Das Auge Gottes

An manchen Stellen redet die Heilige Schrift vom „Auge Gottes“. Natürlich geschieht das unter verschiedenen Blickwinkeln. Richten wir kurz unsere Aufmerksamkeit darauf:

Der liebevolle Blick Gottes

Gott sieht uns. Es ist ein Blick voll Liebe, der auf den Seinen ruht – weil Gott, der Vater, uns auf der Grundlage von Golgatha als Seine Kinder angenommen hat, und weil Gott, der Sohn, in uns die Schönheiten Seiner Braut wahrnimmt. In welch innige Beziehung zu Gott sind wir gekommen – als Kinder des Vaters und als Braut des Sohnes! Es ist kostbar, zu wissen, dass deshalb der liebevolle Blick unseres Herrn und Gottes in dieser Weise ununterbrochen auf uns gerichtet ist.

Im Hohenlied wird im fünften Kapitel das Auge des Bräutigams von Seiner Braut beschrieben: „Seine Augen sind wie Tauben an Wasserbächen, badend in Milch, eingefasste Steine“ (V. 12). Dies ist eine schöne Veranschaulichung des liebenden Blickes unseres Herrn. Kein Wesensmerkmal einer Person ist so ausdrucksvoll wie die Augen, deren Ausdruck hier mit einer Szene der Ruhe und des Friedens verglichen wird. So ist auch für den Erlösten aufgrund seiner Rechtfertigung vor Gott der Blick des Herrn voller Frieden und Güte auf ihn gerichtet.

Der prüfende Blick Gottes

Gleichzeitig werden wir aber auch hier an die Reinheit und Vollkommenheit Seiner Sichtweise erinnert. Dies wird einerseits durch die Milch veranschaulicht, die uns an Reinheit und Unverfälschtheit erinnert: „Du bist zu rein von Augen, um Böses zu sehen“ (Hab 1,13). Andererseits beschreiben die eingefassten Steine die Vollkommenheit Seines Auges, das hier wie ein exakt eingefasster Edelstein in Erscheinung tritt. Immer wieder spüren wir unsere Verantwortung, wenn wir uns täglich in diesem prüfenden Blickfeld unseres Herrn aufhalten – obwohl wir uns bewusst sein dürfen, dass es gleichzeitig auch der liebevolle Blick ist, der sich auf uns richtet.

In Seiner richterlichen Hoheit dagegen erscheinen die Augen Gottes in einer völlig anderen Form. Hier wird Sein Blick wie eine „Feuerflamme“ sein, die alles Ungerechte verzehren wird (Off 1,14). Der Herr sieht alles in Seinem heiligen Licht. Ein menschliches Auge benötigt den Lichteinfall von außen, um sehen zu können. Das Auge des Herrn aber hat Licht in sich selbst, das wie eine hell leuchtende Feuerflamme hervorstrahlt. Welch ein Unterschied zu unserer begrenzten Wahrnehmung der Dinge!

Wir haben bisher also den liebevollen Blick des Herrn auf die Seinen, aber auch den prüfenden Blick hinsichtlich Seiner Erlösten und auch Seiner Feinde gesehen, insbesondere die unterschiedlichen Bilder, die dabei gebraucht werden.

Gottes Blick hält Ausschau

Zwei andere Stellen der Heiligen Schrift betonen noch in besonderer Weise die prüfende Eigenschaft des Auges Gottes. Beide Verse reden davon, dass Seine Augen die ganze Erde durchlaufen, um dabei zwei Dinge festzustellen: Sie halten zum einen Ausschau nach solchen, deren Herz ungeteilt auf Ihn gerichtet ist (2. Chr 16,9), und sie achten darauf, ob das „Senkblei“ an dem Eckstein ausgerichtet ist (Sach 4,10). Was können wir darunter verstehen? Wird nicht damit angedeutet, dass Gott immer darauf bedacht ist sicherzustellen, ob sich wirklich alles an dem wahren „Eckstein“, Seinem Sohn, ausrichtet? Dies betrifft sowohl unsere persönliche Herzenshaltung (2. Chr 16) als auch die Wertmaßstäbe, die wir in Seiner Versammlung ansetzen, die als das Haus Gottes an dem Eckstein ausgerichtet ist (Sach 4).

Unser Blick zu Ihm

So ist der Blick des Herrn Jesus stets auf uns gerichtet, ohne sich je wieder von uns abzuwenden. Können wir das in letzter Konsequenz auch von uns so sagen, wenn es um unsere Blickrichtung zu Ihm hin geht? Im Hebräerbrief werden wir aufgefordert, auf den Herrn Jesus zu blicken und Ihn zu betrachten (Heb 12,2.3). Wenn wir diese Ermahnung nicht nötig hätten, würde das Wort Gottes sie uns sicherlich nicht geben.

Aber der Herr zieht auch immer wieder unseren Blick auf sich! Dies tut Er zum einen dadurch, dass Er uns Seine eigene Schönheit und Seine Wesenszüge vorstellt, wie wir es im 12. Vers von Hohelied 5 gesehen haben. Andererseits – und dies ist ebenso groß – stellt Er uns aber auch vor, wie kostbar wir Ihm sind und welche Schönheiten Er an uns sieht, die Er selbst in uns bewirkt hat. Diese entgegengesetzte Blickrichtung finden wir in Kapitel 4 des Hohenliedes wieder.

Dort lesen wir in Vers 1, dass für den Bräutigam die Augen der Braut hinter ihrem Schleier „wie Tauben“ sind. Jetzt sind es die Augen der Braut, die beschrieben werden. Die Anwendung auf uns ist sehr bedeutsam. Wir sollten ebenso ein einfältiges Auge haben, das gewohnt ist, auf den Herrn zu blicken. Das ist mit dem Bild der „Taube“ gemeint (s. Mt 10,16). Es ist schön zu sehen, wie Gottes Wort das gleiche Bild der Taube benutzt, um sowohl die Augen des Bräutigams als auch die der Braut zu beschreiben. Der Geist Gottes möchte uns dadurch ermuntern, unserem Herrn immer ähnlicher zu werden.

Aber was bedeutet noch der Zusatz „hinter deinem Schleier“? Der Herr möchte uns damit sagen: So, wie meine Augen stets auf dich gerichtet sind, so sollen auch deine Blicke nur mir gelten!

M. Wö.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2005, Seite 133

Bibelstellen: Hld 5, 12; Hab 1, 13; 2Chr 16, 9; Hebr 12, 2.3

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