen Folgen für deren Bewohner, vermeiden (V. 13.14). So überlässt er Absalom widerstandslos die Regierungsgewalt und verlässt die Stadt freiwillig mit einigen seiner Getreuen. Unter ihnen befinden sich neben anderen bezeichnenderweise auch alle Gathiter,600 Mann, die „Leibwache“ des Königs (V. 18). Und dann folgt ihm noch Ittai – wieder ein Gathiter, dessen Treue zu David unser Herz anrührt.
Auch Zadok, der Priester, und die Leviten stehen /u David. Aber was tragen sie da? Es ist die Lade, und sie stellen sie hin vor David, wohl in der Erwartung, dass er sie bei sich behalten sollte, solange er auf der Flucht sein würde. Sicher empfanden sie, dass der moralische Zustand Absaloms, der im Begriff stand, die Herrschaft über Israel an sich zu reißen, sich nicht mit der Heiligkeit der Gegenwart Gottes vertrug, falls die Lade Gottes in Jerusalem zurückblieb. Insofern war die Situation eine völlig andere als damals, als die Söhne Elis den Priesterdienst in einer Gott entehrenden Weise ausübten. Damals hatte Israel die Lade Gottes in den Streit gegen die Philister mit hineinziehen wollen (1. Sam 4). Das konnte natürlich nicht gutgehen, weil Gott nicht auf der Seite Israels stand, denn Er musste sein Volk züchtigen.
Aber David wankt nicht einen Augenblick in seiner Entscheidung, sondern befiehlt Zadok: „Bringe die Lade Gottes in die Stadt zurück. Wenn ich Gnade finde in den Augen Jehovas, so wird er mich zurückbringen und mich sie und seine Wohnung sehen lassen. Wenn er aber also spricht: Ich habe kein Gefallen an dir – hier bin ich, mag er mit mir tun, wie es gut ist in seinen Augen“ (2. Sam 15,25.26). David hatte ein Empfinden dafür, dass er durch seine Sünde die Gemeinschaft mit Gott und damit auch die Königsherrschaft verwirkt hatte. Er war bereit, die Züchtigung aus der Hand Gottes anzunehmen, und erkannte, dass seine Zukunft allein von der Gnade Gottes abhing. – Eine realistische Selbsteinschätzung, die sich auch für uns heute empfiehlt!
Am Ende bleibt Gnade
Die Geschichte Davids zeigt uns einen Gläubigen, der zwar formal unter dem Gesetz lebte, in der Praxis aber sowohl durch die desolaten Zustände im Volk Gottes als auch durch sein eigenes Versagen dahin gekommen ist, sich ganz auf die Gnade Gottes stützen zu müssen, weil er vom Gesetz für sich und sein Volk nur noch Gericht erwarten konnte. So wird David – ohne sich dessen bewusst zu sein – geleitet, sich praktisch so zu verhalten, als ob er schon in der Gnadenzeit lebte. Er verwirklichte sozusagen das Wort: „Was aber alt wird und veraltet, ist dem Verschwinden nahe“ (Heb 8,13). – In diesem Zusammenhang erinnern wir uns daran, dass Jahrhunderte später auch der Herr Jesus einmal vor den Pharisäern eine gesetzwidrige Handlungsweise Davids rechtfertigte. Dieser hatte in einer Zeit der Unordnung in Israel mit seinen Begleitern von den Schaubroten des Heiligtums gegessen, um seinen Hunger zu stillen, was nicht erlaubt war (vgl. Mt 12,3.4). Und nicht nur David, sondern auch andere Gläubige – wir erwähnten schon Abraham, Mose und Samuel – fühlten sich nicht an die Grenzen des Gesetzes gebunden.
Die „Freiheit“, die sich diese gottesfürchtigen Gläubigen aufgrund der innigen Beziehung zu ihrem Gott „herausnahmen“, war in Wirklichkeit Glaubensfreiheit. Doch ihr Verlangen, bei Gott zu wohnen, ja gleichsam an seinem Herzen zu ruhen – das und noch viel mehr ist erst den Gläubigen der heutigen Zeit in vollem Maß geschenkt worden. Erst wir heute sind im eigentlichen Sinn des Wortes „gerechtfertigt worden aus Glauben“, haben „Frieden mit Gott“, und zwar „durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir mittels des Glaubens auch den Zugang haben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“ (Röm 5,1.2).
Wir können Gott nicht genug dafür danken, dass wir heute nicht mehr unter Gesetz, sondern unter Gnade stehen! Im Gegensatz zu den Kindern Israel, für die die Lade unter Teppichen verborgen blieb, dürfen wir heute „mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauen“ (2. Kor 3,18). Diese Nähe zum Herrn suchten auch schon die Gläubigen des Alten Testaments. Wundert es uns da, wenn sie, wie wir das bei David fanden, „hinter die Symbole schauen“ und zur Wirklichkeit vordringen wollten? (vgl. 1. Pet 1,10-12). Wir heute dürfen verstehen, dass die Symbole, z. B. das „Zelt der Zusammenkunft“ und darin insbesondere die „Lade des Bundes Jehovas“, in ihren Einzelheiten und als Ganzes auf Christus hinweisen Wir haben als besondere Segnung nicht nur das „ewige Leben“ (die Natur Gottes), sondern auch den Heiligen Geist empfangen, der uns „in die ganze Wahrheit leitet“ (Joh 16,13) Wir wissen, dass Gott jetzt in jedem Einzelnen der Seinen und darüber hinaus in der Versammlung wohnt
Sicher ahnte David etwas von den Gnadenabsichten, die im Herzen Gottes waren Jedenfalls zog es ihn in die Nähe Jehovas, und der Hohe und Erhabene kam ihm entgegen und erwies ihm Gnade. Heute ist es keine Vermessenheit mehr zu behaupten: Gott zieht es in die Nähe derer, die Ihm geglaubt haben; denn Er hat gesagt: „Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ (2. Kor 6,16). J. B
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