Der hebräische Knecht

2. Mose 21,2-6

(Schluss von Seite 338)

Der gegenwärtige Dienst Christi

Und doch ist der Herr Jesus jetzt nicht untätig. Er liebt uns, die Seinen, und Seine Liebe lässt Ihn nicht ruhen. Er sieht uns jetzt in unserer praktischen Schwachheit in einer Welt voller Sünde und Versuchungen. Das lässt Ihn nicht unberührt.

– Die Fußwaschung

In Johannes 13, wo wir Ihn zwar noch im Kreis Seiner Jünger, aber im Geist bereits hinter dem Erlösungswerk sehen, erhalten wir ein Bild Seines gegenwärtigen Dienstes an und für uns. Er tut alles, damit wir in unserem Glaubensleben glückliche Gemeinschaft mit Ihm, der jetzt im Himmel ist, haben können. Seine an Petrus gerichtete Antwort zeigt, dass die Fußwaschung tatsächlich eine tiefe geistliche Bedeutung hat: „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle“ (Joh 13,10). Diese Worte machen deutlich, dass es hier nicht um eine äußerliche Reinigung geht, wie sie damals üblich war. Mit dem „Baden“ ist die einmalige sittliche Reinigung des Sünders bei seiner Umkehr zu Gott gemeint. Es ist die „Waschung der Wiedergeburt“ (Tit 3,5), die durch das „Wasser“ des Wortes Gottes geschieht, das der Heilige Geist bei der neuen Geburt als Mittel zur Reinigung der Seele benutzt (Joh 3,3.5; 1. Pet 1,22). Diese braucht nie wiederholt zu werden. Dadurch sind wir im Blick auf unsere Stellung vor Gott „rein“ geworden. – Bei Judas war das nicht der Fall, deshalb hier diese Ausnahme.

Wenn wir aber als Gläubige „Teil mit Ihm“ haben wollen, das heißt praktische Gemeinschaft mit Ihm, der jetzt im Himmel ist, genießen wollen, brauchen wir immer wieder die Fußwaschung. Auf unserem Weg durch die Welt werden wir verunreinigt, und wer außer unserem vollkommenen, heiligen Herrn könnte uns davon reinigen? Das Mittel, das Er dazu benutzt, ist immer das durch den Heiligen Geist lebendig gemachte Wort Gottes. – Dar-über hinaus stellt uns der Herr Jesus die Fußwaschung auch als Beispiel für unser Verhalten untereinander vor (Joh 13,14-17).

Die Fußwaschung war in Israel ein Dienst für Knechte. Wie hat der Herr sich doch herabgeneigt, als Er sich damals mit dem leinenen Tuch umgürtete! Und auch wir haben diese Gesinnung nötig, wenn wir Seinem Beispiel folgen und in geistlicher Hinsicht einander diesen Dienst erweisen wollen.

Doch der Herr tut noch mehr. Sein Erlösungswerk hat Er vollbracht und ist in den Himmel eingegangen, aber wir sind noch auf der Erde in Schwachheit und inmitten von Gefahren. Wie groß und tröstlich ist es da für uns, unter diesen Umständen zu wissen, dass unser Herr sich bei unserem Gott und Vater für uns verwendet (Röm 8,34)! Er tut dies in zweierlei Art und Weise. Er ist unser Hoherpriester vor Gott und unser Sachwalter bei dem Vater.

– Das Hohepriestertum

Im Gegensatz zur Fußwaschung ist der hohepriesterliche Dienst eine hohe Würde, ja „Ehre“ (Heb 5,4). Insofern verlassen wir jetzt das Bild vom Knecht. Und doch handelt es sich auch weiter um einen Dienst, den der Herr vom Himmel aus für uns tut.

Dieser hohepriesterliche Dienst wird uns im Brief an die Hebräer erklärt. Als ehemalige Juden kannten die Empfänger den Dienst des Hohenpriesters. Er war im Zeitalter des Gesetzes der Mittler zwischen dem Volk und Gott. Wenn er ins Heiligtum eintrat, trug er heilige Kleider, auf denen zwei verschiedene Kleinodien befestigt waren. Auf seinen beiden Schultern befand sich je ein Onyxstein mit sechs Namen der zwölf Stämme Israels und auf der Brust ein quadratförmiges Brustschild mit zwölf Edelsteinen, auf denen jeweils der Name eines Stammes eingraviert war (2. Mo 28,9-29). So trug er bildlich das ganze Volk auf seinen starken Schultern und auf seinem Herzen vor Gott! Vom Herrn Jesus als unserem „großen Hohenpriester“ lesen wir in Hebräer 4,15: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde. Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe.“ In Kapitel 7,25 heißt es dann: „Daher vermag er diejenigen auch völlig zu erretten, die durch ihn Gott nahen, indem er lebt, um sich für sie zu verwenden“ (vgl. Heb 2,17.18).

Der Dienst unseres Hohenpriesters bei Gott hat es also weder mit unserer ewigen Errettung zu tun noch mit dem Fall, dass wir gesündigt haben. Er beschäftigt sich mit unseren Schwachheiten, mit denen Er Mitleid zu haben vermag, weil Er selbst in unseren Umständen gewesen ist und dies auch als Mensch in der Herrlichkeit nie vergisst. Sein Dienst dient dazu, die Seinen auf dem Weg des Glaubens zu erhalten und sie vor dem Abirren von diesem schmalen Pfad, das heißt also vor dem Sündigen, zu bewahren. Ein Beispiel dieses Dienstes gibt uns der Herr Jesus, als Er noch auf der Erde war. Er tröstete Seinen Jünger Petrus, der Ihn kurze Zeit später verleugnen würde, mit den Worten: „Simon, Simon! Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre“ (Lk 22,31.32). Wie nötig haben auch wir alle diesen treuen Dienst unseres Hohenpriesters, der sich unaufhörlich für uns verwendet! Sind wir Ihm dafür immer dankbar?

– Die Sachwalterschaft

Der Herr übt jedoch noch einen weiteren Dienst aus, nämlich den unseres Sachwalters beim Vater. Davon schreibt der Apostel Johannes: „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt“ (1. Joh 2,1.2). Dieser Dienst ist nötig, wenn jemand gesündigt hat. Christus ist es, der uns nachgeht und zum Bekenntnis führt, und Er ist es auch, der beim Vater für uns einsteht, weil Er, der Gerechte, am Kreuz die Sühnung für alle unsere Sünden geworden ist.

Solange sich alle Gläubigen als Einzelne und insgesamt als Versammlung betrachtet auf der Erde befinden, sind sie zwar der Stellung nach vollkommen in Christus, praktisch jedoch in einer Situation der Bedürftigkeit. Das haben wir bereits gesehen. Diesen Bedürfnissen entspricht der Herr nicht nur als unser Hoherpriester vor Gott und Sachwalter beim Vater. Er tut auch einen Dienst, der sich unmittelbar und ausschließlich mit uns beschäftigt. Seine Versammlung, die Gesamtheit aller Erlösten, heiligt Er, indem Er sie reinigt durch die Waschung mit Wasser durch das Wort Gottes (Eph 5,26). Er hat sich nicht nur am Kreuz in unaussprechlicher Liebe für Seine Versammlung hingegeben, sondern ist während der ganzen Zeit, in der sie sich auf der Erde befindet, in nie endender Geduld und Fürsorge damit beschäftigt, sie in ihrem praktischen Zustand mehr und mehr in Übereinstimmung mit sich selbst zu bringen. Dazu benutzt Er das Wort Gottes, das uns die himmlischen Dinge mitteilt, die Christus und Seine Herrlichkeit betreffen. Jemand hat einmal gesagt: Die Christen sollten die himmlischen Dinge besser kennen als die irdischen und weltlichen, aber leider ist es oft umgekehrt! Durch die Vorstellung der himmlischen Herrlichkeit Christi sollen die Gläubigen von der Beschäftigung mit irdischen und weltlichen Dingen gelöst werden. Dadurch werden sie und wird die Versammlung geheiligt. Heiligung bedeutet ja Absonderung für Gott. Zugleich führt der ständige Einfluss des Wortes Gottes dazu, dass alles, was im Widerspruch zum Wesen Gottes steht, ans Licht gebracht wird und verurteilt wird. So ist unser Herr in der Herrlichkeit bemüht, Seine Versammlung als Ganzes gesehen sittlich mehr und mehr in Übereinstimmung mit Sich, dem Haupt und dem Bräutigam, zu bringen.

– Die Fürsorge des Herrn

Aber damit nicht genug. Die Schwachheit, die Bedürfnisse und Lasten der Versammlung sind für den Herrn Jesus nur Gelegenheiten, ihr Seine treue Fürsorge angedeihen zu lassen. In Epheser 5,29 heißt es: „Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, wie auch der Christus die Versammlung.“ Wie der menschliche Körper muss auch die Versammlung geistlich ernährt und versorgt werden. Auch diesen Dienst erfüllt unser Herr als Haupt Seines Leibes in großer Liebe. Er gibt ihr die Nahrung und die Pflege, die sie braucht, um ihren Platz hier auf der Erde nach Seinen Gedanken auszufüllen. Es gibt nur eine Versammlung, nur einen Leib, nämlich die Gesamtheit aller, die an den Herrn Jesus glauben. Sein Wunsch und Wille ist es nun, dass alle Gläubigen sich dieser Tatsache bewusst werden und sich als ein Leib offenbaren. Das ist das Ziel der Liebe und des Dienstes des Christus in der Gegenwart, nicht erst für die Ewigkeit. Wenn wir den praktischen Zustand der gesamten Versammlung Gottes auf der Erde sehen, beginnen wir zu verstehen, wie wichtig diese Ernährung und Pflege ist. Es geht dabei nicht darum, was wir gut und richtig oder wichtig finden, sondern darum, dass Seine Gedanken der Liebe und Heiligkeit in den Seinen zum Tragen kommen. Möchte unsere „Nahrung“ und „Pflege“ von Ihm allein kommen und nicht aus anderen Quellen!

Der zukünftige Dienst Christi

Der gegenwärtige Dienst unseres Herrn wird bald ein Ende, ja seine Krönung finden. Wir warten auf den Augenblick, wo Er erneut als Heiland kommen wird, aber jetzt als Derjenige, „der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen“ (Phil 3,20.21). Der Herr „selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten“ (1. Thes 4,16-18). Von diesem Augenblick hat der Herr Jesus schon auf der Erde zu Seinen Jüngern gesprochen und sie damit getröstet! „Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich! In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seiet“ (Joh 14,1-3).

Er selbst wird bald kommen! Niemand von den Seinen wird zurückbleiben, selbst die Schwächsten im Glauben werden durch Seine Macht auferweckt oder verwandelt werden und dann für ewig bei Ihm sein. Für jeden Einzelnen hat unser Herr bereits eine Stätte zubereitet, und jeder von uns wird Ihn sehen, wie Er ist!

Nach der Entrückung wird jeder Gläubige vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden. Alle Überlegungen der Herzen, auch das „Verborgene der Finsternis“, wird dann von Ihm ans Licht gebracht werden. Aber wir brauchen uns nicht davor zu fürchten. Der Richter auf dem Thron ist unser Erlöser, der uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat. Unser eigenes Urteil über unser Leben wird Er dann in vollkommene Übereinstimmung mit sich selbst bringen. In Seinem Licht werden wir es so sehen, wie Er es schon immer beurteilt hat, und dadurch fähig sein, vollkommene Gemeinschaft mit Ihm und dem Vater zu genießen. Alle unsere Werke werden dort im Feuer göttlicher Heiligkeit geprüft werden. Was dabei Bestand hat, wird zu Seiner Ehre dienen und von Ihm belohnt werden (1. Kor 3,13.14; 4,5). Dort wird es nur Lob, nur Lohn, aber keine Strafe mehr geben! Diese hat Er ja selbst am Kreuz für uns getragen, und Gott, der Gerechte, straft nicht zweimal.

Dann wird der Herr Jesus sich auch die Versammlung verherrlicht darstellen, ohne Flecken, ohne Runzel oder etwas dergleichen. Heilig und untadelig wird sie vor Ihm stehen und auf ewig bei Ihm sein (Eph 5,27). Vor Seinem Erscheinen mit allen Heiligen wird im Himmel die Hochzeit des Lammes stattfinden. Dazu wird die Braut mit der feinen Leinwand der gerechten Taten der Heiligen bekleidet werden. Das heißt, was wir auf der Erde für unseren Herrn getan haben, wird dann zu Seiner Ehre und zum Schmuck der Braut dienen. Und doch heißt es: „Und es wurde ihr gegeben, dass sie sich kleide in feine Leinwand …“ (Off 19,7.8). Letztlich rührt dieses Kleid von Ihm her, denn nur Er konnte diese gerechten Taten in ihr wirken. Ob es sich um den Richterstuhl Christi oder um die Hochzeit des Lammes handelt, im Himmel wird letztlich nicht unser Tun, sondern die unermessliche Gnade Gottes in Christus triumphieren! Gott sei Dank für Seine unaussprechliche Gabe!

Wenn dann der Herr Jesus, begleitet von all den Seinen, in Herrlichkeit auf der Erde erscheinen wird, um Sein Königreich aufzurichten, wird Er einem jeden seine Aufgabe geben, die ihm angemessen ist und seiner Treue im Erdenleben entspricht. Wer über weniges treu war, wird über vieles gesetzt werden, aber alle werden eingehen in die Freude ihres Herrn (Mt 25,14-30; Lk 19,11-27).

Doch auch diese Zeit wird nach tausend Jahren zu Ende sein. Die alte Schöpfung wird vergehen, und neue Himmel und eine neue Erde werden erstehen, in denen Gerechtigkeit wohnt. Alles wird dann in vollkommener Harmonie und Übereinstimmung sein mit „dem seligen und alleinigen Machthaber, dem König der Könige und Herr der Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat noch sehen kann, dem Ehre sei und ewige Macht! Amen“ (1. Tim 6,15.16). Nur die Verlorenen werden in ewiger Qual an dem für den Teufel und seine Engel bereiteten Ort sein.

„Er wird hinzutreten und sie bedienen“

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf eine Szene von besonderer Schönheit. Der Herr spricht gleichnishaft von Menschen, die wachend auf ihren Herrn warten und Ihm öffnen, sobald Er anklopft. Solche Knechte nennt Er glückselig und fügt hinzu: „Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen“ (Lk 12,36.37). Wie bewegend ist diese Belohnung für treues Warten, diese „Vertauschung der Rollen“: Der Herr bedient Seine Knechte. Zum Dienen war der Herr Jesus sich ja nie zu schade, aber wie einzigartig tritt das hier in Erscheinung beim Empfang derer, die eingehen in die Ruhe ihres Herrn!

Wir fühlen uns erinnert an das „verborgene Manna“, das Er den Überwindern von Pergamus verheißen hat (Off 2,17). Als das Manna war Er einst die Speise der Wüste, die das Leben gibt und es erhält. Dann aber wird Er selbst die Seinen die Segnungen des Himmels genießen lassen und so das Bild des hebräischen Knechtes vollenden.

A. Remmers

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2008, Heft 12, Seite 357

Bibelstellen: 2Mo 21, 2-6

Stichwörter: hebräischer Knecht