Besorgt – Versorgt

Ein Jahr ohne Sorgen – das wünscht man sich zu Beginn eines neuen Jahres. Einmal wieder durchatmen können. Für manchen endete das vergangene Jahr mit Fragen – und besorgten Blickes hat man das neue Jahr begonnen. Da ruft uns der gütige Herr zu: „Seid um nichts besorgt!“ (Phil 4,6). Das ist nicht nur ein Ruf von oben, sondern zugleich die Ermunterung durch einen Diener des Herrn, Paulus. Dieser war nicht weltfremd. Er lebte in schwierigen Umständen und war zu diesem Zeitpunkt ein Gefangener. Es sind die Worte eines Mannes, der seine Zuversicht nicht verloren hatte. Er hatte früher notvolle Umstände kennen gelernt, deren Ausmaß wir an seinen Worten erkennen können, wenn er darauf hinweist, „dass wir übermäßig beschwert wurden, über Vermögen, so dass wir sogar am Leben verzweifelten“ (2. Kor 1,8). Aber auch ein mehrjähriger Gefängnisaufenthalt hatte seine Zuversicht nicht zerstören können. Er hatte das feste Vertrauen zu Gott, wieder frei zu kommen, um dem Herrn und den Gläubigen dienen zu können (Phil 2,24). Dieser Mann gibt uns lebendigen Anschauungsunterricht, mit welcher Haltung man schwierige Lebensumstände bewältigen kann.

Sich an das Wort Gottes zu klammern ist das eine. Tag für Tag schaut man auf den Tagesspruch und erhofft sich eine neue Wegweisung, einen neuen Hoffnungsschimmer für den Verlauf der Umstände. Das andere ist das Gebet, dieses Instrument, das – wie gelegentlich gesagt wird – den Arm Gottes bewegt. Wenn das Wort Gottes zum Beispiel mit einem Hammer verglichen wird, der Felsen zerschlägt (Jer 23,29), dann könnten wir das Gebet vielleicht eine Leiter nennen, die in den Himmel reicht. Wir sind direkt bei Gott, unserem Vater – und Er ist direkt in unseren Umständen. Brauchen wir einen größeren Zuspruch?

Durch das Gebet können wir Gott im Himmel unsere Sorgen übergeben. Wenn wir diese nur im Himmel zurückließen, und sie nicht anschließend wieder mit uns in die Umstände nähmen! Dazu brauchen wir Glaubensvertrauen – aber auch das dürfen wir von Ihm erbitten.

Auch die Schöpfung hat uns der Herr Jesus als Anschauungsbeispiel gegeben. „Betrachtet die Raben, dass sie nicht säen noch ernten, die weder Vorratskammer noch Scheune haben, und Gott ernährt sie; um wie viel vorzüglicher seid ihr als die Vögel!“ (Lk 12,24). Diese Worte haben auch in unserer Zeit nicht ihren Wert verloren. Denn durch Arbeitslosigkeit und andere Umstände können Nahrung und Kleidung (Lk 12,22.23) Anlässe für Sorgen werden. Aber der Herr ruft uns zu: „Seid nicht besorgt für das Leben!“ Natürlich sollen wir nicht tatenlos bleiben. Aber vom Sorgengeist will der Herr uns befreien. Wohl jeder muss zurückblickend bekennen: Er ist es, der uns bis heute versorgt hat. – Da dürfen wir Ihm doch auch für morgen vertrauen.

In manchen Familien und Ehen gibt es Sorgen, die mit menschlichen Mitteln ohnehin nicht lösbar sind. Da sind Kinder, die an schwerer Krankheit leiden, andere, die sich vom Glauben losgesagt haben, solche, die in die Welt gegangen oder in Unmoral gefallen sind. Und gibt es nicht auch vielfach Angst um Ehen? Für all diese Sorgen haben wir das Gebet, verbunden mit der steten Erneuerung des heiligen Entschlusses, miteinander und mit dem Herrn durch alles hindurchzugehen, wie Er uns führt. Dann können wir uns daran klammern: „Werft alle eure Sorge auf ihn; denn er ist besorgt für euch“ (1. Pet 5,7). Ihm, unserem Herrn, liegt an uns.

Es gibt auch Sorgen im gemeinsamen Glaubensleben. Mancher wird sich fragen: Wie wird es überhaupt weitergehen? Welche Ansprüche werden die Glaubenskämpfe im neuen Jahr an uns stellen, welche neuen und doch oft altbekannten Entscheidungen werden auf uns zukommen? Wird der Herr ein Aufleben schenken, oder wird die Verantwortung auf noch weniger Schultern lasten, werden Kraft und Klarheit über die biblische Wahrheit von Einheit, Absonderung und Gnade weiter abnehmen? Das sind Sorgen, die manches Herz bewegen, Nöte, die auf vielen Versammlungen lasten. Auch diese Sorgen können wir dem Heiland des Leibes (Eph 5,23) übergeben. Denn auch wenn alles Bemühen fruchtlos scheint, bleiben die Hände des Herrn allmächtig und wirksam. „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat“ (Heb 10,35).

Aber es gibt auch etwas, wofür wir besorgt sein dürfen: „die Sorge für alle Versammlungen“ (2. Kor 11,28). Auch darin ist uns der Apostel Paulus ein Vorbild. Für ihn war das eine Last, die er mit Ausharren und Entschiedenheit tragen wollte. Täglich war er damit beschäftigt und handelte wie einst Samuel: „Fern sei es von mir, gegen den HERRN zu sündigen und aufzuhören, für euch zu bitten“ (1. Sam 12,23) – eine ernste und doch zugleich vom Herrn gewollte Sorge. Die Sorge für das, was dem Herrn so wertvoll war, dass Er Sein Leben dafür hingab, kann durch das Gebet Grenzen überwinden, die unsere Füße nicht überschreiten können. Und das tägliche Gebet, der Ausdruck wahrer Fürsorge für das Volk Gottes, kann auch heute noch zu Wiederherstellung und Belebung führen. Paulus dachte „allezeit in jedem seiner Gebete“ an die Philipper.

Paulus hatte einen Nachahmer. Die Sorge für die Versammlungen ist nämlich keine Sonderaufgabe nur für betagte Diener. „Ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird; denn alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist“, sagt Paulus in Bezug auf Timotheus, seinen jüngeren Mitbruder und Freund (Phil 2,20.21). Das Wohl der Versammlung als Sorge auf dem Herzen zu tragen bedeutet zugleich, das zu suchen, was Jesus Christus verherrlicht. Und Ihn können wir dadurch ehren, dass wir für die Versammlung Sorge tragen. Solch eine Hingabe sucht der Herr bei uns allen. Aber es ist auch gut, dass der Herr Hirten gegeben hat, die in besonderer Weise für die Herde Sorge tragen. Ein solcher Hirte weidet und hütet. Er sammelt und führt zusammen. Er liebt und ermutigt, er wirbt um das Herz und korrigiert, wo nötig. Er zieht nie hinter sich her – denn für ihn ist Christus alles. Und nur Christus ist das Heilmittel für Seine Versammlung und kann die Herzen wieder ruhig machen und zusammenführen. Er allein stillt die Bedürfnisse und bewahrt vor vorschnellen, falschen Entscheidungen.

So gibt es auch im neuen Jahr eine Perspektive, wenn wir Christus in unsere Umstände bringen. Ihn anzuschauen bewahrt davor, eine falsche Richtung einzuschlagen. Anders gesagt: Wer Ihn im Boot hat, wird das Ziel erreichen – und keiner im Boot wird untergehen und verloren gehen. Christus scheint zu „schlafen“ – wie damals im Schiff mit den Jüngern auf dem See -, doch Er bleibt der Herr, dem nichts aus dem Ruder laufen kann. Könnte je einer besser für uns sorgen?

M.S.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2006, Seite 1

Bibelstellen: Phil 4, 6; 1Petr 5, 7