Epaphroditus und Epaphras

Diener des Herrn und der Versammlung

Epaphroditus

„Ich habe es aber für nötig erachtet, Epaphroditus, meinen Bruder und Mitarbeiter und Mitstreiter, aber euren Abgesandten und Diener meines Bedarfs, zu euch zu senden, da ihn ja sehnlich nach euch allen verlangte und er sehr beunruhigt war, weil ihr gehört hattet, dass er krank war. Denn er war auch krank, dem Tode nahe; aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht aber über ihn allein, sondern auch über mich, damit ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte. Ich habe ihn nun desto eiliger gesandt, damit ihr, wenn ihr ihn seht, wieder froh werdet und ich weniger betrübt sei. Nehmt ihn nun auf im Herrn mit aller Freude, und haltet solche in Ehren; denn um des Werkes willen ist er dem Tode nahe gekommen, indem er sein Leben wagte, damit er den Mangel in eurem Dienst für mich ausfüllte“ (Phil 2,25-30).

Bevor wir uns mit diesem Abschnitt näher befassen, werfen wir einen kurzen Blick auf das gesamte Kapitel 2: Der Apostel Paulus schreibt an die Philipper und betont, dass sie doch „gleich gesinnt sein sollen, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes, nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst, ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen“ (Phil 2,2-4). Um diese Haltung praktisch zu verdeutlichen, stellt Paulus den Philippern, und gleichermaßen auch uns, einige Personen als nachahmenswertes Beispiel vor. Hierbei ist das vollkommene und erhabenste Vorbild unser Herr selbst (Kap. 2,5-8). Er hatte diese Gesinnung. Er war es, der nicht auf sich selbst achtete, sondern nur den Willen Gottes tun wollte. Er war bereit, sich selbst hinzugeben, sich selbst zu erniedrigen. Nun könnte die Gefahr bestehen, dass wir resignieren, da dieses Vorbild für uns ohnehin unerreichbar bleibt.

Deshalb weist der Apostel Paulus sie nun auf sein eigenes Verhalten hin. In Vers 17 sagt er: „Aber wenn ich auch als Trankopfer über das Opfer und den Dienst eures Glaubens gesprengt werde, so freue ich mich und freue mich mit euch allen.“ Er sieht sich nicht als das Hauptopfer, sondern möchte nur das Trankopfer sein, das lediglich eine Beigabe war. Als Hauptopfer würdigt er das Opfer und den Dienst der Philipper. Nun mag sich erneut der Einwand erheben, dass der Apostel Paulus ja auch ein auserwähltes Gefäß des Herrn gewesen sei und dass niemand von uns solche Begabungen und Berufungen habe.

Daraufhin zeigt uns Paulus schließlich einen weiteren Diener, der diese Gesinnung hatte (Kap. 2,20-24). In Vers 20 spricht er von Timotheus: „Ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird; denn alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist.“ Timotheus war in selbstlosem Dienst für die Belange der Philipper besorgt und nicht für seine eigenen. Auch jetzt noch könnte man zu bedenken geben, dass ja auch Timotheus eine besondere Gnadengabe empfangen habe.

Um auch diesem Einwand zu begegnen und seine Leser zu ermuntern, wirklich nach dieser Gesinnung zu streben, stellt Paulus uns nun noch Epaphroditus vor, einen einfachen Bruder aus Philippi. Es wird uns nichts darüber gesagt, dass er besondere Gnadengaben empfangen habe, auch nicht, dass er öffentlich in Erscheinung getreten sei. Er war „nur“ ein Bote der Versammlung in Philippi.

Einige Gedanken zu dem geschichtlichen Hintergrund mögen uns die Situation verdeutlichen. Die Philipper hatten für den Apostel Paulus gesammelt. Das war längere Zeit nicht geschehen, wie aus Kapitel 4,10 hervorgeht. Paulus seinerseits war als Gefangener in Rom. Um den Empfänger in den Nutzen der Gabe zu bringen, war eine weite Strecke von etwa 1100 Kilometern zurückzulegen. Solch eine Reise war beschwerlich und auch gefährlich. Dazu war ein mutiger Bote nötig. Diese Anforderung erfüllte nun Epaphroditus. Er erklärte sich bereit, das Geld von Philippi nach Rom zu bringen, und erfüllte damit den über längere Zeit entstandenen „Mangel im Dienst der Philipper für Paulus“ (Kap. 2,30).

Wenn wir uns nun dem oben angegebenen Abschnitt zuwenden, so finden wir zuerst, dass Epaphroditus mit fünf Titeln vom Apostel Paulus beschrieben wird. Es gibt wohl wenige Personen in der Heiligen Schrift, denen so viele Titel auf einmal gegeben werden. Schon die Titel in ihrer Gesamtheit zeigen die hohe Wertschätzung, die Paulus Epaphroditus entgegenbrachte. Aber auch jeder einzelne ist der Betrachtung wert.

Als Erstes nennt er ihn „meinen Bruder“. Er nennt ihn weder „euren“ Bruder, was lediglich anzeigen würde, dass er einer von den Philippern war, noch „unseren“ Bruder, was betonen würde, dass er ein Gläubiger ist. Nein, Paulus nennt ihn „meinen Bruder“, weil er ihm persönlich wertvoll geworden war, und drückt damit eine innige Beziehung aus, die dadurch gekennzeichnet ist, dass beide Wesenszüge ihres himmlischen Vaters tragen.

Als Nächstes nennt er ihn „meinen Mitarbeiter“. Das besagt, dass Epaphroditus Mühen um des Werkes willen auf sich genommen hat. Und er tat das gemeinsam mit dem Apostel Paulus. Wenn auch Epaphroditus wohl nicht selbst das Evangelium öffentlich verkündigt hat, so war er doch durch seine Arbeit für den Apostel Paulus ein Mitarbeiter geworden. Eine schöne Illustration davon, was Mitarbeit bedeutet, finden wir in Nehemia 3, wo es immer wieder heißt: „Ihm zur Seite baute …“ oder: „Nächst ihm besserte aus …“ Jeder tut sein Werk in Verbindung mit dem Nächsten, und so kann das Gesamte fertig gestellt werden.

Wenn Paulus ihn nun des Weiteren als „Mitstreiter“ bezeichnet, so deutet er damit darauf hin, dass es im Dienst auch Kampf gibt. Immer dort, wo der Herr wirkt, insbesondere wenn das Evangelium verkündigt wird, tritt auch der Teufel auf. Er weiß, dass ihm durch jede Bekehrung Territorium streitig gemacht wird. So sagt Paulus auch: „Eine große und wirkungsvolle Tür ist mir aufgetan, und der Widersacher sind viele“ (1. Kor 16,9). Auch wir dürfen Mitstreiter sein, indem wir für die beten, die an vorderster Front stehen. Mitarbeit und Mitstreit gehören zusammen. Dies wird uns auch bildlich dargestellt in Nehemia 4,10.11: „Und es geschah von diesem Tag an, dass die Hälfte meiner Diener an dem Werk arbeitete, während die andere Hälfte die Lanzen und die Schilde und die Bogen und die Panzer hielt. … Und die Lastträger luden auf, mit der einen Hand am Werk arbeitend, während die andere die Waffe hielt.“

Epaphroditus war jedoch auch „Abgesandter“ der Philipper. Er handelte nicht eigenmächtig, sondern ließ sich senden. Was für ein Segen von einem treuen Boten ausgeht, lesen wir in Sprüche 25,13: „Wie Kühlung des Schnees an einem Erntetag ist ein treuer Bote denen, die ihn senden: Er erquickt die Seele seines Herrn.“ Übrigens ließ sich Epaphroditus auch vom Apostel Paulus zu gegebener Zeit wieder nach Philippi zurücksenden.

Als Fünftes nennt ihn Paulus auch noch „Diener meines Bedarfs“, was anzeigt, wie sehr der Dienst von Epaphroditus den Bedürfnissen und Nöten von Paulus wirklich entsprach. In Kapitel 4,16 spricht Paulus auch davon, dass die Philipper ihm schon mehr als einmal etwas für seinen Bedarf gesandt hatten. Diese Wortwahl bestätigt uns, dass die Gaben, die Paulus empfing, für seinen täglichen Lebensunterhalt wirklich nötig waren. 2. Korinther 8,3 deutet an, dass die Gläubigen in Mazedonien, zu denen auch die Philipper gehörten, mehr gegeben haben, als ihren Lebensverhältnissen eigentlich entsprach, und dass sie keineswegs zu den Begüterten gehörten. Wie tröstlich sind da diese Worte: „Mein Gott aber wird allen euren Bedarf erfüllen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus“ (Phil 4,19). Gott wird es niemals zulassen, dass wir dadurch, dass wir anderen etwas geben, selbst Not leiden müssen, im Gegenteil, Er wird es uns zu lohnen wissen (Mt 10,42).

Dass Epaphroditus den anderen höher achtete als sich selbst, sehen wir zum einen darin, dass er sich sowohl von den Philippern als auch von Paulus senden ließ, zum anderen aber auch darin, dass er sehr bekümmert war, weil die Philipper gehört hatten, dass er krank war.

Er verfiel durch diese lebensbedrohliche Krankheit nicht in Selbstmitleid. Vielmehr betrübte er sich darüber, dass die Philipper sich Sorgen über seinen Gesundheitszustand machen könnten, sodass er sich nichts sehnlichster wünschte, als sie wiederzusehen. Sie sollten so bald wie möglich erfahren, dass er wieder gesund war. Diese Begebenheit gibt eine schöne Illustration davon, dass „alle Glieder mitleiden“, wenn „ein Glied leidet“ (1. Kor 12,26). Wir können uns vorstellen, dass die Philipper sich vielleicht Vorwürfe machten, Epaphroditus auf diese lange und gefahrvolle Reise gesandt zu haben. Er selbst macht ihnen aber keinerlei Vorhaltungen, sondern versucht, sie zu trösten und etwaige Zweifel an seiner Aussendung zu zerstreuen. Was für eine Selbstvergessenheit kennzeichnet doch das Herz dieses Dieners!

Ein weiteres Beispiel der innigen Verbundenheit des einen Leibes sehen wir darin, dass der Apostel Paulus über den gesundheitlichen Zustand von Epaphroditus traurig war. Er betrachtet die Genesung seines Mitstreiters als Erbarmung Gottes sich selbst gegenüber, damit er „nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte“. Aber auch die Verbundenheit mit den Philippern bringt er dadurch zum Ausdruck, dass er nun Epaphroditus zu ihnen sendet, damit sie wieder froh werden sollten und er weniger betrübt sei (Kap. 2,27.28).

Durch den Hinweis des Apostels, „solche in Ehren zu halten“ (Kap. 2,29), werden auch wir ermahnt, solchen Ehre zu geben, die im Stillen wirken. Der Name Epaphroditus bedeutet so viel wie „lieblich“, „liebreizend“. So wollen wir uns durch sein Beispiel auch zur Liebe und zu guten Werken anreizen lassen.

Epaphras

Wenden wir uns nun noch dem Kolosserbrief zu, wo wir einen weiteren Diener mit ähnlichem Namen finden.

„Es grüßt euch Epaphras, der von euch ist, ein Knecht Christi Jesu, der allezeit für euch ringt in den Gebeten, damit ihr vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes steht. Denn ich gebe ihm Zeugnis, dass er viel Mühe hat um euch und die in Laodizea und die in Hierapolis“ (Kol 4,12.13).

Epaphras kann als Kurzform von Epaphroditus gedeutet werden und bedeutet dann ebenso „liebreizend“. Aus Kolosser 1,7 können wir schließen, dass die Versammlung in Kolossä durch die Mitwirkung von Epaphras entstanden ist. Wahrscheinlich war er also auch in der Verkündigung des Evangeliums aktiv gewesen. Paulus nennt ihn einen „Knecht Christi Jesu“, was Epaphras als einen Mann kennzeichnete, der im Auftrag, im Dienst und in der Abhängigkeit von seinem Herrn handelte. Dieser Epaphras war aber nicht nur öffentlich tätig, sondern zeichnete sich zudem durch ein sehr intensives Gebetsleben aus. Nicht nur betete er für die Kolosser, sondern er rang für sie.

Wie sehr müssen ihm die Kolosser am Herzen gelegen haben! Dieses Ringen erinnert uns an Jakob, der mit Gott rang und sagte: „Ich lasse dich nicht los, es sei denn, du segnest mich“ (1. Mo 32,27). Auch das Gebet von Elia auf dem Karmel (1. Kö 18,42-44) kommt diesem Ringen nahe. Er hielt immer wieder Ausschau, ob Gott auf sein Gebet antworten würde, und hörte erst auf zu beten, als er der Erhörung sicher war. Epaphras betete nicht nur ab und zu, sondern tat es allezeit. Er betete auch nicht nur allgemein für das Wohlergehen der Kolosser, sondern ganz besonders für ihr geistliches Wohl. Hierbei wünschte er, dass sie „vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes stehen“, d. h. geistlich erwachsen sein sollten. Könnte es ein schöneres Ziel für unser geistliches Leben geben?

Die Voraussetzung, Gottes Willen zu tun, ist, dass wir zuvor prüfen, was der gute und vollkommene und wohlgefällige Wille Gottes ist. Ertappen wir uns nicht auch oft dabei, dass wir etwas ohne diese Überzeugung tun?

Epaphras trug aber nicht nur die Gläubigen der Versammlung in Kolossä auf dem Herzen, sondern auch die der umliegenden Versammlungen.

Die letzte Erwähnung von Epaphras findet sich in Philemon, Vers 23, wo wir erfahren, dass er ein „Mitgefangener in Christus Jesus“ war. Die Gefangenschaft wird seinem wertvollen Gebetsdienst nicht hinderlich, ja wahrscheinlich sogar eher förderlich gewesen sein. Den Dienst der intensiven Fürbitte können wir auch tun, wenn wir sonst kaum Möglichkeiten haben zu dienen – sei es, dass wir schwach oder alt geworden sind oder wie Epaphras gar nicht vor Ort sind.

Wollen wir nicht gern von solch einem Diener lernen? Dann werden wir nicht nur bei besonderen Gelegenheiten für unsere Geschwister beten, sondern wir werden das Gebet intensiv für alle allezeit und unter allen Umständen tun. Das wird sicherlich dem Wohl der örtlichen Versammlungen dienen.

M. Sy.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2005, Seite 165

Bibelstellen: Phil 2, 25-30; Kol 4, 12.13

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