Die Sünde im Fleisch ist verurteilt

Gedanken zu Römer 8,1-4

Der Gegensatz zwischen dem siebten und dem achten Kapitel des Römerbriefes ist sehr ausgeprägt. In Römer 7 wird der Geist Gottes nicht einmal erwähnt, während Römer 8 Ihn immer wieder ins Feld führt – der Teil bis Vers 27 ist ganz davon erfüllt. Der Zusammenhang ist offensichtlich: Alles wahrhaft christliche Leben mit seinen Erfahrungen vollzieht sich in der Kraft und durch die Wirksamkeit des Geistes Gottes.

Das bringt es mit sich, dass die alte Quelle der Energie – jener Energie, die unser Leben als Unbekehrte beherrschte – überführt und unwirksam gemacht ist.

In Römer 8,2 wird diese alte Energie unseres Lebens als Unbekehrte „das Gesetz der Sünde und des Todes“ genannt. Die neue Energie dagegen, die den Christen zutreffend kennzeichnet, wird „das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus“ genannt. Zugleich wird versichert, dass die letztgenannte der ersteren überlegen ist. Gestatte dem „Geist des Lebens in Christus Jesus“ nur, Sein „Gesetz“ oder Seine „Herrschaft“ auszuüben, dann ist die Herrschaft der Sünde und des Todes gebrochen. Denn auch hier gilt der Rechtsgrundsatz: „Höheres Recht bricht niedrigeres Recht“.

Dann zeigt uns Vers 3 die Grundlage für diese neue Herrschaft in dem großen Rechtsakt Gottes im Opfer Christi, als Er „die Sünde im Fleisch verurteilte“. „Die Sünde im Fleisch“ war der alte Tyrann. Wir gebrauchen bewusst diesen Ausdruck, denn das Gesetz der Sünde und des Todes war wirklich Tyrannei. So bezeugen es die unglücklichen Erfahrungen von Römer 7, wo die Wirkungen dieses „Gesetzes“ zu unserer Belehrung näher beschrieben werden. Gott sei Dank, es gibt unter dem neuen „Gesetz“ keine Tyrannei, denn es ist das Gesetz eines neuen Lebens – eines „Lebens in Christus Jesus“ – und nicht nur das, sondern das Gesetz des Geistes dieses Lebens.

Hat dann also der Gläubige zweierlei Leben? Nicht aus der Sicht Gottes. Das neue Leben ist dem Gläubigen zuteil geworden auf der Grundlage der Verurteilung des alten durch Gott selbst im Opfer Christi. Gott hat die Sünde im Fleisch verurteilt. Das Gesetz hätte das nie tun können. Es konnte mit vollem Recht den Menschen verurteilen, der durch die Sünde im Fleisch beherrscht wurde und in dem sie sich verkörperte. Aber Gott hat die Sünde im Fleisch – das eigentliche Wesen der adamitischen Natur – verurteilt, und das in einer Weise, dass das Kind Adams, das glaubt, errettet wird. Das hat Er getan, indem Er Seinen eigenen Sohn „in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde“ sandte. Wir wenden uns zum Kreuz, und im Opfer Christi, wie Er das Gericht über die Sünde trug, sehen wir die Sünde im Fleisch verurteilt.

Beachten wir, es geht um „die Sünde im Fleisch“. Der Herr Jesus wurde Fleisch – und das in Seiner vollkommenen Heiligkeit. Er kam „in Gleichgestalt“ des Fleisches der Sünde. Zwar ist die Sünde auch in den Bereich der Engel eingedrungen, wie wir wissen; aber Sünde in Geisteswesen ist hier nicht das Thema.

Beachten wir auch, dass die Sünde im Fleisch verurteilt wurde und nicht vergeben. Vergebung kann es nur für Taten geben, nicht aber für die bewirkenden Ursachen. Auch in der menschlichen Gerichtsbarkeit kann es Vergebung einer Tat durch Straferlass geben, doch auch dann hält das Gesetz seine Verurteilung der gesetzlosen und kriminellen Triebe aufrecht, die zu der Straftat geführt haben. So ist es auch in der göttlichen Gerichtsbarkeit, denn die menschliche ist, soweit sie gut und richtig ist, nur ein schwaches Abbild der göttlichen. Das Opfer Christi bietet nun die Grundlage, auf der die Vergebung der Vergehungen dem Gläubigen rechtmäßig zuteil wird. Gleichzeitig macht es den göttlichen Abscheu und die Verurteilung der verdorbenen Natur deutlich, aus der die Vergehungen entsprangen. „Die Sünde im Fleisch“ – das eigentliche Wesen und die Natur des Lebens des gefallenen Adam und seines Geschlechts – ist verurteilt.

Und hier stehen wir Gläubigen „in Christus Jesus“ in unserer neuen Stellung vor Gott und keineswegs in Adam! Und nicht nur haben wir diesen neuen Platz, diese neue Stellung, sondern wir haben auch „Leben in Christus Jesus“; es gibt eine neue Quelle des Lebens innen und ebenso eine neue Stellung außen. Ja noch mehr, wir besitzen den „Geist des Lebens in Christus Jesus“, und Sein Gesetz oder Seine Herrschaft stellt sicher, dass die Kraft da ist, die Bedürfnisse und Wünsche des neuen Lebens zu erfüllen, sogar obwohl das Fleisch und die Sünde immer noch in uns sind.

Kein Wunder also, dass es für die, die „in Christus Jesus“ sind, keinerlei Verdammnis mehr gibt! Das Fleisch und die Sünde, die noch in ihnen sind, solange sie in ihrem sterblichen Körper wohnen, sind in der Tat unverbesserlich böse und verdienen nichts als völlige Verdammnis. Doch im Opfer Christi ist das göttliche Gerichtsurteil vollzogen worden, und für den Gläubigen ist es für immer vorüber. Für uns „ist jetzt keine Verdammnis“. Sie hat sich am Kreuz völlig entladen!

Nicht davon zu trennen sind die praktischen Ergebnisse von all diesem, die uns in Vers 4 unseres Kapitels gezeigt werden. Alles ist dazu angetan, dass das, was das Gesetz zu Recht forderte und nie empfing, jetzt erfüllt wird in uns, „die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln“.

Ein Christ, der nicht nach dem Fleisch wandelt, hat erkannt, wie Gott die Sünde im Fleisch verurteilt hat; er stimmt diesem großen Werk in seiner eigenen Seele zu und verleugnet folglich das Fleisch und dessen Handlungen. Ein solcher wandelt zugleich nach dem Geist, denn er lebt in dem freudigen Bewusstsein, dass er das neue Leben in Christus Jesus und den Geist dieses neuen Lebens besitzt, der dessen Wirkungskraft ist; darum gibt er gern dem Wirken des Geistes Raum. – Bei einem solchen ist ohne Gesetz das erfüllt, was das Gesetz hätte bewirken sollen, aber nicht bewirken konnte, „weil es durch das Fleisch kraftlos war“. Und mehr noch: Das Leben eines solchen Christen geht weit über die Rechtsforderung des Gesetzes hinaus, weil er lernt, zu wandeln wie Christus gewandelt ist – und das ist ein weit höherer Standard als das Gesetz Moses.

F. B. Hole

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2008, Heft 9, Seite 270

Bibelstellen: Rö 8, 1-4