Die Heilung der blutflüssigen Frau

(Matthäus 9,18-22; Markus 5,25-34; Lukas 8,43-48)

Der Herr Jesus war auf dem Weg zum Synagogenvorsteher Jairus, dessen Tochter im Sterben lag. Die Volksmenge umdrängte Ihn. Doch nur von einer Person lesen wir, die in diesen Augenblicken von Seiner Macht profitierte: Eine blutflüssige Frau berührte Ihn heimlich und wurde augenblicklich geheilt. Aber der Herr heilte nicht nur ihren Körper, sondern kümmerte sich auch um ihre Seele. Er half ihr, die Mauer der Menschenfurcht zu durchbrechen und zu innerem Frieden zu finden.

Die Heilung dieser kranken Frau zeigt eindrücklich, wie ein Mensch gerettet werden kann, der unter der Sünde wie unter einer qualvollen Krankheit leidet. Wir lernen auch, wie der Herr Gläubige zu Zeugen Seiner Gnade macht und das Werk Gottes in ihren Herzen befestigt.

Die lange Zeit der Krankheit

Die Frau litt schon seit zwölf Jahren unter dieser Plage. Nach dem Gesetz Moses war sie unrein und beständig vom Gottesdienst ausgeschlossen (3. Mo 15,31). Aus demselben Grund war auch der normale Umgang mit ihrer Umgebung so gut wie unmöglich (3. Mo 15,25-27). Und wie wäre ihr Schamgefühl verletzt worden, wenn sie vor anderen über ihr Problem hätte sprechen sollen; so zog sie sich lieber zurück.

Wegen ihres Leidens war sie von einem Arzt zum anderen gegangen. Markus 5,26 beschreibt die Erfahrungen, die sie dabei gemacht hatte: Die Behandlungen waren qualvoll gewesen und hatten statt einer Besserung das Leiden sogar noch verschlimmert. Durch die Kosten für die Arztbesuche war sie völlig verarmt (Lk 8,43). Niemand hatte ihr helfen können. So hatte sie jede Hoffnung aufgegeben. – Doch dann hört sie von Jesus und macht sich auf, um Ihn zu sehen (Mk 5,27).

Vielen Menschen bereitet die „Krankheit“ der Sünde Not, und sie möchten gern davon frei werden. Die Schuld drückt auf das Gewissen, und der Wunsch keimt auf, ein heiliges Leben zu führen. Doch sie merken, dass die Sünde stärker ist und dass sie ihre Probleme nicht in den Griff bekommen. Manche schämen sich dafür und kapseln sich darum von ihren Mitmenschen ab.

Gleichzeitig suchen diese „Kranken“ fieberhaft nach einer Lösung, und ein Glücksversprecher nach dem anderen wird konsultiert. Das kostet Kraft, Zeit, Geld – und bringt doch nichts ein. Und jetzt? Wird die Qual der Sünde nie ein Ende nehmen? Ist alles verloren? Nein. Da wird die Botschaft vom Heiland – durch dich und mich! – verkündigt, und hilflose Sünder machen sich auf, um Ihm zu begegnen.

Die „Berührung“ des Glaubens

Die Frau glaubte daran, dass Christus anders war als die Ärzte. Sie vertraute Seiner göttlichen Macht, denn sie sagte zu sich selbst: „Wenn ich auch nur seine Kleider anrühre, werde ich geheilt werden“ (Mk 5,28). Doch sie schämte sich, Jesus öffentlich um Heilung zu bitten, wie andere das getan hatten (Mt 14,36). Sie scheute die Öffentlichkeit und machte sich auch nicht bewusst, dass Jesus ein liebendes Interesse an ihr hatte. Die kranke Frau sah in Ihm zuerst den Heiler, der seine Kraft ausströmen lässt, aber nicht Den, der sich in Gnade um jeden Einzelnen kümmert.

Scheu näherte sie sich dem Herrn Jesus von hinten und berührte eine der Quasten, die Er an Seinem Gewand trug (Mt 9,20; Lk 8,44; 5. Mo 22,12). Sofort merkte sie, dass die Blutung zum Stillstand kam und sie von der Plage geheilt war. Ihr Glaube an Seine Macht hatte sie augenblicklich gesund gemacht.

Der Sünder, der sein Vertrauen auf Jesus Christus setzt, wird sogleich von der Verunreinigung seiner Übertretungen gereinigt und von der Knechtschaft der Sünde befreit. Das, was kein Mensch kann, bewirkt der Herr Jesus – auch heute noch.

Die erforschende Frage

Gewöhnlich merkt man im Gedränge nicht, wenn man gezielt berührt wird. Aber dem Sohn Gottes war das nicht verborgen. Er erkannte sogleich in sich die Kraft, die von Ihm nach Seinem Willen ausgegangen war. Obwohl der Herr auf dem Weg zu Jairus war, der sicher ungeduldig wartete, blieb Er stehen. Er wollte erreichen, dass sich die Frau offenbarte und sich nicht einfach mit einem heimlich verschafften Segen davonmachte. Deshalb wandte Er sich um und fragte: „Wer hat meine Kleider angerührt?“ (Mk 5,30). Als alle leugneten, fragten Petrus und die Jünger: „Meister, die Volksmengen umdrängen und drücken dich, und du sagst: Wer ist es, der mich angerührt hat?“ (Lk 8,45). Damit bewiesen sie, dass sie überhaupt nicht erfasst hatten, was sich ereignet hatte. Der Herr Jesus erklärte daraufhin Seinen Jüngern, dass es Ihm um jemand ging, der Ihn im Glauben angerührt hatte und geheilt worden war (Lk 8,46).

Warum wollte der Heiland, dass sich die Frau zu erkennen gab? Genügte es nicht, dass sie geheilt war? Gewiss war die Heilung eine großartige Sache. Aber erstens sollte durch das Bekenntnis der Geheilten Gott die Ehre gegeben werden (vgl. Lk 17,18). Und zweitens sollte die Frau zu ihrem Segen den Herrn Jesus persönlich kennen lernen. Sie sollte erkennen, dass Er ein echtes Interesse an ihr hat und ihr die Gewissheit geben wollte, dass sie endgültig von der Plage geheilt war.

Wenn jemand zum Glauben an den Herrn Jesus kommt, sollte er zwei Punkte gut beherzigen:

– Es ist wichtig, dass der Gläubige sich öffentlich zu seinem Retter bekennt. Der Herr führt uns manchmal in Situationen, wo wir Farbe bekennen müssen. Das kann je nach Situation viel Überwindung kosten. Aber ist Er es nicht wert, dass wir uns auf Seine Seite stellen und Ihn dadurch ehren?

– Es ist wichtig, dass wir nicht nur „geheilt“ werden, sondern dass wir das auch durch Sein Wort wissen. Der Apostel Johannes zeigt, dass man durch den Glauben an den Sohn Gottes Leben empfängt (Joh 20,31). Er zeigt aber auch, dass der Gläubige das wissen darf und soll (1. Joh 5,13). Die Liebe Christi will jeden Glaubenden zur Gewissheit führen.

Die Frau offenbart sich

Die Frau, die sich auf die Frage des Herrn nicht zu erkennen gegeben hatte, merkte, wahrscheinlich von seinem Blick getroffen, dass sie nicht verborgen bleiben konnte (Mt 9,22; Mk 5,32; Lk 8,47). Voll Furcht und Zittern kam sie zu ihrem Retter, fiel vor Ihm auf die Knie und sagte Ihm die ganze Wahrheit (Mk 5,33). Sie bekannte vor dem ganzen Volk, dass sie es gewesen war, die den Herrn voller Scham wegen ihrer Krankheit heimlich angerührt hatte und nun von Ihm so wunderbar geheilt worden war (Lk 8,47). Ängstlich lag sie vor Seinen Füßen, nicht wissend, wie groß Seine Liebe und Gnade war.

Die gnädige Antwort des Herrn

Wie gnädig war Seine Antwort! Die Anrede „Tochter“ war allein schon Balsam für ihr zitterndes Herz, denn dadurch bekundete Er ihr Seine Zustimmung und Sein tiefes Interesse. Was Er zu ihr sagte, ist sehr bedeutsam:

– „Sei guten Mutes“ (Mt 9,22). Zuversicht und Mut hatten die kranke Frau in den vergangenen Jahren wohl kaum begleitet. Und auch jetzt noch lag sie furchtsam zu Seinen Füßen. Aber sie durfte Mut fassen. Die folgenden Worte des Herrn zeigen klar, warum.

– „Dein Glaube hat dich geheilt.“ Diese Aussage steht im Mittelpunkt, denn sie wird von Matthäus, Markus und Lukas berichtet. Mit diesen Worten machte der Herr deutlich, dass nicht die Berührung an sich sie geheilt hatte, sondern ihr Glaube. Die Heilung war Seine Antwort der Gnade auf ihren Glauben.

– „Geh hin in Frieden“ (Mk 5,34; Lk 8,48). Sie, die voll Furcht und Zittern gewesen war, durfte in Frieden gehen. Sie brauchte sich nicht vor ihrem Retter zu fürchten, denn Er meinte es gut mit ihr. Sie musste sich auch keine Vorwürfe machen, dass sie sich den Segen „erschlichen“ hatte. Nein, es war alles gut.

– „Sei gesund von deiner Plage“ (Mk 5,34). Die Frau hatte gemerkt, dass ihr Leiden augenblicklich zum Stillstand gekommen war (Mk 5,29). Doch das konnte ihr keine Gewissheit geben. Denn woher sollte sie wissen, ob es nicht nur eine kurze Besserung oder gar Einbildung war? Aber durch Sein Wort wurde ihr versichert, dass sie gesund sei.

Wer zum Glauben kommt, spürt eine Veränderung zum Guten. Was für ein herrliches Aufatmen gibt es, wenn die Sündenlast abfällt und die Fesseln der Sünde gelöst werden! Das Glück ist greifbar. Und das ist nicht verkehrt. Nur: Man kann nicht auf glückliche Gefühle bauen, wenn es um die Gewissheit des Heils geht.

Denn Gefühle wechseln schneller als das Wetter. Gerät man in ein „Tief“, dann kommen rasch zweifelnde Fragen auf: Habe ich etwa nur eine besondere religiöse Phase in meinem Leben gehabt, oder habe ich mir das mit dem Glauben nur eingebildet? Der Frieden ist dahin.

Wer dann in sich hineinhorcht, kommt nicht zur Ruhe. Wir brauchen eine Stütze, die außerhalb von uns ist. Da sind nicht Empfindungen gefragt, sondern das Wort des Herrn. So war es bei dieser Frau. Und so ist es auch bei uns. Das Wort Gottes erklärt, dass jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben hat (1. Joh 5,13). Darauf können wir wirklich bauen.

Die geheilte Frau wurde sich ihrer Heilung gewiss, nachdem sie öffentlich ein Bekenntnis abgelegt hatte. Es hat vielen geholfen, sich des ewigen Heils sicher zu werden, dass sie sich frei zum Heiland bekannten. Dadurch wird nicht nur anderen etwas klar gemacht, sondern auch die eigene Überzeugung wird klarer und sicherer. Wenn wir eine Wahrheit bezeugen, wird sie sich tiefer in unser eigenes Herz graben.

Es ist bemerkenswert, dass Matthäus erst von der Heilung der Frau spricht, nachdem er die Worte Jesu „Dein Glaube hat dich geheilt“ berichtet hat (Mt 9,22). Das zeigt: Seine Worte machten die Sache fest und gewiss und bildeten die Grundlage ihres Friedens.

Zusammenfassung

Menschen, die völlig am Ende sind, dürfen Rettung bei Jesus Christus finden. Wer gerettet ist, soll den Retter bekennen. Das wird dem Segen Bahn brechen. Der Glaubende darf auch lernen, nicht auf seine Gefühle zu bauen, sondern auf Gottes Wort. So wird er sich seines Heils gewiss. – Wer sich zu Ihm bekennt und Ihm vertraut, kann seinen Weg mit Zuversicht und in Frieden gehen.

G. Setzer

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2009, Heft 3, Seite 81

Bibelstellen: Mt 9, 18-22; Mk 5, 25-34; Lk 8, 43-48