Der Brief an die Hebräer

Eine Einleitung

(Schluss von Seite 178)

Hier aber schweift der Apostel ab, wie er das öfter tut, um die Behinderung durch jüdische Bestandteile in ihrem Glaubensgut aufzudecken, an denen sie noch immer beharrlich festhielten. Solche jüdischen Elemente waren unvereinbar mit den ewigen und himmlischen Dingen, die unserer Beziehung zu jenem großen Hohenpriester entsprechen, der durch die Himmel gegangen ist und einen so herrlichen Platz eingenommen hat. Das Wort vom Anfang des Christus, so gut es auch war, ist ganz unzureichend, und der Christ muss fortfahren zum vollen Wuchs (Kap. 6). Denn, wie es an anderer Stelle ausgedrückt wird, wir sind nicht mehr unter Gesetz, wie es dem Menschen im Fleisch gegeben war und ihm entsprach, sondern unter Gnade – das sollte doch einleuchten. Wie könnten sonst wir himmlisch sein, da Er der Himmlische ist? Nur unumschränkte Gnade, die durch Gerechtigkeit herrscht, kann das bewirken. Daher die Gefahr, zurückzukehren von den jetzt offenbarten himmlischen Grundsätzen zu diesen Elementen, die doch ans Kreuz genagelt und im Licht des erhöhten Christus dem Glauben gewichen sind: eine Gefahr, der niemand so ausgesetzt war wie die Hebräer. Deshalb wünscht er, dass jeder von ihnen Fleiß beweise zur vollen Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende, da sie sowohl Gottes Eid hatten wie auch Sein Wort und einen Vorläufer in der Person Christi, der innerhalb des Vorhangs ist.

Kapitel 7 beweist, wie unermesslich und nach jeder Seite hin das Priestertum Jesu, des Sohnes Gottes, dasjenige Aarons übertrifft, das aufs engste mit dem Gesetz verknüpft war, das nichts zur Vollendung gebracht hatte. Die früheren Aussprüche, die völlig den Boden dafür bereiten, kündigen auch schon einen neuen und besseren Bund an (Kap. 8), vor dem der erste alt wird und dem Verschwinden nahe kommt und keineswegs jene Unwandelbarkeit zeigt, die rabbinische Tradition gern darin sehen wollte. Und das führt weiter zu der großen Wahrheit vom Opfer nach Gottes Sinn und Willen (Kap. 9.10), das seine angemessene Verwirklichung allein im Blut Christi fand, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat. Deshalb wird die Einmaligkeit dieses Opfers betont wie auch seine Vollständigkeit bezeugt dadurch, dass Er auf immerdar zur Rechten Gottes sitzt. Durch dieses eine Opfer ist das Werk vollendet, und die, die geheiligt werden, sind vollkommen gemacht, nicht nur für immer, sondern auch auf immerdar oder ohne Unterbrechung. Auch hier wird die Warnung, ein solches Opfer doch ja nicht für gemein zu erachten, mit großem Ernst ausgesprochen, während zugleich eingeräumt wird, dass wir Ausharren im Glauben nötig haben, bis Jesus kommt.

Darauf folgt (Kap. 11) die eindrucksvolle Liste der Glaubenszeugen Gottes, und für alle wird Zeugnis gegeben über ihren Glauben vor und während der Zeit des Gesetzes. Das Ganze gipfelt in Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, persönlich unendlich hoch über allen stehend, unermesslich mehr und anders litt und allein jetzt in dementsprechender Herrlichkeit zur Rechten des Thrones Gottes ist (Kap. 12). Und hier wird auf schöne Weise gezeigt, dass für Gläubige das Leiden hervorfließt aus Gottes Liebe als Vater unserer Geister und nicht mehr Vater einer Nation. Wir stehen jetzt in Seiner Gnade und nicht auf dem Boden des Gesetzes; und wir sind im Glauben bereits zu den herrlichen Ergebnissen gelangt, die für Himmel und Erde erwartet werden, wie das Reich sie entfalten wird, wenn Er bei Seiner Erscheinung nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel erbeben lassen wird.

Schließlich werden brüderliche Liebe, Gastfreundschaft und Mitempfinden eindringlich empfohlen und zugleich die Heiligkeit der Ehe betont. Statt Habsucht soll Vertrauen auf Gott herrschen. Die Hebräer sollten ihrer verstorbenen Führer ehrenvoll gedenken und ihren lebenden gehorchen. Jesus bleibt derselbe. Der Hütte zu dienen hat keinen Wert mehr: Alles ist in Ihm zu finden, in Seinem Werk und Seinem Dienst. „Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend.“ Solcherart ist das Christentum, wie es hier anhand der göttlich erläuterten jüdischen Vorbilder und der alttestamentlichen Belehrung gezeigt wird. Der Schreiber bittet um Fürbitte für sich und seine Umgebung; zugleich erfleht er vom Herrn Frieden für die Hebräer und lässt alle ihre Führer und alle Heiligen dort grüßen.

W. K.

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2007, Heft 7, Seite 202

Bibelstellen: Hebr