Müdigkeit

Es gibt viele Christen, die innerlich müde sind. Das Wort Gottes zeigt uns anhand verschiedener Beispiele, welche Ursachen dies haben kann.

Das Volk Israel war schon bald nach dem Durchzug durch das Rote Meer „matt und müde“ vom Wandern durch die große und schreckliche Wüste (5. Mo 25,17-19).

So ist die „Wüste“ dieser Welt auch für uns ein Ort voller Schwierigkeiten, Mühen und Kämpfe – ein Ort, wo Satan und die Welt uns umringen. Nicht nur stehen wir wie die Menschen dieser Welt im Existenzkampf, haben ein gerütteltes Maß täglicher Arbeit und verbrauchen dabei die Kräfte unseres Körpers und unserer Nerven. Wir sollen zudem ja auch als lebendige Christen und Zeugen Jesu Christi dastehen und müssen fortgesetzt einen unerbittlichen Kampf gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern ausfechten, wenn wir uns den Genuss der himmlischen Segnungen nicht rauben lassen wollen.

Gott hat uns in Christus reiche Hilfsquellen aufgetan und uns Seine Waffenrüstung gegeben, damit wir als Überwinder vorangehen und unsere himmlische Stellung praktisch behaupten können. Kommen wir aber nur selten zum „Felsen“, um Wasser zu schöpfen, füllen wir nicht täglich unseren „Ghomer mit Manna“, versäumen wir, die Waffenrüstung Gottes anzuziehen – müssen wir uns da wundern, wenn wir die Freude im Herrn verlieren und uns müde von einem Tag zum anderen schleppen? Das erneuerte Herz kann ja kein Gefallen mehr finden an den Aufputschmitteln dieser Welt.

Auch im Leben Davids, dieses Mannes des Glaubens, gab es Tage, wo er „müde und an den Händen schlaff“ war (2.Sam 17,2). Weshalb denn? Ach, seine Söhne machten ihm großen Kummer! Amnon hatte Tamar entehrt; und, nicht genug, Absalom, ihr Bruder, rächte sie und erschlug Amnon. Und nun hatte sich Absalom gar des Thrones Israels in Jerusalem bemächtigt und seinen Vater David in die Flucht getrieben. Ist es da nicht begreiflich, dass der flüchtende Vater nicht nur körperlich ermüdete, sondern vor allem in der Seele ermattete und an den Händen erschlaffte?

Ja, welch ein Kummer, wenn die eigenen Kinder nicht auf dem Weg des Glaubens und der Gottesfurcht, sondern nach den Grundsätzen der Welt und in der Sünde vorangehen! Dass sich die Eltern – wie David – dabei oft der eigenen Untreue anklagen müssen, erhöht ihren Kummer. Wie sind sie da in Gefahr, sich unter Seufzen mit dem Zustand ihrer Kinder abzufinden und im Ringen um deren Errettung oder Wiederherstellung nachzulassen!

Die Empfänger des Briefes an die Hebräer sind ein weiteres Beispiel. Bei ihnen waren Anzeichen vorhanden, dass sie ermüdeten, indem sie in ihren Seelen ermatteten. Das Werk des Herrn unter den Juden in Jerusalem hatte nach dem Herabkommen des Heiligen Geistes einen schönen Anfang genommen. Tausende hatten Buße getan und dem Evangelium Jesu Christi gehorcht. Sie hatten Ihn angenommen und waren mit zunehmendem Verständnis auch praktisch von dem Boden des Gesetzes auf den Boden der Gnade übergetreten. Das brachte ihnen von den Verfechtern des Judentums viel Widerstand und Feindschaft, ja, Verfolgung und Drangsal ein (vgl. z. B. das 7. bis 9. Kapitel der Apostelgeschichte). In ihrer anfänglichen Freude des Heils ertrugen sie das gut. Aber nach zwei oder drei Jahrzehnten andauernder Schwierigkeiten wurden die Ermüdungserscheinungen bei ihnen immer deutlicher. Sie begannen sich zu fragen: War es richtig, um Jesu willen den Boden des Judentums mit seinen göttlichen Verordnungen, seinen Opfern und seinem Priestertum zu verlassen? Hätten wir uns nicht alle diese Schwierigkeiten ersparen können?

Müdigkeit ist gefährlich und verunehrt Gott

Amalek machte sich die Müdigkeit der Kinder Israel in der Wüste zunutze. Er schlug ihren Nachtrab, alle Schwachen, die matt und müde waren und zurückblieben.

Auch der Rat Ahitophels ging dahin, David zu vernichten, während er müde und an den Händen schlaff war.

Die durch Schwierigkeiten und Verfolgungen ermüdeten gläubigen Hebräer wurden vom Feind stark gedrängt, den Weg des Christentums zu verlassen und zum Judentum zurückzukehren.

Die Müdigkeit Elias hatte zur Folge, dass er, anstatt zu dienen, zu sterben begehrte.

Viele, die von dieser Müdigkeit der Seele befallen sind, bemitleiden sich selbst und gefallen sich darin. Sie bedenken nicht, dass Gott eigentlich dadurch verunehrt wird. Sie sind kein leuchtendes Zeugnis mehr von der Gnade, Macht und Güte Gottes, von der Freude und dem Frieden in Christus Jesus und von der Kraft des Heiligen Geistes.

Ermüdete Diener sind – wie Elia – mehr Ankläger als Fürbitter für das Volk des Herrn. Sie haben zu wenig Gemeinschaft mit der Gesinnung Gottes, der die Seinen in großer Langmut und Geduld trägt, unermüdlich unter ihnen wirkt und selbst in den frühesten Tagen „siebentausend“ übrig zu lassen vermag, die ihre Knie wirklich vor Ihm beugen. Er ist dabei nicht auf Seine schwachen Diener angewiesen.

Christus betrachten – das Heilmittel gegen Ermüdung

Der Heilige Geist ruft durch das Wort uns allen zu: „Betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet“ (Heb 12,3). Er, der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde, hat alle Mühsale, Widerstände und Enttäuschungen, die uns so leicht ermüden, überwunden.

Oder meinen wir vielleicht, der Herr Jesus sei in Seinem Leben in dieser Welt weniger Schwierigkeiten begegnet als wir? Seine Mühen seien weniger zahlreich gewesen und hätten Ihn weniger verbraucht? – Dann wären wir aber noch wenig vertraut mit den Berichten der Evangelien. Jede Minute Seiner Tage war ja mit anstrengendster Arbeit ausgefüllt. Ununterbrochen drängten die Menschen mit ihren Problemen, Nöten und Bedürfnissen auf Ihn an, vom frühen Morgen bis in die Nacht. Unter ihnen hat Er sich „abgemüht“ und „seine Kraft verzehrt“ (Jes 49,4).

Wie musste Ihn diese unerhörte Beanspruchung körperlich ermüden, hatte Er doch einen menschlichen Körper wie wir, ausgenommen natürlich die Schwachheit unserer gefallenen Natur! Nach einem solchen Tag schlief Er im Hinterteil eines Schiffes so fest, dass selbst der Sturm Ihn nicht aufzuwecken vermochte (Mk 4,35-41).

Dass Er dabei nicht auch innerlich ermüdete, hatte seinen Grund wohl auch darin, dass Er um nichts besorgt war. Während wir oft aus allen Dingen eine Sorge machen, war für Ihn alles und jedes ein Anlass zum Gebet; Er machte aus allem eine gemeinsame Sache mit dem Vater. Ja, Er war stets im Gebet (Ps 109,4); stete Abhängigkeit von Gott und unerschütterliches Vertrauen auf Ihn kennzeichneten den Sohn des Menschen. Nichts vermochte sich zwischen Ihn und Gott zu stellen. Sein Frieden und Seine Freude in Gott waren „tief wie ein Strom“, der durch nichts unterbrochen werden konnte. Von Ihm sagt der Geist in Psalm 110,7: „Auf dem Weg wird er trinken aus dem Bach, darum wird er das Haupt erheben.“

Auch die Not so vieler Eltern um ihre Kinder lag im Erfahrungsbereich Jesu. Bildete Er mit Seinen zwölf Jüngern nicht eine Art Hausgemeinschaft? Sie waren Seine Freunde und Seine Vertrauten, mit denen Er trauten Umgang pflog, „ins Haus Gottes wandelte mit der Menge“ (Ps 55,13.14). Er bewahrte und behütete sie (Joh 17,12). Er hatte die Zwölf bestellt, „damit sie bei ihm seien“, und „damit er sie aussende …“ (Mk 3,14). Er führte sie in die Stille, wenn sie erschöpft waren (Mk 6,31). Ein jeder war Gegenstand Seiner Liebe und Seiner treuen Fürsorge.

War es da für den Herrn nicht ein großer Schmerz zu sehen, dass einer von ihnen immer mehr abglitt, zuerst ein Dieb war und schließlich einiger elender Silberstücke wegen Sein Verräter wurde? Judas hörte dasselbe Wort wie seine Mitjünger und lebte wie sie im Licht des vollkommenen Beispiels Jesu. Aber er ließ sich auf seinem Weg ins Verderben nicht aufhalten.

Trotzdem ermüdete der Meister in Seinem Mühen um Judas nicht. Obwohl Er ihn völlig durchschaute und wusste, was die Schrift über sein Ende sagte, sonderte Er ihn nicht aus von den Übrigen. Wie die anderen ließ Er ihn teilhaben an der Fülle Seiner Liebe, Gnade und Wahrheit. Selbst in den letzten Stunden vor dem Verrat aß der Herr mit ihm das Passah!

Welche Ermunterung für Eltern von Kindern, die ihre eigenen Wege gehen, sie nicht aufzugeben, sondern sich bis zuletzt um ihre Errettung und ihr geistliches Wohl zu mühen und in treuer Fürbitte für sie einzustehen! Im Gegensatz zu Judas sind die Kinder gläubiger Eltern ja „heilig“ (1. Kor 7,14). Gott will sich um der Eltern willen ganz besonders mit ihnen beschäftigen, um sie zu Sich zu ziehen.

Im Vergleich zu der Feindseligkeit der Juden gegen die gläubigen Hebräer war der Widerspruch, den unser Herr täglich von den Sündern gegen Sich erdulden musste, noch viel größer. In Ihm ist das ewige Leben, das bei dem Vater war, völlig offenbart und dargestellt worden (1. Joh 1,1.2). Er war als das Licht in die Welt gekommen, aber die Menschen haben dieses Licht gehasst, denn ihre Werke waren böse (Joh 3,19-21). Die Führer des Volkes suchten diesen treuen Zeugen der Wahrheit von Anfang Seines Dienstes an zu beseitigen.

Wie hat sich unser Herr gegenüber dem wachsenden Widerstand verhalten? Hielt Er die Worte der Wahrheit je in Seinem Mund zurück, wenn Er voraussah, dass sie eine feindselige Reaktion auslösen würden? Verwässerte Er Seine Botschaft oder passte Er sie der fleischlichen Gesinnung Seiner Zuhörer an? Nie und nimmer! Wie hätte Er, der die „Wahrheit“ ist, je so handeln können! Selbst als sich die Schatten des Kreuzes auf Seinem Weg immer deutlicher abzeichneten, deckte Er unerschrocken die ganze Verlogenheit der religiösen Führer auf (Mt 23). Ihn leitete einzig der Wunsch, den Vater auf der Erde zu verherrlichen; Ihn dürstete nach dem Heil der Sünder; der Eifer um das Haus Gottes verzehrte Ihn.

„Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit“ (2. Tim 4,2) – dieses Wort des Apostels an Timotheus gilt auch uns, denen der Herr voraussagte: „Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten“ (Joh 15,20).

Wie eifrig und treu war Jesus auch in Seinem Dienst! Obwohl Er von Anfang an verworfen und von den Seinen nicht angenommen war (Lk 4,29; Joh 1,11), vollführte Er Seinen Dienst unter dem Volk bis zur Stunde Seines Leidens. Und am Kreuz setzte Er Seinem ganzen Wirken dadurch die Krone auf, dass Er sich selbst für Sünder und Feinde dahingab, damit sie errettet würden.

Der hartnäckige Widerstand, auf den Sein Dienst besonders in Jerusalem stieß, schmerzte Ihn zwar tief. Einmal klagte Er: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt die, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre Brut unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt!“ (Lk 13,34). Auch die Städte in Galiläa, wo Seine meisten Wunderwerke geschehen waren, musste Er wegen ihres Unglaubens schelten. Aber dann hob Er Seine Augen auf und sagte: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir“ (Mt 11,20-30). Er freute sich, dass einzelne Mühselige und Beladene, Zöllner und Sünder zu Ihm kamen. Sie bildeten die „kleine Herde“, die Ihn am Ende Seines Dienstes hier umgab. Er richtete Seinen Blick auf die Tage, wo Er Seine Versammlung bauen und schließlich auf die Zeit, wo Ihm alles, auch die ganze Erde, übergeben sein wird.

Wie trefflich hat doch der Prophet Jesaja durch den Geist diese wunderbare Haltung des vollkommenen Dieners vorausgesagt (vgl. Jes 49,4-6)!

Wie sollten wir da im Dienst für den Herrn ermüden, weil dieser Dienst scheinbar so wenig Frucht bringen kann? Lasst uns hinblicken auf den Tag, wo Er offenbaren wird, was Er durch uns gewirkt hat! Dann gibt es Lohn für das treue Handeln mit dem anvertrauten Pfund.

An alle, die aus irgendeinem Grund innerlich müde geworden sind, richtet der Heilige Geist also die Botschaft: „Betrachtet Jesus!“ Das gibt dem Erschöpften neuen Mut, Sein vollkommenes Beispiel nachzuahmen. Es gibt kein besseres Heilmittel gegen „Müdigkeit“.

W. G.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2001, Seite 294

Bibelstellen: 5Mo 25, 17-19; 2Sam 17, 2; Hebr 12, 3

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