Gedanken zum Brief an die Philipper

(Fortsetzung von Seite 147)

Kapitel 3

Jetzt ermahnt der Apostel Paulus die Gläubigen, sich im Herrn zu freuen. Dieses Anliegen war ihm so wichtig, dass er es in Kapitel 4,4 nochmals mit Nachdruck wiederholt.

Er hatte bereits von Freude in verschiedener Hinsicht gesprochen: zunächst in Bezug auf seine Fürbitte für die Gläubigen (Kap. 1,4), dann darüber, dass Christus auf alle Weise verkündigt wurde (Kap. 1,18), weiter wenn die Gläubigen einmütig miteinander wandelten (Kap. 2,2), und schließlich für den Fall, dass er als Trankopfer gesprengt würde (Kap. 2,17). Hier aber verlässt er sozusagen die einzelnen Ströme und verfolgt alles zurück bis zur Quelle, indem er ihre Herzen auf den Herrn selbst richtet. Ihnen etwas Derartiges zu schreiben konnte für ihn nicht beschwerlich sein, und für die Philipper diente es zu ihrer Sicherheit. Wie nötig haben wir es, an die wahre Quelle all unserer Freude erinnert zu werden! Zweifellos finden wir Freude in der Gemeinschaft mit den Gläubigen und auch im Dienst für den Herrn. Doch es ist gefährlich für unsere Herzen, darin zu ruhen. Die Gläubigen können uns Schmerz und Enttäuschung bereiten, und der Dienst kann uns entmutigen – wo bleibt dann die Freude? Wenn aber das Herz auf den Herrn gerichtet ist, steht es wohl, wie auch die Zeiten oder Umstände sind.

Verse 2-3

Aber es gibt manches, was unsere Freude verdunkelt und sich zwischen die Seele und Christus drängt, und der Apostel geht jetzt dazu über, besonders von einer Gefahr mit großem Ernst zu reden: Überall waren judaisierende Lehrer am Werk, also solche, die dem Glauben an Christus Elemente des Judentums aufzuprägen suchten. Sie waren schon tätig genug gewesen, als er noch umherzog, aber wahrscheinlich noch viel mehr jetzt, als er ein Gefangener war. Er bezeichnet sie schonungslos als „Hunde“, denn sie hatten weder Gewissensempfinden noch Schamgefühl; als „böse Arbeiter“, denn sie verdarben das Werk und die Wahrheit Gottes; und nennt sie dann verächtlich die „Zerschneidung“.

Die Gläubigen sollten auf der Hut sein, denn wenn sie sich von diesen Lehrern auf der Grundlage von Gesetz und Satzungen leiten ließen, würde das ihre Freude zugrunde richten und sie dem Herzen nach von Christus „abtrennen“. Jeder rein äußerliche Ritus ist wertlos in den Augen Gottes (äußerliche Beschneidung bedeutet jetzt nur „Zerschneidung“, also Verstümmelung): „Wir sind die Beschneidung“ – wir haben im Tod Christi unseren Tod gefunden und sind dadurch „abgetrennt“ für Gott -, „die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen“. Es ist zu beachten, dass in diesem Kapitel nicht von der Gemeinheit des Fleisches die Rede ist, sondern von seiner Religiosität: Es ist wertlos, und die, die im Fleisch sind, vermögen Gott nicht zu gefallen.

Verse 4-6

Wenn irgendjemand dachte, er hätte etwas, worauf er im Fleisch vertrauen könnte, dann Paulus noch mehr: Er war nach jüdischem Ritus beschnitten, von rein hebräischer Abstammung, vom Stamm Benjamin, ein Pharisäer und voll Eifer gegen alle, die das Gesetz zu missachten schienen; so war er, wenn es um die Gerechtigkeit nach dem Gesetz ging, untadelig. Wer hätte ein besseres Bild abgeben können?

Verse 7-10

Aber wessen sich Saulus von Tarsus auch hätte rühmen können – Paulus, der Gläubige und Apostel, rühmte sich allein Christi. „Was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet.“ Dem glühenden Gesetzesanhänger und Verfolger wurde auf der Höhe seiner Laufbahn von einem verherrlichten Christus Halt geboten. An jenem denkwürdigen Tag sah er den verachteten Nazaräer, dessen Anhänger er bis zum Tod verfolgte, in der Herrlichkeit Gottes. Sein Gewissen wurde getroffen und sein Herz angezogen. Er sah in Christus eine Gerechtigkeit offenbart, die alles menschliche Tun in den Schatten stellt, so dass er alles, was er bis dahin als Gewinn angesehen hatte, nun als Verlust betrachtete. Nun wollte er nicht mehr in seiner eigenen Gerechtigkeit dastehen, selbst wenn es möglich wäre.

Von jetzt an war sein Herz nicht mehr mit ihm selbst und seinen Werken erfüllt, sondern mit Christus. Und nach vielen Jahren des Leidens und der Entbehrungen für den Namen Christi – die eine Prüfungszeit ohnegleichen waren, wenn wir einmal vom Weg des Herrn selbst absehen – dachte er noch ganz genauso: Christus war alles für ihn. Alles Übrige war für ihn nur Verlust und Dreck im Vergleich zur Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, seines Herrn. Im Gegensatz zu den törichten Galatern fuhr er fort, „gut zu laufen“, und ließ sich nicht aufhalten (Gal 5,7).

Er betrachtet Christus hier als Kampfpreis, den es am Ende zu gewinnen gilt, und die göttliche Gerechtigkeit als das, worin er an jenem Tag dastehen wird, und das ist ganz in Übereinstimmung mit dem Charakter des Briefes. In anderer Hinsicht aber war Christus schon sein, als er dies schrieb, und die göttliche Gerechtigkeit ebenfalls; doch im ganzen Philipperbrief wird der Gläubige gesehen, wie er durch die Wüste dem himmlischen Ziel entgegenzieht. Der Apostel hielt das Ziel im Auge – Christus – und erlaubte nicht, dass irgendetwas die Aufmerksamkeit seines Herzens ablenkte. So empfing er Kraft und Ausdauer für den Weg besonderer Erprobung, Schmach und Mühe, zu dem der Herr ihn von Anfang an berufen hatte. Sein Ziel war, Christus zu gewinnen und in Ihm gefunden zu werden, indem er nicht seine eigene Gerechtigkeit hatte, die nach dem Gesetz war, sondern die, die durch den Glauben an Christus ist, die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben.

Dieses Ziel war für ihn etwas so Glückseliges, dass er nicht danach fragte, wie bitter und rau der Weg sein könnte, der ihn dahin führte. Er begehrte, Christus und die Kraft Seiner Auferstehung (und wer kannte die wie er?) und die Gemeinschaft mit Seinen Leiden der Erfahrung nach noch tiefer zu erkennen, indem er Seinem Tod gleichgestaltet wurde. Paulus sah ein großes Vorrecht darin, Seinen Kelch zu trinken und mit Seiner Taufe getauft zu werden (vgl. Mk 10,38), denn je tiefer seine Leiden, desto ähnlicher würde er Christus werden, und das genügte ihm.

Vers 11

In Vers 11 geht es um die (Heraus-)Auferstehung aus den Toten. Die begehrte Paulus, was auf die allgemeine Tatsache der Auferstehung ja kaum zutreffen kann, denn der kann niemand entgehen: Alle werden einmal auferstehen. Aber Paulus hatte den herrlichen Tag vor Augen, wenn Christus wiederkommen und die Seinen aus den Gräbern rufen wird, damit sie Sein himmlisches Bild tragen, während die übrigen der Toten in den Gräbern bleiben bis zum Gericht des großen Tages (Joh 5,29). Die Auferstehung des Gläubigen trägt denselben Charakter wie die des Herrn Jesus: „aus den Toten“, zur Glückseligkeit und zur Herrlichkeit im Haus des Vaters.

Verse 12-16

Natürlich hatte der Apostel dieses Ziel noch nicht erreicht und war auch noch nicht vollendet; aber er jagte ihm nach, um es wenn irgend möglich zu ergreifen, weil auch er von Jesus Christus ergriffen war. Christus hatte gleichsam die Hand nach ihm ausgestreckt für die Herrlichkeit; nun begehrte er, die Hand danach auszustrecken, dass die Herrlichkeit ihre volle Macht auf seine Seele ausübte. Er wollte alles vergessen, was hinter ihm lag, und nur eines tun: das Ziel anschauend hinjagen zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus. Er wollte die Gnade und was sie für ihn getan hatte, nicht vergessen (1. Tim 1,12-16), sondern er wollte alles „vergessen“, was bisher erreicht war, d. h. nicht darin ruhen. Wenn wir einen Weg von 20 km vor uns hätten, könnten wir dankbar sein, wenn der fünfzehnte Kilometerstein erreicht wäre; aber es würde nicht genügen, dort zu bleiben, sondern wir müssten auch diesen und den sechzehnten hinter uns lassen wie alle anderen und weitereilen bis zum Ende. So eilte Paulus voran; die Herrlichkeit, ja Christus, lag vor ihm, und er wollte nicht kurz davor aufhören.

Und nun ermahnt er die Gläubigen, ebenso zu handeln. „So viele nun vollkommen sind, lasst uns so gesinnt sein“; und wenn es solche gab, die ihre himmlische Stellung noch nicht richtig kennen gelernt hatten, würde Gott ihnen auch das noch offenbaren. Aber alle sind verantwortlich, gemäß dem Erreichten zu wandeln, es sei groß oder klein. – Beachten wir noch, dass der Begriff „vollkommen“ hier bedeutet, geistlich voll herangewachsen zu sein, während das Wort „vollendet“ in Vers 12 die Gleichförmigkeit mit Christus in der Herrlichkeit bezeichnet.

Verse 17-21

Dann fordert der Apostel die Gläubigen auf, im Wettlauf zu dem himmlischen Ziel es ihm gleichzutun, und dabei auch auf solche zu achten, die es ebenso hielten.

Doch es gab auch noch andere, auf die es zu „achten“ galt, und zwar im Sinn von Römer 16,17: solche, die Zwiespalt und Ärgernis (Anstoß) anrichteten, entgegen der Lehre, die wir gelernt haben. Von solchen sollten sie sich abwenden; aber alle, die wandelten wie Paulus und damit „Vorbilder der Gläubigen“ waren (1. Tim 4,12), sollten sie im Auge behalten und nachahmen. – Als der Apostel das erwähnte, kam ein schmerzlicher Gedanke in seinem Herzen auf: Es gab solche, von denen er oft gesprachen hatte, nun aber mit Weinen sprach, die Feinde des Kreuzes Christi waren. Sie hatten nicht unbedingt das Bekenntnis zu Christus aufgegeben, obwohl sie nie Leben hatten, aber sie waren Feinde des Kreuzes. Als sie erkannten, dass der Glaubensweg mit Schmach und Verzicht verbunden ist, hatten sie sich davon losgesagt, denn sie liebten das Irdische und zogen einen Weg des Genusses und der Bequemlichkeit vor. Ihr Ende war das Verderben, der Apostel aber empfand bitter die offene Verunehrung für den Namen des Herrn Jesus.

Das Bürgertum des Christen ist im Himmel, nicht hier. Seine Heimat, sein Erbteil, sein Alles ist dort, wo Christus ist. Vom Himmel erwarten wir Ihn als Heiland, damit Er Sein Werk an uns vollendet, indem Er unseren schwachen Körper umgestaltet. Die Errettung der Seele haben wir jetzt; auf die Errettung des Körpers warten wir bis zu jenem Tag. Dann wird Er unseren „Leib der Niedrigkeit“ umgestalten und ihn entsprechend Seinem „Leib der Herrlichkeit“ bilden. Erstaunlicher Gedanke! Dieselbe Kraft, die Er im Tausendjährigen Reich entfalten wird, um sich alles zu unterwerfen, wird Er bald auf die Leiber aller anwenden, die Sein sind. So ist Er am Schluss dieses Kapitels die Hoffnung unserer Herzen, ebenso wie Er im Zentrum als Ziel unserer Herzen vor uns steht.

(Wird fortgesetzt)

W. W. F.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2004, Seite 170

Bibelstellen: Phil 3