Komm und sieh

Dieser Aufforderung begegnen wir drei Mal im Johannesevangelium. Das Nachdenken darüber wird sicher zu einer Ermunterung für unser praktisches Glaubensleben gereichen.

„Kommt und seht“ (1,39) – der Herr ruft in Seine Nachfolge

Johannes der Täufer, der Vorläufer des Herrn, hatte den Auftrag, das Kommen des Herrn zu Seinem irdischen Volk vorzubereiten und anzukündigen. Johannes hat nicht nur den ihm aufgetragenen Dienst in Treue erfüllt, sondern er war auch von der Person, die den Inhalt seiner Predigt ausmachte, zutiefst ergriffen. So sehen wir ihn „am folgenden Tag“ dastehen, und „hinblickend auf Jesus, der da wandelte, spricht er: Siehe, das Lamm Gottes“ (1,35.36). Das „Hinblicken auf Jesus“, das Betrachten Seiner Person, erfüllt so sein Herz, dass er nicht schweigen kann. Er muss zum Ausdruck bringen, was ihm diese Person bedeutet: „Siehe, das Lamm Gottes!“ Man hat den Eindruck, dass Johannes nicht direkt zu jemand gesprochen hat, sondern dass einfach sein Herz überfloss von dem, was. ihn erfüllte.

Aber es waren doch Zuhörer da, seine Jünger, die „hörten ihn reden“ – und das nicht ohne Folgen. Als sie erkannten, was diese Person ihrem „Meister“ bedeutete, kam das Verlangen in ihren Herzen auf, den Herrn Jesus auch näher kennen zu lernen. Und sie „folgten Jesus nach“. Wir dürfen sicher sein: Wenn in unserem Leben sichtbar wird, welchen Wert die Person des Herrn Jesus für uns hat, wird dies nicht ohne Auswirkung bleiben. Dabei ist die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses wichtiger als wohlgesetzte Worte.

„Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach“ (1,37). Möge es der Herr schenken, dass diese Aussage des Geistes Gottes über Johannes auch über unserem Leben, besonders über dem Dienst jedes Dieners des Herrn stehen kann: „Sie hörten ihn reden und folgten Jesus nach.“ Sie folgten nicht Johannes nach, sondern Jesus. Jeder vom Geist gewirkte Dienst, der Ihn zum Gegenstand hat, der auf Ihn hinweist, führt aufrichtige Seelen in Seine Nachfolge.

Was geschieht nun, als sie dem Herrn folgen? Der Herr Jesus stellt ihnen eine Frage. „Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und spricht zu ihnen: Was sucht ihr?“ (1,38). Wenn wir zum Herrn kommen, müssen wir gewissermaßen mit dieser Frage rechnen, die wir jetzt einmal auf unser Gewissen einwirken lassen wollen. Was suchen wir bei Ihm? Was immer es sein mag – wenn es etwas anderes ist als ER selbst, ist es zu wenig. Wir werden dann über kurz oder lang Schiffbruch erleiden auf dem Weg der Nachfolge.

Die zwei Jünger des Johannes jedoch geben eine schöne Antwort: „Lehrer, wo hältst du dich auf?“ – Sie suchten nicht etwas, sondern IHN und die Gemeinschaft mit Ihm. Haben auch wir diese Frage, diesen Wunsch in unserem Herzen „wo hältst du dich auf“? Möchtest du

die persönliche Gemeinschaft mit Ihm genießen? Möchtest du wissen, wo der Ort ist, wo Er sich auch inmitten Seines Volkes aufhält? Dann wirst du aus dem Mund des Herrn die Antwort hören: „Kommt und seht!“

Der Weg mit dem Herrn – persönlich und gemeinsam -ist ein Weg, der praktisch verwirklicht und persönlich erfahren werden muss. Eine rein theoretische Erörterung von Glaubensfragen wird niemand weiterführen. Jeder muss – und darf! – kommen und sehen, d.h. erfahren.

„Komm und sieh“ – Ein Jünger ruft in die Nachfolge des Herrn

Andreas, einer der zwei Jünger, die zum Herrn gekommen waren, kann seine Erfahrung nicht für sich behalten: Er führt seinen Bruder Simon zum Herrn. Ähnlich ergeht es Philippus, einem Mann, den der Herr mit den Worten: „Folge mir nach!“ in Seinen Dienst gerufen hatte. Er kommt zu seinem Freund Nathanael und sagt zu ihm: „Wir haben den gefunden, von dem Mose in dem Gesetz geschrieben hat und die Propheten: Jesus, den Sohn des Joseph, den von Nazareth.“

Wie oft werden diese beiden gottesfürchtigen Juden schon miteinander über den, „von dem Mose und die Propheten geschrieben haben“, geredet haben! Doch nun hatte Philippus ihn persönlich kennen gelernt. Es war jener Jesus von Nazareth, der Sohn des Joseph: Doch Nathanael ist nicht so schnell bereit, dies zu glauben. Er hat noch Bedenken und Einwände: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ (1,46). Die Reaktion des Philippus hierauf ist bemerkenswert.

Er geht inhaltlich überhaupt nicht auf den Einwand des Nathanael ein. Wusste er vielleicht nicht so recht, wie er die Bedenken von Nathanael entkräften sollte? Stattdessen sagt er genau das, was auch der Herr zu jenen Zweien gesagt hatte: „Komm und sieh!“ Wenn ich dir auch nicht alle deine Fragen beantworten kann, Nathanael, so will ich dich doch ermuntern, dieser Person selbst zu begegnen. Er wird dir deine Zweifel nehmen. Philippus war in den Augen seines Freundes so Vertrauens- und glaubwürdig, dass Nathanael auf diese einfache Aufforderung hin geht, um diesem Jesus von Nazareth zu begegnen. Die Begegnung endete mit dem Bekenntnis von Nathanael: „Du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels“ (1,49).

Darf uns dies nicht auch Mut machen? Vielleicht wissen wir auf die – echten oder vorgeschobenen – Einwände und Bedenken unserer Mitmenschen nicht immer eine Antwort. Trotzdem dürfen wir ihnen zurufen: „Komm und sieh. Lerne meinen Herrn und Heiland kennen. Du kannst Ihm in der Bibel, dem Wort Gottes, begegnen.“

Wenn das Zeugnis unseres Lebens dieser Aufforderung Glaubwürdigkeit verleiht und wir sie mit unseren Gebeten begleiten, kann der Herr auch heute noch dieses einfache Zeugnis eines der Seinen segnen, so dass Menschen zu der Erkenntnis kommen: Du bist der Sohn Gottes, Du bist der Heiland der Welt.

Komm und sieh“ – Wir dürfen den Herrn in unsere Umstände rufen

Während es in den beiden Stellen in Johannes l darum geht, dass Menschen zum Herrn Jesus gerufen werden, ist es in der dritten Stelle in Johannes 11 anders. In einem Haus der Seinen dort in Bethanien war Not eingekehrt: Lazarus war schwer krank. Die Schwestern lassen dem Herrn sagen: „Herr, siehe, der, den du lieb hast, ist krank“ (11,3). Doch die Not wird noch größer: Lazarus stirbt. Schließlich erscheint der Herr Jesus und fragt, angesichts des offenbaren Schmerzes der Schwestern: „Wo habt ihr ihn hingelegt?“ Darauf antworten die Schwestern: „Herr, komm und sieh.“

Welch ein Trost, welch eine Ermunterung, auch in schweren Lagen zu wissen, wir dürfen unseren Herrn bitten: Komm und sieh. Wir dürfen Ihn sozusagen in unsere Umstände „hineinrufen“, und können so Seine Gegenwart, Seine Gemeinschaft, Sein Mitgefühl empfinden.

Auf diesen Aufruf hin machten die Schwestern eine Erfahrung mit dem Herrn, die sie sicher nie vergessen haben werden: „Jesus vergoss Tränen.“

· Der Herr ruft auch heute noch Menschen, die aufrichtig Seine Gemeinschaft suchen (wo hältst du dich auf?) zu: Kommt und seht.

· Auch wir dürfen heute Menschen mit einem einfachen Zeugnis über unseren Herrn zurufen: Komm und sieh.

· Und wenn die Umstände im Leben des Gläubigen notvoll werden, dürfen wir unseren liebenden Herrn in unsere Situation mit „hineinbringen“: Herr, komm und sieh. M.V.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2000, Seite 225

Bibelstellen: Joh 1, 39; Joh 1, 46; Joh 11, 35

Stichwörter: Nachfolge, Trost