Eine Stätte für den Herrn

(Psalm 132)

Auf den ersten Blick haben manche sich gewundert, dass der Herr David einen „Mann nach meinem Herzen“ nannte, da er doch so schwer gesündigt und den Feinden des Herrn Anlass zur Lästerung gegeben hat. Doch auf der anderen Seite zeigen die Schriften tatsächlich, dass er ein Mann von hervorragenden Eigenschaften war, von denen eine der eindrucksvollsten in den ersten Versen von Psalm 132 zutage tritt, wo wir einen kurzen Blick in seine Tage als junger Mann tun dürfen.

Mancher junge Mensch mit starkem Charakter nimmt sich fest vor, wenn er im Leben einigermaßen Fuß gefasst hat, dieses oder jenes zu unternehmen, um sich Reichtum und Ehre zu sichern und sich so einen festen Platz hier auf der Erde einzurichten. Auch David tat als junger Mann einen Schwur, aber ihm ging es darum, eine Stätte für den HERRN zu finden und nicht einen Platz für sich selbst. Damit stand er im größten Gegensatz zu seinem Vorgänger Saul, dem von Samuel ein „Platz obenan unter den Geladenen“ zugewiesen wurde, nachdem Gott Samuel gesagt hatte, dass Saul König werden sollte. An diesem „Platz obenan“ hing Saul sehr, und für ihn kämpfte er erbittert. Sauls Motto hieß: „Ein Platz für mich.“ Davids Motto hieß: „Eine Stätte für den HERRN.“

„Siehe, wir hörten von ihr in Ephrata“ (V. 6); Ephrata war der alte Name von Bethlehem, Davids Geburtsort. Aber wer war „sie“? Natürlich die Bundeslade, die in Vers 8 erwähnt wird, denn Vers 6 fügt hinzu: „Wir fanden sie auf den Feldern Jaars.“ Damit ist Kirjat-Jearim gemeint, von wo aus David schließlich die Lade nach Jerusalem bringen ließ.

So zeigt dieser Psalm, dass David wusste, wie die Bundeslade – Gottes Thron in Israel – an die Philister verloren gegangen und nach ihrer Rückkehr nie ordnungsgemäß wieder eingesetzt worden war, und dass er in jungen Jahren darüber einen Schwur tat. Er wollte sich nicht eher Ruhe gönnen, bis er eine Stätte für den HERRN gefunden hätte, wo die Lade Seiner Gegenwart ruhen könnte. Solch ein Mann gefällt dem Herzen Gottes, nicht aber ein Mann, der nur einen guten Platz für sich sucht.

Sollten wir unser eigenes Herz nicht in diesem Licht einmal prüfen? Es wäre für unser Inneres heilsam. Es gibt ungezählte „Platz-Jäger“ auf der Erde: Ganze Nationen, soziale Klassen, Einzelpersonen – alle stehen sie in diesem erbitterten Wettbewerb.

Offenbar ist in der gegenwärtigen Zeit nichts an seinem richtigen Platz, zumindest was die Erde betrifft. Christus ist nicht an dem Platz, der Ihm rechtmäßig zusteht, als König über Israel zu regieren und als Sohn des Menschen über die ganze Welt. Die Kirche ist nicht an ihrem Bestimmungsort – im Himmel -, sondern immer noch am Ort ihrer Pilgerschaft. Israel ist noch zum großen Teil nicht in seinem Land. Die Nationen sind nicht an dem Platz, den Gott im Friedensreich Christi unter Seiner Regierung für sie bestimmt hat. Nichts wird an seinem Platz sein, solange nicht Christus Seinen Platz einnimmt. Da können wir mit Recht rufen: „Komm, Herr Jesus!“

Aber wir tun gut daran zu bedenken, dass es, während wir auf Ihn warten, einen Weg gibt, wie wir Ihm Seinen Platz einräumen können. Hat Er nicht gesagt: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20)? Wenn Er wiederkommt, wird unser „Versammeltwerden zu ihm hin“ stattfinden (2. Thes 2,1). Aber während wir warten, können wir uns in Seinem Namen versammeln, in Ablehnung aller anderen Namen, indem wir Seine Autorität und Seine Gegenwart in der Mitte anerkennen. Wenn wir das tun, werden wir in geistlicher Hinsicht die Freude haben, „eine Stätte für den Herrn“ zu finden. Dann aber müssen wir auch sorgfältig darauf achten, dass Er Seinen rechtmäßigen Platz in unseren Gedanken, Herzen, Zuneigungen, unserem Dienst und unserem Leben hat. Das wird Ihm wohlgefällig sein und dem Vater, von dem Er einst zu uns kam.

Die Leute dieser Welt werden uns für Narren halten. Sie werden uns erklären, dass, wenn wir nicht alle unsere Energien darauf richten, uns einen Platz in der Welt einzurichten, kein anderer das für uns tun wird und wir untergehen werden. Wir können ganz gut verstehen, warum sie so denken und reden. Wie töricht müssen die Jünger erschienen sein, als der Weg des Herrn Jesus auf der Erde zu Ende ging. Sie hatten alles aufgegeben – die Fischerboote, den Zahltisch für den Zoll und vieles andere -, um Ihm nachzufolgen. Sie hatten ihren Halt in Palästina verloren, und was stand ihnen jetzt noch bevor! Ihr Messias war im Begriff zu sterben!

Aber unter Seinen Abschiedsworten waren auch diese: „Euer Herz werde nicht bestürzt … Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten“ (Joh 14,1.2). Und die Stätte, die Er ihnen bereiten würde und für die Er sich verbürgt hat, war jedem Platz unendlich vorzuziehen, den irgendeiner von ihnen verlor. Und für uns gilt dasselbe.

Wir wollen deshalb guten Mutes weitergehen. Die Stätte, die Er uns bereitet hat, ist uns sicher und mit Worten nicht zu beschreiben. Möge es uns gegeben sein, uns etwas mehr den Geist Davids anzueignen und, während wir auf Sein Kommen warten, weder unsere Bequemlichkeit zu suchen noch schläfrig zu sein. Lasst uns die Interessen unseres Herrn suchen und ernstlich bestrebt sein, eine „Stätte“ für Ihn zu finden!

F. B. Hole

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2008, Heft 7, Seite 194

Bibelstellen: Ps 132